Abschreiben verboten

OLG Karlsruhe bestätigt Urheberrecht von Nachrichtenagenturmeldungen

Mit seiner Entscheidung vom 18. August 2011 erteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe dem Betreiber eines werbefinanzierten Online-Nachrichtenportals eine klare Absage für das Abschreiben von Nachrichten. Das Urteil galt zugleich all Denjenigen, die die Auffassung vertreten, dass journalistische Nachrichtentexte als Allgemeingut zur kommerziellen Auswertung in die eigene Website eingebunden werden dürfen. Gegen diese Form der Übernahme geht die Nachrichtenagentur AFP seit einiger Zeit gerichtlich vor. Mit Erfolg, wie das Urteil aus Karlsruhe zeigt.


Anders hatte dies noch die Vorinstanz bewertet: Im Ergebnis versagte das Landgericht Mannheim den streitgegenständlichen Texten den urheberrechtlichen Schutz, da diese auf Grund ihres Tatsachengehalts nur in Ausnahmefällen als persönliche geistige Schöpfung des Autors anzuerkennen seien.
Damit ging das Landgericht Mannheim jedoch von einem zu eng gefassten urheberrechtlichen Werkbegriff aus. Denn es sei in Rechtsprechung und Literatur, so betonte das Oberlandesgericht Karlsruhe, zu Recht anerkannt, dass auch Nachrichtentexte, die in Presse und sonstigen Medien verbreitet werden, in der Regel urheberrechtschutzfähig sind. Die vielfältigen Möglichkeiten, ein Thema darzustellen, führten nahezu unvermeidlich zur individuellen Prägung eines Artikels.
Dies gelte zudem nicht nur für solche Artikel, in die die eigene Meinung des Autors einfließt, sondern auch für die reine Berichterstattung. Auch dort sei die Darstellung regelmäßig durch individuelle Gedankenformung und -führung des Verfassers geprägt. Vor allem aber, führte das Gericht weiter aus, ergebe sich eine individuelle Prägung typischerweise aus der Auswahl der berichteten Tatsachen, aus der Entscheidung über eine Detaillierung, mit der der Sachverhalt berichtet werde und aus der Einordung des Berichtsgegenstands in einen größeren Kontext. Diesen Maßstab zu Grunde gelegt genießen diejenigen Artikel, über die das Oberlandesgericht Karlsruhe zu entscheiden hatte, den Schutz des Urheberrechtsgesetzes. Art und Weise der Tatsachenaufbereitung, die Einbindung von Hintergrundinformationen, aber auch die individuelle sprachliche Gestaltung, ließen nach Ansicht der Richter deutlich die persönliche Handschrift der Autoren erkennen.
Damit bestätigte der Senat vollständig die Auffassung von AFP.
Auch könne sich der Beklagte nicht auf die Ausnahmeregelung des § 49 Abs. 2 UrhG berufen, nachdem die Nutzung bestimmter Presseerzeugnisse unbeschränkt zulässig ist. Die in dieser Norm statuierte Ausnahme vom Urheberschutz gelte nämlich, wie dem genauen Wortlaut zu entnehmen sei, nur für „vermischte Nachrichten tatsächlichen Inhalts“ sowie für „Tagesneuigkeiten“.

Ähnliches Urteil in München

Da die dem Rechtsstreit zugrunde gelegten Texte durchweg Hintergrundinformationen enthielten, die dem Leser ermöglichen sollen, die eigentliche Nachricht [Information] in einen Kontext einzuordnen und damit zu verstehen, komme die eng auszulegende Ausnahmevorschrift nach Auffassung der Richter nicht zum Tragen. Damit widersprach das Gericht der Ansicht des Beklagten. Dieser vertrat die Auffassung, dass Nachrichtenagenturmeldungen – hier von AFP – auf Grund ihres Tatsachengehalts stets auch rechtlich als „Nachrichten tatsächlichen Inhalts“ zu bewerten seien. Zu diesem Punkt hatten die Richter bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine solche Auslegung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen auf das gesamte Pressewesen und der damit einhergehenden Konsequenzen und Gefahren auch für die Pressefreiheit nicht in Betracht komme.
Nunmehr hat auch das Landgericht München I mit Urteil vom 19. Oktober 2011 in einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt, dass es sich bei den dort maßgeblichen AFP-Texten um urheberrechtlich geschützte Sprachewerke i.S.d. § 2 Abs.1 Nr. 1 UrhG handelt.

Rechtsanwälte Nico Arfmann und Jörg Dombrowski, LL.M.
(Nümann + Lang Rechtsanwälte, Karlsruhe),
Prozessbevollmächtigte von AFP

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »