Türkischer Journalist in Berlin angegriffen

Erk Acarer bei der ver.di-Veranstaltung "Journalismus ist kein Verbrechen" am 9. Mai 2017 in Berlin Foto: Christian von Polentz

Der im Exil lebende türkische Journalist Erk Acarer ist am 7. Juli an seinem Wohnort in Berlin-Neukölln von mehreren Männern angegriffen worden. Nach Angaben der Polizei wurde er am Kopf verletzt und musste im Krankenhaus medizinisch versorgt werden. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di verurteilt den gewalttätigen Angriff auf den Kritiker der türkischen Regierung. Der 48jährige Journalist lebt seit April 2017 in Berlin.

„Wir sind entsetzt über diesen Angriff auf einen Journalisten, der in der Türkei nicht mehr leben und arbeiten konnte, weil es um die Pressefreiheit dort schlecht bestellt ist. Täter wie Hintermänner müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden“, forderte die Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, Monique Hofmann, und wünschte dem Verletzten baldige Genesung.

Immer wieder würden in Deutschland im Exil lebende Journalistinnen und Journalisten bespitzelt, bedroht und angegriffen. „Es ist für uns alle ein Warnsignal, wenn Journalist*innen, die in unserer Gesellschaft Schutz suchen, Angst um sich und ihre Familien haben müssen. Nur durch eine konsequente Strafverfolgung und Ermittlung der Motive und Hintergründe der Tat können wir verhindern, dass sich die Bedrohung von Medienschaffenden, vor der sie aus ihren Heimatländern geflohen sind, hier fortsetzt“, erklärte Hofmann.

Acarer twitterte ein Foto von sich und schrieb dazu auf Türkisch: „Ich bin in meinem Haus in Berlin mit Messer und Faust angegriffen worden.“ Er sei nicht in Lebensgefahr, habe einige Schwellungen am Kopf und sei im Krankenhaus. „Ich kenne die Täter. Ich werde niemals vor dem Faschismus kapitulieren“, schrieb Acarer. Er und seine Familie stünden unter Polizeischutz. Der Staatschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Acarer war zusammen mit anderen Journalisten in der Türkei angeklagt worden. Ihnen wird die Veröffentlichung von geheimen Informationen zur staatlichen Sicherheit und zu Geheimdienstaktivitäten vorgeworfen, berichtete Zeit Online.

Der Grünenbundestagsabgeordnete Cem Özdemir twitterte: „Es ist ungeheuerlich, dass Exilanten aus der Türkei hierzulande Angst haben müssen um ihre Sicherheit. (…) Bin auf die Reaktion der Bundesregierung gespannt.“ Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen schrieb: „Erdoğans Schergen greifen in Berlin einen Exil-Journalisten in seiner Wohnung mit Messern an. Wie lange will die Bundesregierung dem lebensgefährlichen Treiben des Erdoğan-Netzwerks noch zuschauen?“

Auch viele türkischstämmige Journalisten warfen Erdoğan vor, für den Angriff verantwortlich zu sein. Der ebenfalls im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar wertete den Angriff als „direkte Botschaft“ von Präsident Erdoğan. Dieser wolle damit deutlich machen, dass die Türkei „einen regimekritischen Journalisten sogar in Berlin angreifen“ könne.

 

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