Frankreich bringt MAI zum Scheitern

OECD will neuen Vertragsentwurf erarbeiten

Das MAI (Multilateral Agreement on Investment) ist vorerst gescheitert. Am 14. Oktober zog sich die französische Regierung aus den Verhandlungen über das multilaterale Investitionsabkommens ganz zurück, nachdem sie im April bereits eine sechsmonatige Pause durchgesetzt hatte (M 6/98). Die anderen 28 OECD-Staaten (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wollen das MAI aber nicht völlig zu Grabe tragen. Ein neuer Rahmenvertrag soll erarbeitet und Ende 1998 beraten werden.

Kernpunkt des Multi-Abkommens ist die Nicht-Diskriminierung von grenzüberschreitenden Investitionen. Jeder Unterzeichnerstaat garantiert Investoren und Investionen aus einem anderen Vertragsstaat die gleiche Behandlung wie inländischen. Doch das MAI sollte viel weiter gehen: Beschränkungen für ausländischen Investoren nur, wenn sie den internationalen Gepflogenheiten entsprechen, Nicht-Diskriminierung auch bei Privatisierung öffentlichen Eigentums und Schutz ausländischer Investionen vor Enteignung. Jeder Investor sollte die Anwendung der MAI-Regelungen einklagen können.

Trotz – begrenzt möglicher – nationaler Ausnahmeregelungen würde dies nicht nur eine neue Dimension in der Begünstigung internationaler Konzerne bedeuten, sondern auch die Beschneidung nationaler Souveränität und Eingriffe in Sozial- und Umweltstandards sowie in die kulturelle Identität. Dennoch hat die CDU/FDP-Bundesregierung das MAI forciert und versucht, dessen Inhalte geheimzuhalten. Denn seit sie bekanntgeworden sind, regt sich in einigen Ländern Widerstand. Auch in Deutschland sind umwelt- und entwicklungspolitische Gruppen, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und PDS sowie die IG Medien gegen das Abkommen aktiv geworden. Verbände von Kultur- und Medienschaffenden wehrten sich insbesondere gegen die Gefahren für die Kultur- und Filmförderung sowie die Einbeziehung der Urheberrechte als normale Investionen in das MAI. Doch die Proteste wurden öffentlich kaum wahrgenommen.

Anders in Frankreich. Medienwirksam kämpften dort Intellektuelle und Künstler, unterstützt von den in der Regierung vertretenen Kommunisten und Grünen, gegen die drohende Übernahme der Filmbranche durch Hollywood und den Ausverkauf der nationalen Kultur. Bereits bei der OECD-Ministerkonferenz im April forderte Frankreich, die MAI-Verhandlungen einzustellen. Am 14. Oktober sagte Premierminister Lionel Jospin vor der Nationalversammlung, das Abkommen sei „so nicht reformierbar“ und erklärte den Ausstieg seines Landes.

Frankreich wollte eine kulturelle Ausnahmeklausel und die Berücksichtigung des Sonderstatus der EU-Länder erreichen. Im MAI sollte außerdem sichergestellt werden, daß Sozial- und Umweltgesetzgebung nicht nach unten nivelliert werden. Vierter Streitpunkt waren die einseitig erlassenen, extraterritorialen Handelsgesetze der USA (wie Helms-Burton). Dieser Katalog ist auch in der das MAI ablehnenden Resolution des Europaparlamentes enthalten und gehört zu den Hauptkritikpunkten von SPD und Grünen.

Bonner Koalition will MAI neu gestalten

Während letztere das Abkommen am liebsten völlig beerdigen würden, hält die SPD ein grundlegend überarbeitetes MAI für „sinnvoll und wünschenswert“ (Stellungnahme im Bundestagswirtschaftsausschuß am 31. August 1998). Diese Position wurde auch nach dem Rückzug Frankreichs bekräftigt. Im Koalitionsvertrag heißt es, das MAI müsse „nach ökologischen und sozialen Kriterien neu gestaltet werden. Die Möglichkeit nationaler Gesetzgeber, ökologische und soziale Standards bei Investitionen und Handel einzuführen, muß beibehalten werden.“ Bei dem zu Konsultationen herabgestuften Zusammentreffen der OECD am 20. Oktober in Paris einigte man sich auf eine weitere Gesprächsrunde im Dezember 1998. Bis dahin soll ein neuer MAI-Entwurf erarbeitet werden, der Frankreich eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ermöglicht und auch den Bedenken anderer Teilnahmerstaaten Rechnung trägt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »