Was darf ins Netz?

Europäischer Gerichtshof entscheidet über Veröffentlichungen auf Homepages

Der Europäische Gerichtshof (EG) soll entscheiden, ob es erlaubt ist, eine Kirchengemeinde im Internet zu präsentieren – oder ob es gegen die Datenschutzrichtlinie der EU verstößt. Das Urteil wird im Herbst erwartet.

Luxemburg Ende April: 10 Richter des Europäischen Gerichtshofes nehmen Platz. Vor ihnen stehen Vertreter der EU-Kommission, der Freihandelsorganisation EFTA und der Regierungen einiger EU-Länder. Alle sind sie gekommen, um sich über die Homepage der Schwedischen Gemeindehelferin Bodil Lindqvist zu äußern. Im Netz stellte sie 1998 ihre Gemeinde in SmŒland vor und nannte dabei den Namen des Pfarrers und 18 anderer Gemeindemitarbeiter. Die Homepage war ausschließlich eingerichtet, um die Konfirmanden über verschiedene Dinge zu informieren.

„Bodil schrieb zum Beispiel, dass die Kirchenwärterin von einer Leiter hinuntergefallen war und sich dabei den Fuß verletzt hat“, erklärt Bodils Anwalt Sture Larsson vor dem Gericht.

Auf Grund eines Gutachtens der Schwedischen Datenschutzbehörde hat das Amtsgericht im schwedischen Eksjö im Jahr 2000 Bodil zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie soll 400 Euro zahlen, da ihre Homepage gegen die Datenschutzrichtlinie der EU und das entsprechende Schwedische Gesetz „PUL“ verstößt. Die Veröffentlichung von personbezogenen Daten im Netz sei verboten, so das Gericht. Besonders ernst nimmt das Gericht die Informationen über den geschädigten Fuß der Kirchenwärterin. Allerdings hat weder sie oder jemand anders sich bei den Behörden beschwert. Stattdessen hat sich die Stockholmer Datenschutzbehörde stark gemacht, um einen Präsenzfall durchzusetzen.

„Der Schwedische Gesetzgeber hat die EU-Richtlinie viel zu weiträumig interpretiert“, erklärt Sture Larsson. Er behauptet dass Bodils Homepage privat sei und dass ihre Veröffentlichung keinerlei ökonomischen Zwecke hatte. Dann gilt weder die EU-Richtlinie noch „PUL“. Deswegen habe er bei Göta Hovrätt in Jönköping Berufung gegen das Urteil eingelegt. Aber die höhere Instanz hat die Entscheidung aus prinzipiellen Gründen dem Europäischen Gerichtshof überlassen. Es geht um EU-Recht, der Fall hat große Bedeutung für das, was EU-Bürger zukünftig im Netz veröffentlichen dürfen.

Nichtwirtschaftlicher Zweck

Unerwartet stellte sich die Freihandelsorganisation EFTA auf Bodils Seite. „Hier muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen nichtwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken“, meint die Vertreterin Dóra Sif Tunes. „Sonst könnte sogar die Homepage dieses Gerichtshofes in Konflikt mit der EU-Richtlinie kommen.“ „Aber Bodil Lindqvist benützt ja Dienstleistungen eines Internetanbieters um Ihre Seiten aufs Netz zu bringen“, erwidert die Vertreterin der Niederländischen Regierung. Damit gebe es, so die Niederländer, doch eine wirtschaftliche Grundlage. Die sozialdemokratische Schwedische Regierung macht mit der Niederländischen Front gegen die eigene Bürgerin. „Wenn personenbezogene Daten auf einer Homepage im Internet erscheinen, werden sie sofort zugänglich für alle, die einen Internetanschluss haben, abgesehen davon, wo sie sich in der Welt befinden“, behauptet der Stockholmer Regierungsvertreter Anders Kruse.

Die EU-Kommission sieht das jedoch etwas anders. Zwar steht der Inhalt auf Bodils Page im Gegensatz zur Datenschutzrichtlinie, aber gleichzeitig kann ihre Seite als journalistisch bezeichnet werden. Dann wären ihre personenbezogenen Daten im Netz erlaubt. Journalistische Tätigkeit ist nämlich von der EU-Richtlinie ausgenommen.“ Der Zweck ihrer Homepage war ja die Konfirmanden zu informieren“, sagt Lena Ström von der EU-Kommission. „Dann liegt doch Journalistik nahe.“

Dagegen wehrt sich Anders Kruse. Die Schweden meinen, dass es Bodils Homepage an journalistischer Qualität mangelt. Die Vertreterin der sozialdemokratischen Britischen Regierung, Jemima Straftod, sieht das umgekehrt. „Was in einem Land auf Papier gedruckt werden darf, darf auch im Netz veröffentlicht werden“, sagt Jemima Stratford.

Entscheidung im Herbst

Die Hauptperson selbst ist während der Verhandlung nicht präsent. Bodil Lindqvist hat vom Schwedischen Staat kein Geld bekommen um nach Luxemburg zu reisen. „Selber kann ich mir die Reise nicht leisten“, sagt sie. „Aber es freut mich, dass ich bei den Briten und sogar bei der EU-Kommission Unterstützung finde“.

Im Herbst soll die Entscheidung fallen. Laut Lena Ström bei der EU-Kommission wird sie eine große Bedeutung haben: „Mit dem Urteil werden wir erfahren, wo die Grenze ist zwischen Meinungsfreiheit im Netz und unerlaubte Veröffentlichungen von personbezogenen Daten.“


Links zum Thema: www.pul.nu

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