Das Maran-Modell des SWR – und Kritik von allen Seiten
Anfang März wurden die Pläne des SWR publik, die Fernsehfilmproduktion auszulagern. Prompt bildete sich eine Phalanx des Protestes aus Produzenten wie auch ARD-Redakteuren. Da die zukünftig für die meisten fiktionalen Produktionen verantwortliche SWR-Tochter Maran-Film auch redaktionelle Aufgaben übernehmen soll, fürchten Kritiker um die Unabhängigkeit des SWR und die Qualität der Fernsehfilme. Seit dem 11. Mai aber ist es amtlich: Der Verwaltungsrat des SWR hat das Maran-Modell mit großer Mehrheit verabschiedet.
Stellungnahme: Unverständlich und unzumutbar
„Der SWR hat sich einfach doof angestellt“, kommentiert ein ZDF-Redakteur die Aufregung um den Zwei-Länder-Sender. „Die hätten eine 100-prozentige Tochterfirma gründen sollen, dann wäre es gar nicht so weit gekommen“. Das ZDF hat diesen Schritt bereits vor gut zwei Jahren vollzogen: Im Dezember 1998 wurde Network Movie ins Leben gerufen, wenn auch quasi als Enkelin (Network Movie ist eine Tochter von ZDF Enterprises). Dieser Vorgang verlief aber gleichfalls nicht ganz reibungslos, wie sich Fernsehspielchef Hans Janke erinnert. Es gab „Kritik, Widerstand und Protest“, wobei Janke diesen Protest für durchaus legitim hält: „Schließlich waren da konkrete Interessen betroffen“.
Kritik der freien Produzenten
Das gilt für die Entwicklung beim SWR natürlich nicht minder. Der Südwestrundfunk, klagt der Jurist Johannes Kreile, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Fernsehproduzenten, „gehört zu jenen ARD-Anstalten, die ihre fiktionalen Produktionen trotz mehrfacher Appelle nur in bescheidenem Umfang in die Auftragsproduktion gegeben haben“. Mit jeder Gebührenerhöhung der letzten Jahre hat die Medienpolitik die Auflage verknüpft, unabhängige Produzenten in angemessener Weise zu unterstützen. Derlei würde sich nicht nur positiv auf die Meinungsvielfalt auswirken, sondern wäre, erläutert Kreile, auch betriebswirtschaftlich äußerst vernünftig: Auftragsproduktionen ersparen es den Sendern, Kameraleute, Ausstatter, Kostümbildner etcetera auch dann zu beschäftigen, wenn sie gar nicht benötigt werden.
Beim SWR weiß man das natürlich auch. Doch Auftragsproduzenten behalten mittlerweile immer öfter jene Rechte, die ein Sender lieber selbst kontrolliert. Also einigten sich SWR und Bavaria auf das Maran-Modell. Beide haben sich bereits 1998 zusammengetan, um mit der gemeinsamen Firma Maran (eine 1963 gegründete Tochter des früheren SDR) in Stuttgart die Kinderserie „Fabrixx“ herzustellen. Nun soll die Maran Feder führend einen Großteil der Fernsehfilmproduktion des SWR abwickeln; zu diesem Zweck sicherte sich der SWR die 51-prozentige Mehrheit.
Die Branche reagierte auf diese Pläne mit einer überraschend emotional geführten Debatte. Unabhängige Produzenten beklagen, der SWR umgehe erneut die Aufforderung, Produktionen in den freien Markt zu geben, und nutze die Maran als „Durchlauferhitzer“ (Kreile). Dass die Maran auch Aufträge an Dritte delegieren soll, ist für Bernd Burgemeister, Geschäftsführer der TV-60 Filmproduktion und Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Fernsehproduzenten, ein weiteres Unding: „Es ist nicht besonders lustig, wenn man auf diese Weise Subunternehmer seines Konkurrenten wird“; so werde „kreativ wie auch wirtschaftlich ein freier Wettbewerb praktisch ausgeschlossen“.
Kritik der anderen ARD-Sender
In den Fernsehspielabteilungen anderer ARD-Sender wurde prophezeit, die Fernsehfilme des SWR orientierten sich zukünftig nicht mehr an Kunst und Qualität, sondern nur noch an den Marktbedingungen. Gebhard Henke, Fernsehspielchef des WDR, kritisierte in einem Offenen Brief, die Aufgaben öffentlich-rechtlicher Redaktionen dürften nicht Firmen überlassen werden, die über Gewinne wachen. Henke fürchtet, dies werde unweigerlich zu einem „Produzenten-Fernsehen“ führen: „Angestellte einer Firma werden dann darüber entscheiden, ob lieber eine Schwarzwald-Komödie oder ein politisches Fernsehspiel entwickelt werden soll“. Die Fernsehspielredaktion des SWR wird zwar nicht aufgelöst – Leiter bleibt auch weiter Dietrich Mack -, doch die Maran soll in eigener Regie Stoffe entwickeln und die Produktionen betreuen, darunter wohl auch die Reihen „Tatort“ und „Debüt im Dritten“. Die dramaturgische Begleitung einer Produktion gehört jedoch zu den klassischen Aufgaben einer Fernsehspielredaktion. Auch dies irritiert skeptische Beobachter: Privatisiert werde nicht etwa der Produktionsbetrieb (der SWR verfügt über die größten technischen Produktionskapazitäten innerhalb der ARD), sondern die redaktionelle Arbeit.
Dritter Kritikpunkt war schließlich die in der Projektbeschreibung des SWR ausdrücklich erwähnte Möglichkeit der Maran, Fördergelder zu beantragen. Ein Sender kann das nicht; seine Tochter sehr wohl. Auf diese Weise werde die Förderung „denaturiert“, ärgert sich Kreile. Janke hingegen hält es für „strapaziös“, dem SWR deshalb einen „Umgehungstatbestand“ vorzuwerfen. Aus seiner Sicht ist es sogar rechtswidrig, Firmen wie Maran oder Network Movie das Recht auf Fördergelder zu bestreiten, zumal auch Filme für kommerzielle Sender gefördert werden können.
Vor allem der Unmut der unabhängigen Produzenten stößt beim SWR jedoch auf wenig Gegenliebe. Deren Unabhängigkeit versieht man gern mit Anführungszeichen und sieht daher keine Veranlassung, kommerzielle Konkurrenzsender zu mästen, indem man bei ihren Produktionsfirmen produzieren lässt. Dabei steht vor allem kleineren Produktionsfirmen das Wasser bis zum Hals: 20 Prozent der Produzenten stellen nach Marktstudien mindestens 70 Prozent des gesamten Volumens her; unter ihnen findet man laut Burgemeister „nur mit Mühe und am unteren Umsatzlevel auch ein paar Mittelständler“. Kein Wunder, dass sich der Bundesverband mit dem Gedanken trägt, eine Quotenregelung zu fordern.