Wie der WDR „Metropolenfernsehen“ macht
Marktanteile von mehr als 20 Prozent hatte sich der WDR von seinen vollmundig als Metropolenfernsehen angekündigten neuen Formaten „WDRpunktKöln“ und „WDRpunktDortmund“ erhofft. Doch vor allem in Köln bleibt die Qualität auf der Strecke.
Dass ihr im November 2000 gestartetes Kölner Lokalprogramm weit davon entfernt ist, öffentlich-rechtlichen Standards zu entsprechen, hat die WDR-Fernsehdirektion inzwischen schriftlich: Eine beim Dortmunder Medienforschungsinstitut FORMATT in Auftrag gegebene Programmanalyse kam zu dem Schluss, essentielle Bereiche wie Politik, Kultur oder Wissenschaft seien vor allem bei „WDRpunktKöln“ Mangelware. Statt dessen überwögen „bunte“ Beiträge über Unfälle, Kriminalität etc. Kein Wunder, dass die Fernsehdirektion den WDR-Rundfunkräten die FORMATT-Studie nur auszugsweise vorstellte.
Bei der Rundfunkratssitzung am 24. April wischte Fernsehdirektor Jörn Klamroth die selbst in Auftrag gegebene Studie mit der lapidaren Bemerkung beiseite, die „eigenen Beobachtungen deckten sich nicht immer“ mit den wissenschaftlichen Befunden, und präsentierte wenig plausible eigene Daten: Während auf die Bereiche Politik und Kultur in der von FORMATT ausgewählten Sendewoche zusammen nur etwa 10 Prozent entfielen, lagen Klamroths Werte für die Zeit vom 1. März bis 11. April mehr als doppelt so hoch. Fakt ist: Beispielsweise in der Sendewoche vom 26. bis 30. März machten Kultur und Politik lediglich 11 Prozent aus, während fast 60 Prozent des „WDRpunktKöln“-Programms über Buntes, Tiere, Hochwasser, Unfälle, Polizei, Sport oder Wetter berichteten. An zwei von fünf Tagen bestand ein Drittel der Sendung ausschließlich aus den Themen Unfälle, Hochwasser und Kriminalität. Politische Berichte gab es an drei Tagen überhaupt nicht.
Die Kritik an „WDRpunktKöln“ ist nicht neu. Die Frankfurter Rundschau titelte „Radau-Programm“, die Süddeutsche Zeitung „Bild-TV“, Funkkorrespondenz und epd Medien attestierten einhellig einen rüden Boulevard-Stil. Bereits Ende vergangenen Jahres hatten Mitarbeiter der Redaktion mit einem Schreiben anonym Rundfunkratsmitglieder auf die Verrohung der Programmsitten aufmerksam gemacht. „Ausgestrahlt wird alles, was Gewaltpotenzial verspricht“, heißt es in dem Papier, und von Redaktionsleiter Jürgen Kleikamp werden Bemerkungen zitiert wie: „Von Kultur bekomme ich Pickel!“ oder: „Im Programm fehlt noch Blut.“
Tatsächlich ist Kleikamp ein bekennender Boulevard-Journalist, der sich einst als Kölner „Bild“-Reporter seine Sporen verdiente. 1976 schlug er in dieser Funktion beispielsweise Günter Wallraff einen bemerkenswerten Deal vor: „Sie vermitteln mir Fotos und ein Exklusiv-Interview mit Biermann, und ich sage Ihnen, wo der BND heute Nacht bei Ihnen eine Wanze angebracht hat“, rühmte sich Kleikamp damals seiner Nachrichtendienst-Kontakte und versuchte Wallraff einen Kontakt zu dem kurz zuvor aus der DDR ausgebürgerten Wolf Biermann abzupressen. Nachzulesen ist die wenig rühmliche Episode eines WDR-Redaktionsleiters in Wallraffs Buch „Zeugen der Anklage“.
Auch heute noch ist Kleikamp bei der Wahl seiner redaktionellen Methoden wenig zimperlich. Ehemalige Mitarbeiter klagen über Mobbing und Führungschaos. Der Chef selbst meldet sich auf dem Bildschirm zuweilen als ruppiger Kommentator mit rüden Boulevard-Formulierungen zu Wort. Dass für Kleikamp Fakten nur opportunistisches Mittel zum Zweck sind, wird deutlich, wenn er sich je nach Arbeitsstandort mal als glühender Fan von Arminia Bielefeld (Neuen Westfälische vom 08.11.1996) oder vom 1. FC Köln (aktuelle WDR-Homepage des Studio Köln) vorstellt. In beiden Fällen erklärte der gebürtige Bielefelder, er habe sich schon im Alter von 6 Jahren zu dem Verein bekannt.
Nach schlechten Zeitungskritiken, nach Mitarbeiterprotesten (u.a. beim Personalrat und der IG Medien) sowie nach einer Reihe eigener beunruhigender Seherfahrungen äußerten inzwischen auch WDR-Rundfunkratmitglieder harsche Kritik. Kurt Uhlenbruch (SPD) prangerte bei einer öffentlichen Rundfunkratsitzung in Dortmund skandalisierende Berichterstattungsmuster und fehlende lokale Kompetenz an. Die Programmausschuss-Vorsitzende Karin Junker mahnte, die Redaktion müsse strenger kontrolliert werden, und die IG-Medien-Vertreterinnen Anna Dünnebier, Carla Kretschmer und Susanne Schulte kritisierten fehlende Hintergrund-Berichte aus den Bereichen Politik und Kultur.
Jetzt müht sich der WDR um Schadensbegrenzung. Chefredakteur Harald Brand sicherte den Mitarbeitern zu, ab sofort würden „Blaulicht-Themen“ nur noch in kurzer Nachrichtenform berücksichtigt. Auch Kleikamps Devise, zugunsten der Akzeptanz bei jüngeren Zuschauern müssten alle Interviewten jünger als 50 Jahr alt sein, wurde zurückgenommen. Noch immer aber mag die Redaktion aufs Seichte kaum verzichten: So wurden etwa vor Pfingsten 540 Mark statt ins Programm in zwei Condor-Flugtickets investiert. Vom 31.05. bis 02.06. durften zwei Zuschauer, die bei einem Quiz des Studios Köln die richtige Antwort wussten, nach Ibiza fliegen.