Journalistenmord in Brasilien verurteilt

Romário da Silva Barros wurde am 18. Juni in Rio de Janeiro ermordet
Screenshot: pleno.nws

Die UN-Kultur- und Bildungsorganisation UNESCO fordert angesichts der jüngsten Ermordung eines Online-Journalisten im Bundesstaat Rio de Janeiro ein Ende der Straflosigkeit in Brasilien. „Ich verurteile den Mord an Romário da Silva Barros“, sagte die UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay Anfang Juli. „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erkennt die Meinungsfreiheit als ein grundlegendes Menschenrecht an, und es ist unerlässlich, dass diejenigen vor Gericht gestellt werden, die Gewalt anwenden, um dieses Recht zu untergraben.“

Romário da Silva Barros war Gründer und Reporter des lokalen Nachrichtenportals „Lei Seca Maricá“, das sich mit Lokalpolitik und Kriminalität in dem rund 60 Kilometer nördlich von Rio gelegenen Küstenort Maricá beschäftigt. Korruption, Drogenhandel und Morde sind in Maricá, das die meisten Förderzinsen aus der Offshore-Erdölförderung von Rio de Janeiro bezieht, seit Jahren an der Tagesordnung. Der 31jährige hatte am Abend des 18. Juni gerade sein Fitnessprogramm an der Lagune Araçatiba abgeschlossen und sich ins Auto gesetzt, um nach Hause zu fahren, als zwei Kapuzenträger auftauchten. Einer der beiden schoss ihm zweimal in den Kopf. Der dritte Schuss traf ihn in den Hals.

Silva Barros ist der zweite Journalist, den offensichtlich Auftragsmörder in diesem Jahr im Bundesstaat Rio de Janeiro hinrichteten. Nur drei Wochen zuvor, am 28. Mai 2019, wurde ebenfalls in Maricá der Journalist Robson Giorno vor seiner Haustür erschossen. Der 45jährige war Besitzer der lokalen Tageszeitung „O Maricá“ und Kandidat der Avante-Partei für die Bürgermeisterwahl in seiner Stadt im kommenden Jahr.

„Es ist äußerst besorgniserregend, dass in weniger als einem Monat zwei Journalisten in Maricá getötet wurden, mit allen Beweisen, dass die Morde durch die berufliche Tätigkeit der Opfer motiviert waren“, kommentierte der brasilianische Verband der Tageszeitungen ANJ (Associação Nacional de Jornais). Straflosigkeit sei eine der Hauptursachen für die Fortsetzung dieser Verbrechen. Zudem ziele die Ermordung einzelner Journalist*innen auch darauf ab, andere Berichterstatter*innen einzuschüchtern.

Mit nun insgesamt 15 aufgrund ihrer Berufsausübung getöteten Reportern seit 1995 ist Rio de Janeiro der mit Abstand gefährlichste Bundesstaat für Journalisten in Brasilien. Es folgen Bahia mit 7 und Maranhão mit 6 Morden, so die Statistik des aktuellen Berichts „Gewalt gegen Kommunikatoren in Brasilien“, den der brasilianische Staatsanwaltschaftsrat (Conselho Nacional do Ministério Público), im April der Öffentlichkeit vorlegte. Insgesamt wurden von 1995 bis 2018 in dem lateinamerikanischen Land 64 Journalisten aufgrund der Ausübung ihres Berufs getötet, die beiden jüngsten Morde in Maricá nicht mitgezählt. Bisher wurden davon nur 32 aufgeklärt und die Mörder vor Gericht gestellt.

„Die Situation in Brasilien ist besorgniserregend und lässt ein systematisches Szenario erkennen“ betonen die Autoren des Berichts. „Heute ist Brasilien eines der gewalttätigsten Länder in Bezug auf die Gewalt gegen Medienschaffende.“ Laut UNESCO belegt es den sechsten Platz in der Rangliste der gefährlichsten Länder für Journalist*innen. Davor stünden Staaten, „die sich in einer offensichtlichen institutionellen, politischen oder humanitären Krise befinden: Syrien, Irak, Pakistan, Mexiko und Somalia.“

National bekannte Reporter*innen oder Auslandskorrespondent*innen müssen offenbar in Brasilien kaum um ihr Leben fürchten. Der Studie zufolge ereigneten sich fast alle Morde außerhalb der großen Metropolen und betrafen Journalisten kleinerer Printmedien, lokaler Radiosender und Nachrichtenportale sowie Blogger.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »