Hayat TV: Abgeschaltet in der Livesendung

Fast täglich erreichen uns Meldungen über die Entlassung und Inhaftierung Oppositioneller in der Türkei. Besonders unter Druck stehen kritisch berichtende Medien, von denen es inzwischen kaum noch welche gibt. Einer der Journalist_innen, die der Verfolgungswelle Erdogans zum Opfer gefallen sind, ist Arif Kosar, bis zum 29. September Programmdirektor von Hayat TV. Ebenso wie zehn andere Fernsehanstalten ist Hayat TV an diesem Tag geschlossen worden. „Wir wurden mitten in einer Livesendung ohne Vorwarnung über Satellit abgeschaltet“, berichtet Kosar, der auf Einladung der Links-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft die Hansestadt besucht.

Arif Kosar, ehemaliger Programmdirektor von Hayat TV Foto: Mathias Thurm
Arif Kosar, ehemaliger Programmdirektor von Hayat TV
Foto: Mathias Thurm

„Als Begründung wurde uns genannt, wir würden die nationale Sicherheit gefährden“, sagt der Journalist. Einen konkreten Vorwurf oder ein gerichtliches Verfahren habe es bis heute aber nicht gegeben. Nähe zur Gülen-Bewegung könne nicht der Grund für die Schließung gewesen sein, ist sich Arif Kosar sicher. „Wir haben die Gülen-Bewegung immer scharf kritisiert.“ Vielmehr gehe es Erdogan darum, jegliche Opposition auszuschalten. Und kritische Berichte wie diesen: Als am 3. Mai 2014 bei einem Grubenunglück in der Türkei 300 Bergleute ums Leben kamen, habe Hayat TV aufgedeckt, dass fehlende Sicherheitsmaßnahmen die Ursache für die Katastrophe waren. „Die Hinterbliebenen der Opfer waren natürlich wütend auf die Regierung“, erinnert sich Kosar.

Mit der Schließung des Senders sei Inventar und Eigentum beschlagnahmt worden. 50 Kolleginnen und Kollegen von Hayat TV säßen seitdem auf der Straße. Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten die wenigsten. Um den Mut und die Motivation, weiter zu machen, nicht zu verlieren, sei Solidarität für alle entlassenen Journalistinnen und Journalisten in der Türkei sehr wichtig, sagt Arif Kosar. In einer Resolution haben fraktionsübergreifend 93 der 121 Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft die türkische Regierung aufgefordert, die Repressionen gegen Oppositionelle zu beenden.

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »

Schlaffe Tarifangebote bei der ARD

Programmeinschnitte, Sparmaßnahmen und minimale Tarifangebote der ARD. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisiert die Haltung der Sender und kündigt Proteste an. Im Rahmen der Tarifverhandlungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe es zwar erste Angebote vom Bayerischen Rundfunk (BR) und vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) gegeben. Die Angebote blieben aber laut ver.di weit hinter den berechtigten Forderungen der Mitglieder zurück. Sie liegen auch weit unter den Tarifabschlüssen anderer Branchen oder dem öffentlichen Dienst.
mehr »