Investigative Medien wichtiger denn je

Mogens Blicher Bjerregård, Präsident der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF), ließ auf der Jahrestagung der EJF in Bukarest keinen Zweifel aufkommen: Investigativer Journalismus ist trotz der „kritischen Zeiten“ für den Berufsstand wichtiger denn je – auch wenn Politiker auf Konfrontationskurs mit den Medien gehen, und derzeit 60 Kolleginnen und Kollegen in Europa wegen ihrer Dienste für die Gesellschaft in Gefängnissen sitzen.

Patrick Penninckx, der Leiter der Abteilung zur Informationsgesellschaft beim Europarat, stellte fest: In 28 der 47 Länder Europas sind Journalistinnen und Journalisten nicht hinreichend vor Gewalt geschützt. Allzu oft würden Gesetze gegen den Terrorismus dazu benutzt, um die Arbeit der Medien zu behindern. Sein Fazit: So sei die Wächterfunktion der Medien in Gefahr geraten. Angst mache sich im Berufsstand breit. Marilyn Clark, Professorin für Psychologie an der Universität auf Malta, steuerte das Ergebnis einer Studie bei: 31 Prozent der Journalist_innen in Europa gingen wegen dieser Angst lieber nicht mehr sensiblen, kritischen Geschichten nach. 69 Prozent litten unter psychologischen Problemen. Bjerregårds Appel: Selbstzensur sollte sich trotz aller Bedrohungen nicht in den Köpfen breit machen.

Mehr denn je ist angesichts dieser Situation über Grenzen hinweg Solidarität zwischen Journalisten und Journalistinnen gefragt – wofür die EJF mit derzeit 71 Journalistenorganisationen in 43 Ländern eine Plattform bietet. Ein eigenes Projekt befasst sich mit der Türkei, wo gegen mehr als 120 Kollegen und Kolleginnen Haftbefehle erlassen wurden, die meisten Journalist_innen in Gefängnissen sitzen und unzählige weitere durch die Schließung von Medien ihre Jobs verloren haben. Der Fall Deniz Yücel ist nur ein Beispiel der massiven Verfolgung von Medienschaffenden in der Türkei.

Lobbying speziell für die Freien steht für die EJF ebenso wie der Kampf um die Urheberrechte weit oben auf der Agenda. Diesen beiden Themen widmen sich zwei von fünf speziellen Expertengruppen der EJF, in denen die dju in ver.di das ganze Jahr über mitarbeitet. Anträge zur Jahresversammlung, die in die Arbeit dieser Expertengruppen einfließen, richteten sich unter anderem gegen die zunehmenden prekären Arbeitsverhältnisse von Journalistinnen und Journalisten in Europa sowie die negativen Auswüchse der Digitalisierung. Diese Feststellung gilt europaweit: Eine „Facebookisierung von Nachrichten“ scheint die Zukunft des Journalismus den Maschinen der Sozialen Medien ausgehändigt zu haben und könne zu den „dramatischsten Veränderungen in der Geschichte des Journalismus“ führen. Gegenstrategien zu entwickeln kann nur durch Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg gelingen.

Der Europarat und die EU-Kommission sind dabei ebenso wie nationale Regierungen die Adressaten der Aktivitäten. Kooperationen bestehen unter anderem mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund ebenso wie mit der UNESCO. Für die EU-Kommission koordiniert die EJF ein noch bis 2018 laufendes Projekt gegen Hassparolen und Diskriminierung in den Medien.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Filmschaffende kriegen künftig mehr

In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz auf Eckpunkte einer vorläufigen Tarifeinigung verständigt. Doch nicht alle Verhandlungsthemen konnten geklärt werden. Die Frage nach der Regelung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Film wurde verschoben.
mehr »

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »