Hartnäckig nach Gründen fragen

Wege zu neuen Kriegen und Strategien für das Überleben

Am Ende des ersten Golfkrieges gab General Schwarzkopf zu, dass bei Beginn der Bodenoffensive die Medien einem „gigantischen Täuschungsmanöver“ gegen den Irak gedient hatten. Die frei erfundenen Geschichten über angebliche serbische Greueltaten im Kosovo rechtfertigte der NATO-Pressesprecher später mit der Bemerkung: „What do you want? We created stories and we made a good show.“

Der Öffentlichkeit Feindbilder und Erklärungen für Kriege zu liefern, war seit jeher wichtiges Manipulationsziel für Herrschende und ihre Militärs – mit Desinformation, Propaganda und Zensur. „Wenn die Leute wirklich Bescheid wüssten, wäre der Krieg morgen zu Ende“, meinte der britische Premier Lloyd George im Ersten Weltkrieg gegenüber dem „Manchester Guardian“. Nach aller Erfahrungen empfehle es sich, „der US-Regierung, die jetzt den neuen Krieg gegen den Irak vorbereitet, kein Wort zu glauben“, folgert Eckart Spoo und fordert „eine öffentliche Debatte über die Mechanismen in der hochkonzentrierten Medienindustrie, die aufklärerischen Journalismus behindern oder gar verhindern“.

Doch nicht nur Macht und Ohnmacht der Medien wird in der informativen Publikation sachlich-aufklärerisch zur Diskussion gestellt. Auch politische, historische, juristische und speziell ökonomische Hintergründe und Entwicklungen, die „Wege zu neuen Kriegen“ im Zeitalter der Globalisierung pflastern, werden in den zwanzig Einzelbeiträgen beleuchtet. Sie erlangen jetzt, nach dem Angriff auf den Irak, zusätzliche Brisanz und Aktualität. Ursprünglich entstanden sie für einen Kongress „Ein Jahr Krieg gegen den Terror. Bilanz. Ausblick. Gegenwehr“, der zum 1. September 2002 in Hannover stattfand. Vor allem das Wechselverhältnis „zwischen weltweiten Kapitalinteressen und militärischer Macht und zwischen amerikanischem ‚Imperium‘ und seinen ‚Vasallen'“ wollte diese Veranstaltung erhellen, deren Organisatoren die „Rückkehr zum Krieg als Mittel der Politik“ erklärtermaßen nicht hinnehmen. So beobachtet Maria Mies seit dem Golfkrieg 1991 und dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien eine „wachsende Militarisierung unserer Gesellschaften“, die auch als „Ramboisierung“ das Alltagsleben durchsetze. Angesichts der tiefen wirtschaftlichen Rezession in Amerika und Europa sehen weltweit agierende Konzerne Krieg zunehmend als Garanten für einen Wachstumsschub – bekanntlich ist Krieg gut für die Wirtschaft und Öl das „Herzblut des Westens“. Mehrere Autoren beleuchten die US-amerikanische Globalpolitik, die seit dem Ende des Kalten Krieges unverblümt anstrebt, „dass ihre ökonomische und militärische Hegemonie keiner Beschränkung, keiner korrigierenden Macht und keinem Veto mehr unterliegt“, wie Arno Klönne feststellt. Auch der Konkurrent „altes Europa“ und Europas Chancen als Zivilmacht werden thematisiert. „Kann das Völkerrecht eine Barriere gegen den Krieg sein?“, fragt Bernd Graefrath und kommt zu dem Schluss: „Es gilt nicht nur, die Unterminierung des geltenden Rechts abzuwehren, sondern wesentliche Grundpositionen einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung einzuführen und durchzusetzen, die das Überleben der Menschheit sichern.“ Auch der beinahe seherisch anmutende Beitrag von Joachim Guilliard zu Vorgeschichte und Hintergründen des „angekündigten“ Irak-Krieges trägt dazu bei, dass Leser des Bändchens „wirklich Bescheid“ wissen können.

Rainer Butenschön / Eckart Spoo:
Töten – Plündern – Herrschen. Wege zu neuen Kriegen.
VSA-Verlag Hamburg 2003, ISBN 3-89965-010-7,
212 S., 16,50 Euro

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