Nur noch wirtschaftliche Kriterien?

Internationaler Umgang mit den „öffentlichen Gütern“ Wissen und Information

Spätestens nach den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November, so die Ein-schätzung zahlreicher Experten, werden die Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO weiter gehen. Im Rahmen des DienstleistungsabkommensGATS (General Agreement on Tarifs and Services), das der WTO angegliedert ist, sollen dort voraussichtlich auch Weichen für den Medien- und Unterhaltungssektor gestellt werden. Die Leistungen der Telekommunikation sind zwar schon im GATS enthalten, vergleichbare Abkommen gelten allerdings noch nicht für die Verbreitung von Rundfunkprogrammen über Kabel und Satellit, werden aber angestrebt.

Ziel der WTO ist eine weitgehende Deregulierung und Liberalisierung der internationalen Märkte. Nicht nur im Telekommunikationssektor hat das GATS-Abkommen bisher zu Marktkonzentrationen und aggressiven Eroberungsstrategien der führenden und miteinander konkurrierenden Konzerne geführt. Dasselbe ist für den Mediensektor zu befürchten, mit allen negativen Auswirkungen für die Beschäftigten und die kulturellen Errungenschaften in vielen Regionen der Welt. Nur wenige Standorte der Filmproduktionen werden es beispielsweise mit Hollywood aufnehmen können. Für die USA ein Grund, in der WTO auf weltweite Marktöffnungen für die Filmindustrie zu drängen, deren Exporteinnahmen schon heute alle anderen der USA, eingeschlossen Rüstung und Agrarproduktion, in den Schatten stellen.

Doch auch ohne die WTO fusionieren immer mehr Unternehmen zu gigantischen Konzernen, als jüngstes Beispiel sei an dieser Stelle die Fusion von Time Warner und America Online erwähnt (siehe M 1-2, 3/00). Doch diese Zusammenschlüsse sind, verglichen mit einer Marktliberalisierung in der WTO, allenfalls ein Vorspiel. Die Angriffe auf öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, Bürgerradios und andere öffentlich geförderte Medienprojekte werden an Schärfe zunehmen.

Die Auswirkungen auf die Medienbranche sind schwerwiegend: Informationen, die in erster Linie wirtschaftlichen Kriterien unterliegen, werden mittel- und langfristig unabhängige Berichterstattung und investigativen Journalismus noch weiter in den Hintergrund drängen. Die vielgepriesene „Informationsgesellschaft“, so deutet es sich an, wird Menschen zunehmend mit werbedurchtränktem und wissensentleertem Entertainment versorgen, mit Informationsmüll statt Wissen.

Kulturelle Vereinheitlichung

Mit dem zunehmenden Einsatz der neuen Medien und den Megafusionen geht eine kulturelle Vereinheitlichung einher, die sich besonders gut an Sprachen festmachen lässt. Die Anzahl der weltweit vorhandenen Sprachen schrumpft zwar schon sei der Kolonialära, doch mit der weltweiten Verbreitung der Informationstechnik und Fernsehsendern wie CNN ist ihr weiterer Rückgang vorprogrammiert, meint die Bonner Entwicklungsorganisation WEED. Wer beispielsweise am weltweiten Austausch via Internet teilhaben will, der kommt an der englischen Sprache nicht vorbei.

Die Milliardenbeträge der werbetreibenden Industrie sind ein wesentlicher Motor hinter dem Strukturwandel des Mediensektors. Die Investitionen in Werbung wuchsen weltweit schneller als das Sozialprodukt und die Kaufkraft. Große, international operierende Konzerne werben vor allem im kommerziellen Privatfernsehen. Dort stellen sie auch Ansprüche an das Werbeumfeld und beeinflussen so die Medieninhalte. Die Konkurrenz um diese Werbemilliarden, 1999 allein mehr als 312 Milliarden US-Dollar, bestimmt die Zukunft der einzelnen Mediengattungen. Ein Abwärtstrend ist vor allem in den Print-Medien zu verzeichnen, deren Werbeaufkommen zu Gunsten des Fernsehens und zunehmend auch des Internets sinken.

38 Prozent der Werbeausgaben werden allein in Nordamerika getätigt, in Afrika sind es lediglich zwei Prozent. Nicht nur die Verteilung der Werbemilliarden macht die wachsende Kluft zwischen der ersten und dritten Welt deutlich. Auch der Zugang zu den neuen Technologien ist ungleich verteilt: Während in Deutschland Ende 1998 insgesamt 7,3 Millionen Nutzer über einen Anschluss ins Internet verfügten, standen in Kamerun gerade einmal 1000 Internet-Terminals zur Verfügung.

Technisches Know-how, Kenntnisse der englischen Sprache und die entsprechenden finanziellen Mittel sind Voraussetzung, um an der „Informationsgesellschaft“ – ungeachtet ihrer Qualität – teilhaben zu können. Sowohl auf globaler Ebene als auch auf innergesellschaftlicher werden deshalb neue Gräben zwischen den „Information rich“ und „Information poor“ entstehen.

„Infoethics“

Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, erachten es z.B. Hans Kleinsteuber und Barbara Thomaß für unerlässlich, „jenseits von Technik und Wirtschaft ethische Fragestellungen bei Produktion, Verteilung, Bewahrung und Gebrauch von Informationen zu berücksichtigen“. Die UNESCO hat mittlerweile sog. „Infoethics“ entwickelt, die ein Grundrecht auf Information formulieren. „Wissen ist ein öffentliches Gut, das der Öffentlichkeit auch zugänglich gemacht werden muss“, heißt es in der Stellungnahme des zweiten UNESCO-Infoethik-Kongress von 1998.

Das Durchsetzungsvermögen der Stellungnahme darf angesichts des machtvollen Sanktionsapparats der WTO, der ausschließlich wirtschaftliche Kriterien zugrunde legt, angezweifelt werden. Ähnliches gilt für die Staaten Schweden, Neuseeland, Kanada, Mexiko, Frankreich, Südafrika, Indien u.a., deren Regierungen in den 90er Jahren regulierend in den Mediensektor eingegriffen haben: Die Maßnahmen reichen von Einschränkungen bei Firmenbeteiligungen und Lizenzvergaben, Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Medien und Non-Profit-Projekten, bessere Regelungen zur Mitbestimmung der Beschäftigten, Abgaben auf Werbeeinnahmen, etc. All dies schränkt den Aktionsradius der Medienkonzerne ein und dürfte spätestens in der nächsten Verhandlungsrunde der WTO zur Disposition stehen.

„Das globale Mediensystem benötigt eine globale und demokratische Antwort, nicht nur eine Reihe von nationalen und lokalen Gegnern. [..] Globale Medien sind keine schlechte Sache an sich, sondern nur insofern, [..] dass sie die Interessen einiger Wohlhabender, nicht aber die der Vielen bedienen“, schlussfolgert Robert W. McChesney, Professor am Institut für Kommunikationsforschung der Universität Illinois, USA.


  • Gerhard Klas ist freier Journalist in Köln
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