Keine Förderung für kleine Medien

Die „Ballesterer brennt“-Kampagne setzt auf die Solidarität der Leserinenn und Leser
Grafik: ballesterer.at

Förderungsmittel in Höhe von 32 Millionen Euro gibt die österreichische Regierung aus, um Printmedien für die Dauer der Coronakrise zu stützen. Davon profitieren vor allem Tages- und Wochenzeitungen großer Unternehmen sowie parteinahe Publikationen. Monatlich erscheinende und Magazine kleiner Verlage gehen leer aus. Die Beispiele des „Ballesterer“ und des „Augustin“ zeigen, wie versucht wird, jenseits von Anzeigenschaltungen und staatlicher Förderung andere Wege zu gehen.

Wer im deutschsprachigen Raum nach gut recherchierten Geschichten über den Fußball und seine Fans sucht, kommt am österreichischen „Ballester“ nicht vorbei. Das Magazin bietet Einblicke in Fankulturen und eine kritische Sicht auf das Sportgeschäft, welche sonst nur sehr selten im Blätterwald zu finden sind. Es ist ein Magazin, das mit viel Herzblut, aber kleinem Budget hergestellt wird. Kurz vor Ausbruch der Coronakrise wollte man sich beim „Ballesterer“ finanziell neu aufstellen. Das war dringend nötig, auch die Einstellung der Publikation stand zur Diskussion. Corona hat die Lage zusätzlich verschärft.

Doch die Macher*innen des Magazins setzten auf die Solidarität ihrer Leser*innen und starteten die „Ballesterer brennt“-Kampagne. „Die Kampagne läuft sehr, sehr gut“, sagt Chefredakteur Jakob Rosenberg. „Wir haben 1200 neue Abos, wesentlich mehr als erwartet. 300 Leute haben schon gespendet, 90 sind beim „Supporters Club“ Mitglied geworden.“ Der Club ist ein Kernbestandteil der Ballesterer-Kampagne und durch Corona noch wichtiger geworden. „Eine ganze Reihe von Anzeigenkunden hat storniert, 20.000 Euro sind weg“, sagt Rosenberg. „Das trifft uns hart.“ Über den Club will man deshalb versuchen, die Abhängigkeit vom Anzeigenmarkt abzuschwächen. „Es geht darum, dass Leute sich verpflichten, regelmäßig zu spenden. Wir haben uns ein Ziel von 400 Supporter*innen gesetzt. Dadurch wollen wir mehr Planungssicherheit und stabile Einnahmen erreichen.“ Den Mitgliedern im „Supporters Club“ verspricht der „Ballesterer“ exklusive Veranstaltungsangebote sowie Mitspracherechte bei der inhaltlichen Gestaltung des Blattes.

Auch die Wiener Straßenzeitung „Augustin“ setzt schon seit längerem auf „Liebhaber*innen“, die regelmäßig spenden. Das Magazin ist auf kritische sozial- und kulturpolitische Inhalte fokussiert und wird von armutsbetroffenen Menschen verkauft, welche dadurch ein Einkommen beziehen können. Die aufgrund von Corona eingeführten Ausgangsbeschränkungen haben diese Verkaufsmethode drastisch erschwert. Das Blatt sah sich zu Überbrückungsmaßnahmen gezwungen: „Über eine Crowdfunding-Plattform konnten wir innerhalb kurzer Zeit 46.000 Euro generieren“, erzählt Redakteurin Lisa Bolyos. „Für die Dauer der Krise und so lange der Straßenverkauf nur eingeschränkt möglich ist, bieten wir ein Kurzzeit-Soliabo in Print an und verkaufen den Augustin auch digital. Wir haben innerhalb einer Woche 2.000 Zweimonatsabos verkauft.“ Daneben gibt es den „Augustin“ nun in Pop-Up-Kiosks, Geschäfte und Apotheken bieten die Straßenzeitung für die Dauer der Krise in ihren Verkaufsräumen an. Unterstützer*innen liefern die Zeitung mit Fahrrädern aus.

Not macht kreativ. Das ist wohl auch nötig: „Auch der Augustin bleibt,wie wir, von den Corona-Förderungen ausgeschlossen,“ sagt Jakob Rosenberg. „Die Krise ist für uns und viele andere existenzbedrohend. Viele Nischenmedien werden nicht überleben.“ Deshalb sei gemeinsame Solidarität so wichtig, so Rosenberg. Dazu zählt, dass der „Augustin“ eines der ersten Medien war, „welches über unsere Kampagne berichtet hat.“

Augustin-Redakteurin Bolyos findet, dass die Verteilung der Medienförderung nicht nur der Pressefreiheit in Österreich allgemein zu schaffen macht, sondern auch dem „Augustin“. Dennoch steht sie einer Finanzierung aus öffentlicher Hand skeptisch gegenüber. Diese bringe immer auch „Kontrolle und Abhängigkeit“ mit sich. Auch darüber, wer über die Vergabe einer Förderung bestimmt, müsse geredet werden. Eine Förderung durch die Stadt Wien stünde immer auf wackeligen Beinen und könne schnell wieder weg sein. „So ist keine nachhaltige Arbeit möglich“, sagt sie.

 

 

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