Interview mit der iranischen Journalistin Parvin Ardalan
Parvin Ardalan, geboren 1966, arbeitete als Journalistin im Iran für mehrere Zeitungen, darunter auch zusammen mit Faradsch Sarkuhi für die Literaturzeitschrift „Adineh“. Am gleichen Tag wie Sarkuhi wurde sie 1996 verhaftet. Sie kam wieder frei, musste aber aus Furcht vor erneuter Verhaftung in den Untergrund gehen – und konnte danach nicht mehr journalistisch arbeiten.
Im März und April war sie auf Einladung von Reporter ohne Grenzen in Deutschland. Inzwischen ist sie wieder in ihre Heimat zurück gekehrt. Ob sie dort wieder in ihrem Beruf arbeiten kann, ist ungewiss.
Wie lange sind Sie schon Journalistin?
Ardalan: Seit rund zehn Jahren. Meine ersten Arbeiten machte ich für das Literaturmagazin „Adineh“. Aber seit rund drei Jahren habe ich im Iran keine Aufträge mehr bekommen.
Was genau war der Grund dafür?
Ich weiß es eigentlich nicht, es gab nie eine Begründung. Ich habe neben „Adineh“ immer auch für andere Zeitungen geschrieben, zum Beispiel über Umwelt- oder frauenpolitische Themen. Aber während der Kampagne des Geheimdienstes gegen Faradsch Sarkuhi habe ich mit ihm zusammen gearbeitet, und damit begannen auch meine Probleme mit dem Informationsministerium.
Nach der Verhaftung und der Zeit, in der ich mich verborgen hielt, konnte ich nicht mehr arbeiten. Mir wurde gesagt, ich solle alle Redaktionen, für die ich bis dahin gearbeitet hatte, davon unterrichten, dass ich dies künftig nicht mehr tun würde. Und die Leute vom Ministerium informierten auch alle meine Auftraggeber von dieser bevorstehenden Kündigung. Nur der tatsächliche Grund wurde natürlich nie genannt.
Sie wurden also unter Druck gesetzt, Ihre Arbeit aufzugeben, ohne dass es dafür irgend einen Beweis, eine Anordnung oder auch nur irgendein Schriftstück gegeben hätte?
Ja, genau so ging es vor sich.
Und warum gingen Sie in den Untergrund?
Nachdem Faradsch Sarkuhi am Teheraner Flughafen verhaftet wurde, wurde auch ich festgenommen. Ich wurde verhört, und mir wurde angedroht, dass ich ins Gefängnis müsse. Sie verlangten von mir, dass ich zugebe, eine Beziehung mit Faradsch Sarkuhi gehabt zu haben, und obwohl ich das nicht tat, verbreiteten sie die Nachricht von dieser angeblichen Affäre überall, vor allem bei meinen Auftraggebern. Es spielt dabei ja gar keine Rolle, ob solch ein Gerücht wahr ist oder nicht. Selbst wenn es wahr wäre, dürfte solch eine Kampagne doch eigentlich nicht funktionieren; schließlich ist das doch eine rein private Angelegenheit.
Wie reagierten denn Chefredakteure, Herausgeber und Kollegen auf diese verdeckte Anordnung, Ihnen keine Arbeit mehr zu geben? Sie konnten sich doch wohl denken, was Geheimdienst und Informationsministerium für ein Spiel mit Ihnen trieben. Hat jemand versucht sich zu widersetzen?
Bei „Adineh“ weiß ich es nicht, mit dem neuen Besitzer hatte ich mich zerstritten und keinen Kontakt mehr dort hin. Die anderen haben eigentlich alle klar gemacht, dass sie mit der Kampagne gegen mich nichts zu tun haben wollen und außerdem mein Privatleben respektieren.
Aber wenn jemand vom Informationsministerium boykottiert wird, kann er als Journalist im Iran nicht arbeiten. Zum Beispiel haben die einzelnen Regierungsbehörden und -ministerien keine eigene Pressestelle, alle offiziellen Informationen kommen aus dieser einen Quelle. Und indem den Redaktionen, natürlich informell, angekündigt wurde, dass ich kündigen würde, war auch völlig klar, was das heißt. Auch wenn sie damit nicht einverstanden waren, konnten sie dagegen kaum etwas unternehmen.
Was wäre passiert, wenn sie es doch getan hätten, wenn sie also weiter mit ihnen zusammengearbeitet hätten? Wäre die betreffende Zeitung geschlossen worden?
Das hätte durchaus passieren können. Zu dieser Zeit war der Druck sehr groß. Heute kann man schon einmal Kritik am Informationsministerium üben, aber damals war das noch nicht möglich.
Wie war es für Sie, als Sie noch arbeiten konnten; wie ist es generell für freie Journalisten im Iran: Kann man von dieser Arbeit überhaupt leben?
Nein, das kann eigentlich niemand. Fast alle Journalisten haben noch andere Jobs. Und es gibt ja auch für die fest Angestellten keinerlei Unterstützung, wenn sie ihre Arbeit verlieren. Als Journalist im Iran hat man deshalb immer mit drei Arten von Problemen zu kämpfen: mit dem sozialen Druck, den politischen Repressionen und mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Und über alle drei muss man auch schreiben. Es ist eine schizophrene Situation: Wir berichten über unsere eigenen Probleme.
- Interview: Jochen Siemer, Reporter ohne Grenzen