Südafrika: Rundfunk droht Entlassungswelle

Screenshot: http://www.sabc.co.za/sabc/

Die Nachricht kam nicht gänzlich unerwartet, war in ihrer Deutlichkeit dennoch überraschend: Südafrikas staatlicher Rundfunk South African Broadcasting Corporation (SABC) ist nach wirtschaftlichen Kriterien pleite. Das erklärte der Vorstandsvorsitzende Madoda Mxakwe jetzt auf einer Pressekonferenz am Sitz des Senders in Johannesburg. Nach jahrelanger Misswirtschaft der ehemaligen Führung sollen nun die Beschäftigten die Zeche zahlen. Mehr als 2.000 Arbeitsplätze sind bedroht.

„Wir sind technisch insolvent und als Organisation nicht in der Lage, unsere finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen“, stellte Mxakwe die brisante Lage des Senders am 31. Oktober dar. Der neue Geschäftsführer ist erst seit Juli beim staatlichen Rundfunk. Die immense Verschuldung konnte er seitdem zwar eindämmen, profitabel ist die Anstalt aber immer noch nicht – doch genau das müsste beim Sender gesichert sein. Die SABC gehört zwar dem südafrikanischen Staat, soll sich aber selbst tragen. 81 Prozent ihrer Einnahmen kommen aus der Ausstrahlung von Werbung, nur 14 Prozent aus Rundfunkgebühren. Insbesondere die Werbeerlöse sind aber stark zurückgegangen.

Begründet wird das heute vor allem mit der Programmgestaltung durch den Ex-Geschäftsführer Hlaudi Motsoeneng. Der hatte zunächst den hauseigenen Radiosendern auferlegt, zu 90 Prozent Musik aus Südafrika zu spielen, dadurch aber Hörer vergrault und in der Folge die Werbeeinnahmen in den Keller getrieben. Dies sollte jedoch bei weitem nicht das einzige Vergehen Motsoenengs bleiben. Der Vertraute des korrupten Ex-Präsidenten Jacob Zuma genehmigte sich selbst eine mehr als 50-prozentige Gehaltserhöhung und seinen Loyalisten fette Boni, während die Finanzlage des Senders immer prekärer wurde. Zudem half er durch das Abzweigen von SABC-Mitteln beim Aufbau des Privatsenders ANN7 mit, der im Besitz von Geschäftspartnern der Präsidentenfamilie war. Und „zu guter Letzt“ griff Motsoeneng auch noch kräftig in die inhaltliche Gestaltung des redaktionellen Programms ein. Als in den Armensiedlungen des Landes gewaltsame Proteste zunahmen, weil es an Wohnungen, Wasserleitungen, Strom, Schulen und überhaupt jeglicher staatlicher Infrastruktur fehlte, befahl der Geschäftsführer, davon keine Bilder mehr zu senden. Journalist_innen, die seine Machenschaften offenlegen wollten oder gegen die Einschränkung der Pressefreiheit protestierten, wurden suspendiert und in einigen Fällen sogar bedroht.

Arbeitsplätze abbauen als einzige Kurskorrektur?

Der Scherbenhaufen, den Motsoeneng bei seiner Demission hinterließ, ist gigantisch. Der Ansehensverlust des Senders resultierte noch im abgelaufenen Finanzjahr aus einem Rückgang der Werbeeinnahmen von 7,5 auf 6,8 Millionen südafrikanische Rand, also einer Lücke von 700 Millionen Rand (43 Millionen Euro). „Wir spüren die Auswirkungen der Entscheidungen von vor zwei Jahren“, erklärte Finanzvorstandsfrau Yolande van Biljon dazu auf der Pressekonferenz. Aufgrund der leeren Kassen sei es aber auch nicht möglich, ausreichend Marketing zu betreiben, um vor allem für die Radiostationen wieder Hörer_innen zu gewinnen. „Wir sind in einem Teufelskreis gefangen, aus dem wir nur schwer herauskommen“, resümierte van Biljon.

Beheben will das neue Management die Fehler des alten nun auf dem Rücken der Belegschaft – mit Massenentlassungen. 981 der 3.377 Festangestellten sollen gekündigt, die Hälfte der 2.400 freien Mitarbeiter_innen ebenfalls nicht länger beschäftigt werden. Gespräche mit Gewerkschaften und der staatlichen Schlichtungsstelle, die für die Entlassungen nach südafrikanischem Arbeitsrecht verpflichtend sind, hat der Sender bereits anberaumt.

Rettend eingreifen könnte jetzt nur noch die Regierung. Kommunikationsministerin Nomvula Mokonyane erklärte am Donnerstag zumindest, dass Entlassungen nicht die einzige Lösung sein könnten, um den Sender wieder auf Kurs zu bringen. Das gesamte Geschäfts- und Finanzierungsmodell des staatlichen Rundfunks gehöre auf den Prüfstand, erklärte sie in einer Fragestunde vor dem National Council of Provinces, der dem deutschen Bundesrat ähnelt. Sie schlug dazu die Bildung einer gemeinsamen Kommission aus Vertretern von SABC, Finanzministerium und ihrem eigenen Ressort vor.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Meilenstein im Kampf gegen SLAPPs

Die Coalition Against SLAPPs in Europe (CASE) hat die Empfehlung des Europarats zur Bekämpfung von SLAPPs begrüßt. In einer Erklärung vom 5. April nennt sie die Empfehlung einen wichtigen Schritt zum Schutz der Pressefreiheit. Obwohl es immer noch Raum für Verbesserungen gebe, werde Journalist*innen ein sichereres Umfeld, frei von Angst und Einschüchterung garantiert. Der Europarat hatte der Empfehlung am 19. März zugestimmt, das Europaparlament bereits Ende Februar.
mehr »