für „Belorusskaja Delovaja Gazeta“
Für die weißrussische Zeitung „Belorusskaja Delovaja Gazeta“ (BDG, dt. „weißrussische Geschäftszeitung“) hätte das neue Jahr nicht besser beginnen können. Unter der Überschrift „Hurraaaa!!!“ teilt das Blatt seinen Lesern mit, dass es zu den diesjährigen Gewinnern des Gerd-Bucerius-Preises für junge Presse in Osteuropa gehört. Damit ist die BDG nach dem „Brester Kurier“ die zweite weißrussische Zeitung, die mit dem mit 50.000 Mark dotierten Preis der Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gewürdigt wird.
Zwei Schecks in gleicher Höhe werden im Mai zudem an die Wochenblätter „Obschtschaja Gazeta“ (Russland) und „Serkalo Nedeli“ (Ukraine) übergeben. Die Zeitungen erhielten die Auszeichnungen in Anerkennung ihres mutigen Einsatzes für das freie Wort in ihren Ländern, so die Begründung.
Doch der Geldsegen, der der chronisch klammen BDG über einige Klippen helfen dürfte, ist nur ein Teil des Hamburger Preises. Noch wichtiger ist die moralische Unterstützung, gerade in einem Land, dessen autoritärer Staatspräsident Alexander Lukaschenko keine Möglichkeit ungenutzt lässt, gegen kritische Medien vorzugehen. Und wo nach dem jüngsten Vorstoß der Staatsmacht (s. Kasten) rund acht Monate vor den Präsidentschaftswahlen der unabhängigen Presse einmal mehr droht, mundtot gemacht zu werden.
Unter dem Namen „Birschi i Banki“ (Börsen und Banken) wurde die BDG 1992 als unabhängige Zeitung gegründet. Mit ihrer Umbenennung in „Belorusskaja Delovaja Gazeta“ zwei Jahre später kam die Erweiterung der Berichterstattung über reine Wirtschaftsthemen hinaus. Heute haben Nachrichten, Kommentare, detaillierte politische Analysen und Reportagen aus dem In- und Ausland genauso ihren festen Platz wie Berichte aus Kultur und Wirtschaft sowie über soziale Fragen.
Was es bedeutet, in Weißrussland unabhängigen Journalismus zu machen, bekamen die BDG und gleich gesinnte Medien 1996 zu spüren, als Lukaschenko mit einem fragwürdigen Referendum die demokratische Verfassung außer Kraft setzte. Ein Verbot, kritische Medien herzustellen, das der Staat über seine eigenen Druckereien verhängte, zwang die Zeitungsmacher dazu, das Blatt fortan im benachbarten Litauen drucken zu lassen. Als die Logistik zu funktionieren begann, weigerte sich der staatliche Zustelldienst, BDG an den Mann oder die Frau zu bringen.
Doch damit war der Einfallsreichtum Lukaschenkos noch keinesfalls erschöpft. Wiederholt standen Mitarbeiter der BDG wegen kritischer Berichterstattung vor Gericht. Gern kommt auch immer mal wieder die Steuerfahndung vorbei, die mit ihren horrenden Forderungen das Blatt jedes Mal an den Rand des Ruins bringt.
Dennoch lässt sich die Redaktion nicht entmutigen. Was für die Staatsmacht den Umgang mit dem Blatt so schwierig macht, ist wohl auch die Tatsache, dass sich die BDG im Gegensatz zu anderen, unabhängigen Zeitungen nicht zu einem Sprachrohr der Lukaschenko-Kritiker macht. Auch Vertreter des Regimes bekommen hier regelmäßig ihr Forum. Und in einem Kommentar vor den Parlamentswahlen im vergangenen Oktober mit dem Titel „Wir sind nicht für eine Teilnahme an den Wahlen, wir sind für unsere Leser“ rechnete die BDG ungewöhnlich scharf mit der Opposition ab, die die Frage eines Wahlboykott gespalten hatte.
Derzeit erscheint die BDG mit einer Auflage von 22.000 Exemplaren vier Mal in der Woche. Allein 65 Prozent der Auflage entfallen auf die Hauptstadt Minsk und Umgebung. Mit diesem Problem steht die BDG nicht alleine da: In der Provinz sind die staatlichen Blätter, die ihre Leser jeden Tag mit Lukaschenko in allen Lebenslagen erfreuen, oft die einzige Informationsquelle.
Das will die BDG ändern. Künftig sollen die Regionalausgaben ausgebaut werden, noch in diesem Jahr will das Blatt auch im Kaliningrader Gebiet, wo eine große weißrussische Minderheit lebt, präsent sein. Und: „Wir wollen fünf Mal in der Woche erscheinen und endlich eine richtige Tageszeitung werden“, sagt die stellvertretende Chefredakteurin Svetlana Kalinkina. Mit dm Preisgeld sei dieses Vorhaben jetzt vielleicht schon bald zu realisieren. „Wir haben die Absicht, auch weiter eine Zeitung auf hohem professionellem Niveau zu machen“, schreibt die Redaktion in ihrer Mitteilung über den Zeit-Preis. Sollte dieses Ziel verfehlt werden, werden wohl kaum die Journalisten schuld sein.