Türkei: Prozess gegen Tolu erneut vertagt

Foto: Freundeskreis Freiheit für Mesale Tolu

Der Prozess gegen die deutsche Journalistin und Autorin Mesale Tolu wegen Terrorvorwürfen in der Türkei ist erneut vertagt worden. Es soll am 14. Juli fortgesetzt werden. Damit zieht sich das Verfahren weiter in die Länge. Ebenfalls angeklagt ist Tolus Ehemann Suat Corlu. Die aus Ulm stammende Journalistin Mesale Tolu durfte 2018 nach monatelanger U-Haft aus der Türkei ausreisen. Ihr Mann folgte einige Monate später.

Im Prozess gegen Mesale Tolu und weitere Angeklagte war heute das Plädoyer der Staatsanwaltschaft mit einem Vorschlag für das Strafmaß erwartet worden. Stattdessen hieß es nun, dass Anträge der Verteidigung nicht bearbeitet werden konnten. Sie lagen jedoch seit dem letzten Termin im Oktober vor. Der Prozess dauerte nur etwa 15 Minuten, berichteten Prozessbeobachter*innen, unter ihnen die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp, Vertreter des deutschen Generalkonsulats und von Reporter ohne Grenzen Deutschland.

Das Ehepaar war für die Verhandlung nicht nach Istanbul gereist. „Wir sehen darin keinen Wert mehr. Die Verhandlungen werden sowieso ständig vertagt“, hatte Tolu zuvor gegenüber dpa gesagt. Das sei ein „Spielchen“, das das Gericht mit den Angeklagten spiele.

16 Jahre Haft für Deniz Yücel beantragt

Im Prozess gegen den „Welt“-Reporter Deniz Yücel hatte der Staatsanwalt am 13. Februar bis zu 16 Jahre Haft gefordert, teilte Yücels Anwalt Veysel Ok mit. Der Staatsanwalt forderte in seinem schriftlich eingereichten Plädoyer Strafen wegen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK sowie Volksverhetzung. Yücels Anwalt bezeichnete das als rechtswidrig. Nun soll das Verfahren am 2. April fortgesetzt werden. Auch Yücel war bei dem Prozess in Istanbul nicht dabei. Er war nach einem Jahr Haft im Mai 2019 freigekommen und konnte nach Deutschland ausreisen.

Einem Urteil des türkischen Verfassungsgerichts zufolge sei der Inhalt von Yücels Artikeln von der Pressefreiheit gedeckt gewesen. Damit erklärte das Verfassungsgericht die einjährige Untersuchungshaft des „Welt“-Reporters Yücel für rechtswidrig. Dennoch geht das derzeitige Verfahren gegen Yücel weiter.

Osman Kavala trotz Freispruch weiter in Haft

Der prominente türkische Kulturmäzen Osman Kavala war am 18. Februar gemeinsam mit acht weiteren Bürgerrechtsaktivisten überraschend freigesprochen worden. Den Angeklagten war wegen der Gezi-Proteste von 2013 ein „Umsturzversuch“ vorgeworfen worden. Insgesamt waren in dem Verfahren 16 Bürgerrechtsaktivisten angeklagt. Sieben von ihnen, unter ihnen der in Deutschland im Exil lebende Journalist Can Dündar, waren vor der türkischen Justiz geflüchtet. Ihr Verfahren wurde abgetrennt. Die Erleichterung über die Freilassung währte nur kurz. Nur wenige Stunden später erging ein neuer Haftbefehl. Kavala, der seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzt, muss weiter in Haft bleiben. Neue Vorwürfe und Ermittlungen würden im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stehen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Verhandlungen sind keine Selbstbedienung

Leider funktionieren Tarifverhandlungen nicht nach dem Supermarktprinzip, man kann nicht einfach ins Regal greifen und sich herausholen, was man sich wünscht. Am ehesten stimmt der hinkende Vergleich noch, wenn es ans Zahlen geht: Umsonst bekommt man nämlich auch bei Tarifverhandlungen nichts. Was auf der anderen Seite allerdings auch bedeutet: Hängt man sich richtig rein, dann lohnt sich das meistens.
mehr »

Tarifeinigung bei Tageszeitungen 

In der zehnten Verhandlungsrunde haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) in Hamburg auf einen neuen Tarifvertrag für Redakteur*innen bei Tageszeitungen geeinigt. Der Tarifeinigung waren bundesweit in 36 Verlagen und Redaktionen Streiks vorausgegangen, die zuletzt bis zu sechs Tage angedauert haben.
mehr »

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Drei Fragen zum Streik der SZ

In den beiden Wochen vor der zehnten Tarifrunde mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) am 18. Juli erhöht die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit den Redakteur*innen in den Zeitungsredaktionen bundesweit den Streikdruck. Besonders im Süden der Republik kommt es zu mehrtägigen, spürbaren Streiks. Auch bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) wird seit gestern wieder gestreikt. Wir sprachen mit Ertunç Eren, ver.di-Fachsekretär Medien, Bezirk im München.
mehr »