Britische Gewerkschaft NUJ ruft zum Widerstand auf
Die britische Medienbranche steckt in der Krise. Bei Rundfunk, Fernsehen, Lokal- und Regionalzeitungen sowie den nationalen Titeln stehen Massenentlassungen an. Die Mediengewerkschaft NUJ lud deshalb am 24. Januar zu einer Diskussionsrunde in London ein. Mehr als 150 Vertrauensleute und Aktivisten aus Großbritannien und der Republik Irland kamen.
Britische Medienkonzerne verzeichnen nach wie vor Rekordgewinne. 2008 machte die Trinity Mirror Gruppe 19% Profit, Johnston Press 29%. Wie die NUJ in einem Dossier feststellt, können andere Konzerne von solchen Raten nur träumen. Doch die Wirtschaftskrise wirft auch hier ihre Schatten voraus. Die Presse ist von Werbekunden abhängig, und laut Financial Times hat die große Mehrheit britischer Konzerne Kürzungen für den Werbeetat im Jahr 2009 vorgesehen. Nur 7 von 300 Konzernen wollen 2009 ihren Werbeetat erhöhen, bei Fernseh- und Zeitungswerbung wird ein Drittel Rückgang erwartet. Medien sind nach wie vor profitträchtig, die Profitrate sinkt aber. Die Großaktionäre und Medienbesitzer wollen diesen Rückgang durch Qualitätsverlust und auf Kosten der Beschäftigten abwehren. Rekordprofiteur Trinity Mirror hat bereits im vergangenen Jahr 1.200 Stellen abgebaut. Weitere sollen folgen.
NUJ Vizegeneralsekretärin Michelle Stanistreet erklärte in ihrer Rede, sie habe den Überblick über die Anzahl von angedrohten Stellenstreichungen und darauf folgende Urabstimmungen von Belegschaften verloren. Die Wut wächst und dies war in der Veranstaltung deutlich zu spüren. Alle Anwesenden erklärten das kapitalistische Eigentumsmodell in der Medienwelt für gescheitert. In einer einstimmig beschlossenen und auch vom Gewerkschaftsvorstand getragenen Resolution ruft die NUJ zu einer öffentlichen Debatte über die Eigentumsfrage in der Medienwelt und alternative Modelle auf. Der Investigativjournalist Nick Davies, Autor des medienkritischen Buches „Flat Earth News“ und Hauptredner in London, erklärte „Die Medienkonzerne können die Krise der Medienbranche nicht lösen. Das Problem ist ein finanzielles, die Lösung aber politisch.“ Davies plädierte dafür, über Möglichkeiten staatlicher Finanzierung für die Medien nachzudenken.
Viele Vertrauensleute machten während der offenen Aussprache deutlich, der Öffentlichkeit müsse der Unterschied zwischen den Interessen der lohnabhängigen Journalisten und den nur nach Profit strebenden Besitzern erklärt werden. Kürzungen führen dazu, dass über Vorgänge kommunaler Politik oder Kampagnen von Bürgerinitiativen nicht mehr berichtet werden kann, so zahlreiche Redner.
Die Kürzungswelle führt bereits jetzt zu Kämpfen. Beschäftigte der Financial Times konnten bereits erfolgreich die Schließung der internen Recherchebücherei verhindern. Gegen den geplanten Abbau von 80 Stellen gab es eine Massenversammlung von 220 Beschäftigten in der Kantine mit dem „linken Urgestein britischer Politik“ Tony Benn. In der Region Yorkshire will die Johnston Press Gruppe Entlassungen bei zwei Lokalzeitungen durchsetzen. Die Belegschaften reagierten mit einer Erklärung, dass jede Entlassungsdrohung mit einer Urabstimmung für Streiks beantwortet werde. In der mittelalterlichen Touristenstadt York haben Journalisten den Besitzern das Misstrauen ausgesprochen. Die dortige Lokalzeitung gehört der US amerikanischen Newsquest Gruppe. Obwohl die Yorker Journalisten 2007 einen Profit von 4.3 Millionen Pfund für Newsquest erwirtschafteten, gibt es auch hier drastischen Stellenabbau und Kürzungen.
Die Kampfbereitschaft und Wut der Belegschaften spiegelt sich in der in London verabschiedeten Resolution wider. Die NUJ wird nun eine landesweite Kampagne gegen Stellenstreichungen starten. Einige Vertrauensleute erklärten, dabei wenn nötig auch gegen britische Antigewerkschaftsgesetze verstoßen zu wollen. Diese Gesetze zwingen Gewerkschaften zur Durchführung einer Urabstimmung per Post. Weiterhin sind Friedensperioden vorgeschrieben. Dies gibt Unternehmen die Möglichkeit, Entlassungen durchzusetzen, bevor eine Gewerkschaft legal in Aktion treten kann. NUJ Generalsekretär Jeremy Dear erklärte, „ich werde keine Belegschaft verurteilen, die sich gezwungen sieht im Kampf gegen Stellenstreichungen zu illegalen Mitteln zu greifen. Und ich werde dafür kämpfen, dass der Vorstand diese Meinung mit mir teilt.“ Ein Höhepunkt der Kampagne soll ein landesweiter Aktionstag im Frühling sein mit Streiks, Demonstrationen und Protestveranstaltungen. Andere Gewerkschaften in der Medienbranche sind eingeladen, sich zu beteiligen. Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir sind der Auffassung, dass die geplanten Kürzungen Teil einer Globalen Krise sind, die alle Branchen betrifft. Arbeitende Menschen sollen den Preis für diese Krise zahlen. Deshalb rufen wir unsere Vertreter in den Gewerkschaftsdachverbänden dazu auf, für eine Großdemonstration gegen Arbeitsplatzabbau einzutreten“.
Bis dahin wird die NUJ täglich auf die Missstände in der Medienbranche aufmerksam machen. Nick Davies rief auf der Veranstaltung zum „whistleblowing“ auf. Journalisten müssten die Öffentlichkeit über den realen Zustand der Branche informieren. Die Gewerkschaft reagierte schnell. Mit einer E-Mail kann jeder Journalist über seine Erfahrungen mit Stellenabbau und Ressourcenkürzungen berichten. Diese werden dann auf www.nuj.org.uk/ anonymisiert veröffentlicht.