Der türkische Journalist und Vertreter der Organisation Reporter ohne Grenzen in der Türkei, Erol Önderoğlu, ist heute in Istanbul vom Vorwurf der „Terrorpropaganda“ freigesprochen worden. Im Falle einer Verurteilung drohten dem Reporter bis zu 14 Jahre Haft. Im selben Verfahren gab es auch für die Menschenrechtlerin Şebnem Korur Fincancı und den Autor Ahmet Nesin einen Freispruch.
ver.di begrüßt das Urteil. Es stärke die Pressefreiheit. „Wir freuen uns für Erol Önderoglu und seine Mitangeklagten. ver.di fordert die türkische Regierung dazu auf, ihre Schlüsse aus diesem Urteil zu ziehen und die rund 100 Medienschaffenden, die in der Türkei immer noch inhaftiert sind, sofort freizulassen“, sagte Cornelia Berger, Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di.
Im Juni 2016 hatte die türkische Justiz einen Haftbefehl gegen Önderoğlu, Fincancı und Nesin erlassen. Die Aktivisten saßen zwischenzeitlich in Untersuchungshaft, kamen nach internationalen Protesten aber frei. Der Prozess hatte im November 2016 begonnen.
Die Staatsanwaltschaft hatte Önderoglu und seinen Mitangeklagten die Teilnahme an einer Solidaritätsaktion für die pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem „Propaganda für eine terroristische Organisation“ vorgeworfen. Am 15. April hatte Önderoglu seine Verteidigungsrede gehalten, in der er die Willkür der türkischen Justiz sowie die systematische Einschüchterung von Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern sowie Journalistinnen und Journalisten anprangerte.
Önderoglu wird jedoch am 7. November in einem weiteren Verfahren wegen vermeintlicher Terrorpropaganda erneut vor Gericht stehen. Hintergrund ist seine Unterstützung einer Kampagne, die das Vorgehen der türkischen Behörden gegen die Initiative „Academics for Peace“ kritisiert. Darin hatten Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Januar 2016 einen Appell gegen das militärische Vorgehen der türkischen Regierung im Südosten der Türkei unterzeichnet.
Zahlreiche Prozesse wegen Terrorpropaganda-Vorwürfen
In der Türkei stehen jede Woche Medienschaffende und Bürger*innen vor Gericht, die über die Erdogan-Politik kritisch berichten bzw. ihre Stimme gegen Willkür und Ungerechtigkeit erheben. Darunter sind die Verfahren gegen den Journalisten Deniz Yücel sowie den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner. Sie müssten „sofort eingestellt werden“, fordert dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Berger.
Der Prozess gegen Yücel wurde gestern (am 16.Juli) auf den 17. Oktober vertagt wegen angeblich fehlender Dokumente. Die Staatsanwaltschaft hat für Yücel 17 Jahre Haft wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Volksverhetzung“ gefordert. Der Journalist ist seit seiner Rückkehr nach Deutschland nach einjähriger Haft im Februar 2018 nicht in die Türkei zurückgekehrt. Am 28. Juni urteilte das türkische Verfassungsgericht, dass diese Untersuchungshaft rechtswidrig war und beanstandete, dass sowohl im Hafturteil als auch in der Anklageschrift zahlreiche Aussagen in Yücels Artikeln für die Zeitung „Die Welt“ fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden seien.
Auch der Prozess gegen den Deutschen Peter Steudtner, der 2017 mehr als 100 Tage in der Türkei in Untersuchungshaft saß, sowie zehn weitere Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler wurde auf Oktober vertagt.
Halbes Dutzend verfahren gegen Can Dündar
Am 18. Juli gibt es einen weiteren Prozesstermin gegen den türkischen Journalisten Can Dündar wegen „Terrorpropaganda“ statt. Hintergrund ist auch hier die Solidaritätskampagne für Özgür Gündem, an der sich auch Dündar beteiligt hatte. Der frühere Chefredakteur der einst unabhängigen Zeitung „Cumhuriyet“ lebt seit 2016 im Exil in Deutschland. In einem anderen Verfahren wurde er wegen Geheimnisverrats zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt.
Insgesamt laufen gegen Dündar noch rund ein halbes Dutzend Verfahren, darunter eins wegen vermeintlicher Aufstachelung zu den Gezi-Protesten von 2013. In diesem Prozess sind neben Dündar 15 weitere Personen angeklagt, darunter der bekannte Menschenrechtler Osman Kavala, der seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Auch in diesem Prozess ist für den 18. Juli ein Termin angesetzt.
Anfang Juli hatte das oberste Berufungsgericht die lebenslangen Haftstrafen gegen die Medienschaffenden Ahmet Altan und Nazli Ilicak aufgehoben, Freilassungen aber abgelehnt.
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