Streit um das Tschechische Fernsehen beigelegt

Wahl des Übergangs-Intendanten Balvin deutet jedoch erneut auf politische Absprachen hin

Der Kampf der Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (CT) hat sich ausgezahlt: Nach einer fast sechswöchigen Auseinandersetzung sind nun alle ihre Forderungen erfüllt. Am 10. Februar um zwölf Uhr mittags beendeten sie ihren Streik. Einen Tag zuvor hatte das Parlament den 47-jährigen Jiri Balvin zum Übergangsintendanten gewählt.

Der neue Senderchef sicherte den Streikenden zu, alle Kündigungen, die sein umstrittener Vorgänger Jiri Hodac kurz vor Weihnachten ausgesprochen hatte, wieder zurückzunehmen. Niemand, der am Streik beteiligt war, soll dafür rechtliche Konsequenzen tragen, betonte er. Vor allem berief Balvin die Senderleitung ab, die Hodac eingesetzt hatte. Hodac selbst war bereits im Januar unter dem immer stärker werdenden Druck zurückgetreten.

Balvin kennt sich im Fernsehgeschäft gut aus. 25 Jahre war er in dem Sender beschäftigt. Nach seinem Studium an der Prager Film- und Fernsehakademie war er beim damaligen Tschechoslowakischen Staatsfernsehen als freier Mitarbeiter für Musiksendungen tätig. Nach der politischen Wende war er ab 1992 als Chefproduzent für Filme, Fernsehspiele und andere künstlerischere Beiträge verantwortlich. Weil seine Mitarbeiter den Ressorthaushalt überschritten haben sollen, wurde er 1997 vom damaligen Intendanten Ivo Mathe abberufen. Nach Darstellung Balvins selbst war dies nur ein vorgeschobener Grund. In Wirklichkeit habe es sich um persönliche Differenzen zwischen ihm und Mathe gehandelt, der heute Kanzler von Präsident Vaclav Havel ist. Ein Jahr später bewarb sich Balvin schon einmal um den Posten des Senderchefs, wurde damals jedoch nicht gewählt.

Kompromiss-Kandidat

Über Balvins jetzige Wahl hält sich bei den Sendermitarbeitern die Begeisterung allerdings in Grenzen. „Es hätte schlimmer ausfallen können“, sagte der Sprecher der Fernsehrebellen, Adam Komers (im Foto oben rechts beim Entfernen der „Streik“-Schilder zu sehen). Dennoch traue man ihm als „Fernsehprofi“ zu, die Wogen im Sender zu glätten. Komers störte jedoch, dass es vor Balvins Wahl erneut Absprachen unter den Parteien gegeben hat. Davon zeugt der überraschend schnelle Wahlverlauf: Auf Anhieb erhielt Balvin bereits im ersten Wahlgang 102 von 192 Stimmen und somit die nötige Mehrheit. Der neue Intendant gilt als ein Kompromiss-Kandidat, der sowohl für die regierenden Sozialdemokraten als auch die bürgerliche ODS, die das Minderheitskabinett durch einen sogenannten Oppositionsvertrag stützt, annehmbar war. Ganz offensichtlich ist es den Parlamentariern vor allem um eine schnelle Lösung des Konflikts gegangen. Die schnelle Wahl deute allerdings darauf hin, „dass sie voll und ganz unter der Kontrolle der Sozialdemokraten und der ODS war“, kommentierte die tschechische Tageszeitung „Mlada Fronta Dnes“.

Alles auf eine Karte gesetzt

Gerade der Vorwurf der versuchten Einflussnahme auf den Sender durch die beiden großen politischen Parteien hatte die Krise im Dezember vergangenen Jahres ins Rollen gebracht. Auslöser war die Wahl von Hodac zum Intendanten. Ihm wurde eine zu große Nähe zur ODS vorgeworfen. Die Nachrichtenredaktion verweigerte ihm geschlossen die Gefolgschaft. Es begann ein harter Kampf zwischen Hodac und dessen neuer Senderleitung auf der einen und den Fernsehjournalisten, denen sich fast die gesamte Mitarbeiterschaft des Senders anschloss, auf der anderen Seite. Die rebellierenden Redakteure setzten alles auf eine Karte: ihren Beruf, ihre Karriere und ihr verhältnismäßig gutes Gehalt. Sie hielten durch und sendeten dabei weiter, auch als sie tagelang in ihrem Newsroom eingeschlossen waren und ihre Sendungen über Anten-ne abgeschaltet wurden. Rund 100.000 Menschen brachten bei Demonstrationen ihre Solidarität mit den Fernsehrebellen zum Ausdruck.

Die rebellierenden Fernsehjournalisten haben viel bewegt: Das Parlament musste den alten Fernsehrat abberufen und ein neues Mediengesetz verabschieden, das künftig eine größere Unabhängigkeit des Senders garantieren soll. Die Fernsehrats-Mitglieder werden danach nicht mehr von den politischen Parteien nominiert, sondern von gesellschaftlich relevanten Gruppen. Ob das neue Fernsehgesetz in der Tat besser als das alte ist, muss jedoch erst die Praxis zeigen. Die Tageszeitung „Mlada Fronta Dnes“ ist der Ansicht, dass mit dem neuen Gesetz den Politikern das Fernsehen „wie nie zuvor in die Hände gespielt“ wird. So behält sich das Parlament vor, künftig den Sender-Kodex abzusegnen.

Mit der Einsetzung des Übergangsintendanten scheint der Streit um den öffentlich-rechtlichen Sender zwar beigelegt. Zu Ende ist der Fernsehkrieg jedoch längst noch nicht. Jetzt beginnt erst die zweite Runde, in der Balvin eine bessere oder schlechtere Rolle spielen kann. Seine Aufgabe ist nicht leicht: Er muss den Sender aus der Krise führen. Die Abgeordneten beauftragten ihn zudem, einen ausgeglichenen Haushalt für 2001 vorzulegen und innerhalb von 90 Tagen eine grundlegende Wirtschaftsprüfung im Sender vornehmen zu lassen. Seine Amtszeit läuft aus, sobald ein neuer Fernsehrat gewählt ist. Dieser wird dann einen Intendanten für sechs Jahre berufen.


 

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