Russland: Medien und die Fußball-WM

Fernsehjournalistin Olga Petrowa
Foto: Reporter ohne Grenzen

Zwei Wochen vor dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland beklagt die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG)  zunehmend schwierigere Arbeitsbedingungen für die Medien. Es herrsche ein „Klima der generellen Angst“, Journalist_innen und potentielle Informant_innen würden vor dem großen Sportereignis gezielt eingeschüchtert. Aufgrund der propagandistischen Bedeutung der WM für das Außenbild Russlands seien massive Repressalien für ausländische Reporter_innen allerdings zunächst nicht zu erwarten.

„Die Spielräume für kritische Berichterstattung werden enger“, sagte Ulrike Gruska, Russland- und Osteuropa-Spezialistin bei Reporter ohne Grenzen, gestern im Rahmen eines Pressegesprächs in Berlin. Seit den Massenprotesten 2012 seien zahlreiche Gesetze in Kraft getreten, die die Arbeit von Journalist_innen einschränkten. So gebe es seit 2016 eine umfassende Vorratsdatenspeicherung. Nach der Kontrolle der meisten Rundfunkmedien stehe jetzt verstärkt das Internet im Fokus der Sicherheitsbehörden. Der Geheimdienst verlange Zugriff auch auf verschlüsselte Nachrichten. Seit 2017 sei die Nutzung von VPNs und Anonymisierungsdiensten, mit denen die Internetzensur umgangen werden könne, stark eingeschränkt worden. Medien, die im Ausland registriert oder von dort finanziert werden, müssten sich beim russischen Justizministerium neuerdings als „ausländische Agenten“ registrieren.

Anders als noch bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi gebe es momentan keine Anzeichen für ein liberaleres Meinungsklima, konstatiert die Fernsehjournalistin Olga Petrowa. Sie arbeitete zwanzig Jahre lang für Reuters, zuletzt als TV-Chefin für Russland/GUS. In Sotschi und auch beim Confederations Cup 2017 habe der Staat eine Handvoll Dissidenten freigelassen. „Einige Menschenrechtsaktivisten hoffen, dass dies im Umfeld der Fußball-WM wieder passiert“, sagte Petrowa, „aber derzeit sieht es nicht danach aus“.

Für ausländische Reporter_innen gebe es durchaus die Chance, über das sportliche Geschehen hinaus Informationen über die Lage im Land zu liefern. Wer im Besitz eines Arbeitsvisums für die WM sei, habe das Recht, an alle Spielorte und Mannschaftsquartiere zu reisen und von dort zu berichten. Das gelte folglich selbst für Tschetscheniens Hauptstadt Grosny, wo das Nationalteam Ägyptens während der WM wohne. Allerdings dürfte es „schwierig sein, Personen zu finden, die mutig genug sind, über die Menschenrechtssituation vor Ort zu reden“, befürchtet die Fernsehjournalistin.

Ein wichtiges Thema für die Berichterstattung könnten auch die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen sein. Human Rights Watch habe schon im Sommer 2017 einen Bericht veröffentlicht, der ein sehr kritisches Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen der größtenteils ausländischen Bauarbeiter werfe. Die Hauptkritikpunkte darin bezogen sich auf die schlechte Bezahlung, unzureichenden Arbeitsschutz, die oft miserablen Wohnkonditionen und die Verletzung von Arbeitsrechten.

Laut ROG-Referentin Ulrike Gruska hat es vor der WM „massive Einschüchterungsversuche“ der Sicherheitsbehörden gegenüber potentiellen Informant_innen ausländischer Reporter_innen gegeben. Das gelte sowohl für Vertreter_innen gewaltbereiter Fan-Gruppierungen als auch für Aktivist_innen aus der Umweltszene oder der LGBT-Bewegung. Dies werde möglicherweise dazu führen, dass viele Menschen sich nur ungern kritisch gegenüber ausländischen Medien äußern. Erst recht, wenn diesen Medien das Label „ausländischer Agent“ aufgeklebt werde. Entscheidend sei, was nach der WM passiere. Die Erfahrung bei anderen hochkarätigen Sportereignissen zeige, dass oftmals erst dann zu  Repressalien gegriffen werde, „wenn die internationalen Berichterstatter abgereist sind“. Dann „kräht kein Hahn mehr“ danach.

Spektakuläre Fälle wie die des ARD-Reporters Hajo Seppelt, dem zunächst ein Arbeitsvisum von den russischen Behörden verweigert wurde, haben sich bislang nicht wiederholt. Gruska weiß aber von „ein, zwei freien Kollegen, die große Schwierigkeiten haben, ein Visum zu bekommen“. Gerade Freiberufler_innen, hinter denen keine große Redaktion stehe, würden gelegentlich Steine in den Weg gelegt. Im Fall von ARD-Doping-Experte Seppelt vermutet Olga Petrowa sogar persönliche Rachegelüste von Präsident Putin als Motiv: „Die Olympischen Spiele von Sotschi waren sein Baby, seine Herzensangelegenheit – und Seppelt hat damals die ganze Party verdorben.“

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