Meta blockiert kanadische Medien

Foto: 123rf.com/ginasanders, rvlsoft. [M]

Instagram und Facebook blockieren in Kanada Links von Beiträgen kanadischer Medien. Menschen in Kanada können diesen Content nicht sehen. Als Reaktion auf eine kanadische Gesetzgebung erscheint der Nachrichteninhalt in Kanada hier nicht“, heißt es seit 1. August lapidar auf Instagram. Es zeigt einen weißen Screen mit einer durchgestrichenen Kamera. Kanadische Facebook-Nutzer*innen sahen am selben Tag eine ebenso lapidare Nachricht: „Wir beenden die Verfügbarkeit von Nachrichten in Kanada. Dieses Verfahren beginnt heute, und es betrifft alle, die in Kanada auf Facebook und Instagram in den kommenden Wochen zugreifen wollen“.

Der Meta-Konzern, dem die beiden weltweit beliebtesten digitalen Plattformen gehören, macht ernst und blockt Inhalte kanadischer Medien. Das reicht von winzigen Webseiten, die örtliche Anzeigen schalten, über lokale Radiosender bis zur nationalen Canadian Broadcasting Corporation CBC. Das Unternehmens reagiert damit auf den Online News Act, auch Bill C-18 genannt. Das Ende Juni verabschiedete Gesetz besagt, dass die digitalen Giganten Inhalte von kanadischen Medienhäusern vergüten müssen. Google erwägt, ebenfalls eine Sperre zu verhängen.

Virtuelle Blockde mit realen Konsequenzen

Dass Nutzer*innen der größten sozialen Plattformen seit nunmehr drei Wochen die Seiten ihrer Medien in Kanada nicht mehr aufrufen können, wurde kurz darauf für viele lebensgefährlich. Als sich Mitte August im Nordwesten Kanadas die verheerenden Brände, die das Land seit Wochen heimsuchen, auf den entlegenen Ort Yellowknife zubewegten, blieben die über Facebook kommunizierenden Communities stundenlang im Dunklen. Gerade ältere Menschen, für die Facebook seit über 20 Jahren eine unentbehrliche Quelle von News und sozialem Austausch ist, waren über den Ernst der Lage im Unklaren. Es ging glimpflich aus dank der Behörden, die Angestellte von Tür zu Tür schickten und den Menschen die Evakuierung nahelegten.

Als unverantwortlich, gefährlich und nicht hinnehmbar kritisierte der kanadische Verkehrsminister Pablo Rodriguez, der den Online News Act durchgesetzt hatte, die Sperre. Umgangen hatten sie mehrere findige Einwohner von Yellowknife mit dem Posting von Screenshots, Leerzeichen oder Text, sowie mit Anweisungen, wie Links wieder hergestellt werden könnten. Meta teilte trotzig mit, es habe einen Notfalldienst für die Brände in Yellowknife eingerichtet, staatliche Warnungen seien nicht gesperrt worden.

Der Online News Act

Die Canadian Media Guild CMG, die rund 6.000 Medienschaffende vertritt, hatte die Verabschiedung des Online News Act begrüßt als „wichtigen Schritt vorwärts, damit der Öffentlichkeit auch weiterhin Qualitätsnachrichten und -informationen zur Verfügung stehen“. Vertrauenswürdige Nachrichten seien für eine Demokratie lebensnotwendig, betonte die CMG-Vorsitzende Annick Forest. Der Online News Act ziele darauf ab, „das krasse Ungleichgewicht in der derzeitigen Medienindustrie zu korrigieren, in der Tech-Giganten wie Meta (Facebook) und Google große Gewinne aus der wertvollen Arbeit der kanadischen Journalist*innen und Medienschaffenden bei der Nachrichtenerfassung und -berichterstattung ziehen, ohne einen Cent zu zahlen.“

Die demokratiefeindliche Machtentfaltung der digitalen Giganten wirkt sich auf die gesamte Medienlandschaft verheerend aus. Während journalistische Arbeit unentlohnt weiterverbreitet wird, streichen sie etwa 80 Prozent der Werbegelder ein. Die Nachrichtenmärkte trocknen aus, Medienjobs gehen verloren. Von den Nachrichtenwüsten am stärksten betroffen sind Landbewohner*innen, denen dann nur noch Facebook bleibt – beziehungsweise blieb.

Die von Meta verhängte Sperre in Kanada ist nicht die erste, aber die längste. Vor zweieinhalb Jahren hatte das Unternehmen seine Macht in Australien ausgespielt, das als weltweiter Vorreiter die Konzerne zu Zahlungen verpflichten wollte. Nach einer einwöchigen Facebook-Nachrichtenblockade knickte Australien ein. Statt gesetzlich festgelegte Abgaben leisten zu müssen, können die globalen Konzerne Einzeldeals mit Medienunternehmen abschließen. Über 30 solcher Abkommen wurden in Australien mittlerweile getroffen, mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet 110 Millionen Euro.

Weitere Regulierungen gefordert

CWA Canada – The Media Union begrüßte damals die prinzipielle Bereitschaft der australischen Regierung zu Regulierungsmaßnahmen. Doch die Regelung bewahre den Journalismus „nicht vor gierigen Konzernen und der monopolistischen Tyrannei der Tech-Titanen Facebook und Google.“ Statt „intransparente Privatgeschäfte zu ermöglichen“, seien weitreichendere Maßnahmen nötig, etwa die Besteuerung der Tech-Giganten und die bessere Finanzierung einer transparenten und stabilen öffentlich-rechtlichen Medienlandschaft.

Da der kanadische Online News Act eine australische Regelung nicht zulässt, stehen sich Meta und die Regierung in Ottawa bis auf Weiteres frontal gegenüber. Meta befürchtet in Kanada einen Präzedenzfall. Denn wenn es dort der gesetzlichen Zahlungsaufforderung nachkommt, werden andere Gesetzgeber dem kanadischen Beispiel folgen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften.
mehr »

Klischees, die bis heute wirken

Die MDR-Dokumentation „Es ist kompliziert - Der Osten in den Medien“ prüft die Entstehung des medialen Bilds von Ostdeutschland. Die umfassende Analyse von über 30 Jahren Berichterstattung zeigt, wie entlang von Medien-Stories und Skandalen ein Narrativ vom Osten entstanden ist, das immer wieder aufgegriffen wird und seine Wirkmächtigkeit nicht verloren hat.
mehr »

Assange äußert sich erstmals öffentlich

Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, hat in seiner heutigen Anhörung vor dem Europarat den Deal kritisiert, den er mit der US-Justiz schließen musste, um aus seiner langjährigen Haft freigelassen zu werden. Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach seiner Freilassung Ende Juni. Die dju in ver.di fordert eine Aufarbeitung.
mehr »

Spaniens Justiz kämpft gegen Hetze im Netz

Spanischen Staatsanwälte verstärken ihre Ermittlungen zu Hassverbrechen in sozialen Medien. Denn Rechtsextreme und Rechtspopulisten hetzen zunehmend im Internet. Sie machen Stimmung gegen Zuwanderung, Pressevertreter*innen und einzelne Politiker*innen. Auch das Strafrecht soll daher verschärft werden. Doch das könnte gerade für Medienschaffende zum Problem werden.
mehr »