Wiener Polizei sperrt Journalisten aus

Polizeiwagen in Wien - mitunter kein Durchkommen für Journalisten. Foto: coboflupi/123rf

Wie hält es die Wiener Polizei mit der Pressefreiheit? Das wird in der österreichischen Bundeshauptstadt zunehmend diskutiert. Jüngster Anlass war das Verhalten von Polizei und Sicherheitsdiensten während der Räumung einer von Klima-Aktivist*innen besetzten Autobahnbaustelle am 5. April im Nordosten Wiens. Um einige Dutzend Aktivist*innen von dem Baustellengelände zu entfernen rückte die Polizei mit mehreren Hundertschaften an, die teilweise aus angrenzenden Bundesländern kamen. Mit dabei war auch ein Polizeihubschrauber sowie eine Überwachungsdrohne, die in Wien zunehmend bei Demonstrationen eingesetzt wird.

Das Gelände wurde weiträumig mit Gittern abgesperrt. Dem fiel eine angemeldete Kundgebung der umweltpolitischen NGO „Global 2000“ zum Opfer. Sie hätte eigentlich gegenüber der Baustelle stattfinden sollen, wurde von der Polizei aber kurzerhand eingezäunt und abgesagt. Für die Medien dachte sich die Pressestelle der Polizei etwas ganz Besonderes aus. Weitab vom Geschehen wurde ein „Medientreffpunkt“ eingerichtet, offenbar in Absprache mit der österreichischen Autobahnbetreibergesellschaft ASFINAG.

Wer nun seiner journalistischen Arbeit nachgehen wollte, sei es als Kamerafrau oder als Reporter, der stieß spätestens an den Absperrgittern auf eine blaue Wand von Polizist*innen. Durchkommen an den Ort des eigentlichen Geschehens war fast unmöglich. Dieses Kunststück gelang nur einer Kollegin des Wochenmagazins „Falter“. Der Rest wurde von Securities der ASFINAG sowie der Polizei an den „Medientreffpunkt“ verwiesen.

Dieses Vorgehen wurde später von der Organisation „Reporter ohne Grenzen (RSF)“ scharf kritisiert. Medienvertreter*innen müsse grundsätzlich ein „freier Zugang“ zum Gegenstand ihrer Berichterstattung möglich sein, so RSF-Präsident Fritz Hausjell. Dies lies die ASFINAG nicht auf sich sitzen. Sie sagte der österreichischen Presseagentur APA, der „Medientreffpunkt“ sei gewählt worden, um einen „gesammelten Platz für Interviews“ zur Verfügung zu stellen. „Wir wollten verhindern, dass Unklarheit herrscht, wo kriegen wir einen O-Ton her“, so eine Sprecherin. Außerdem habe die ASFINAG verhindern wollen, dass „ortsunkundige Journalist*innen“ im „ausufernd großen Gelände die Orientierung verlieren“, denn: „Dies hätte mehr Chaos verursacht.“

Innerhalb der Wiener Polizei wächst seit geraumer Zeit die Angst vor filmischer Dokumentation ihres Tuns. Dies liegt vor allem in der starken Zunahme von Smartphones mit Kameras. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Wiener Polizisten zu Geldstrafen aufgrund ihres Handelns während der Räumung einer Sitzblockade von Klima-Aktivist*innen in der Wiener Innenstadt am 31. Mai 2019 verurteilt. Hier ging es um drastische Vorfälle. So wurde ein Aktivist von Polizeibeamten erst unter einen Polizeibus gezerrt und dort in Bauchlage fixiert. Anschließend fuhr der Bus los und fuhr dem Demonstranten fast über den Kopf. Urteile gegen die beteiligten Polizeibeamten kamen auch deshalb zustande, weil das Geschehen aus zahlreichen Richtungen filmisch dokumentiert worden war. Dies scheint die Polizei zukünftig ausschließen zu wollen, indem sie das Gelände bei Einsätzen weitestgehend kontrolliert.

„Es ist ein Problem, wenn durch Einrichtung einer Sammelzone kontrolliert wird, was du zu sehen bekommst und was nicht“, sagt der freie Journalist Michael Bonvalot, der am 5. April ebenfalls von den Maßnahmen betroffen war. „Es war ja wirklich alles von Polizeibussen umstellt. Man konnte nichts sehen. Ich habe versucht, das mit der Polizei zu klären, aber ohne Erfolg.“ Die Räumung der Baustellenbesetzung sei dabei kein Einzelfall. „Solche Sperrzonen werden immer öfter und immer exzessiver eingerichtet. Eine unabhängige Berichterstattung über das Handeln der Polizei wird so verhindert. Das ist problematisch, denn die Polizei ist ja Partei des Geschehens und nicht neutral.“ Bonvalot hat deshalb nun eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei angekündigt. Somit könnte die Sache in einigen Monaten vor Gericht landen.

Eines ist schon jetzt klar. Im gerade erschienenen Pressefreiheitsindex der Reporter ohne Grenzen ist Österreich dramatisch abgerutscht: Von Platz 17 im Jahr 2021 auf Platz 31.

Weitere aktuelle Beiträge

Türkei: Kurdische Journalisten in Gefahr

Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Media and Law Studies Association (MLSA) standen zwischen dem 4. und 7. März mindestens 21 Journalisten vor türkischen Gerichten. Diese Zahl mag für deutsche Leser*innen schockierend sein, in der Türkei sind diese Ausmaße juristischer Verfolgung von Journalist*innen leider alltäglich. Unter dem Ein-Mann-Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht es mit der Meinungs- und Pressefreiheit im Land immer düsterer aus. Auch die jüngsten Daten der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG) zeigen deutlich, dass der Druck auf Journalisten wächst.
mehr »

RBB will Fehler analysieren

Der RBB räumte bereits schwerwiegende Fehler bei der Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar ein. In einer internen Sondersitzung soll nun ein weiteres Vorgehen geklärt werden. Um den Aufklärungsprozess „konstruktiv zu begleiten“, habe der rbb-Programmausschuss für kommenden Montag eine Sondersitzung einberufen, so der Sender. Darin soll es offenbar um die Ergebnisse des Untersuchungsberichts der Beratungsfirma Deloitte gehen.
mehr »

Filmtipp: Dietrich Bonhoeffer

Das unter anderem mit August Diehl und Moritz Bleibtreu sehr gut besetzte Drama setzt einerseits ein Denkmal für den Widerstandskämpfer. Andererseits ist es umstritten, weil Dietrich Bonhoeffer im Zusammenhang mit dem Film durch rechtsnationale amerikanische Evangelikale instrumentalisiert wird. Zum US-Start waren die Nachfahren des im KZ hingerichteten deutschen Theologen entsetzt, wie sein Vermächtnis „von rechtsextremen Antidemokraten" und „religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht" werde. Inhaltlich ist die Aufregung unbegründet. Trotzdem ist der Film nur mit Abstrichen sehenswert.
mehr »

Beschwerde gegen BND-Gesetz

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
mehr »