Die neue Macht in Unterföhring

Haim Saban steht bei ProSiebenSat.1 Media AG für internationale Finanzinvestoren

„Habemus Saban!“ Harald Schmidt hat weißen Rauch aufsteigen lassen wie nach einer erfolgreichen Papstwahl. Hintergrund: Der US-Investor Haim Saban hat die Mehrheit an der Sendergruppe ProSiebenSat.1 gekauft. Er steht für sechs Investmentfirmen aus den USA. Nicht zuletzt deshalb allerdings waren die Reaktionen eher verhalten.

Es war schon fast ein Wunder, dass die Ex-Kirch-Sender Pro Sieben, Sat.1, Kabel 1 und N 24 nicht stärker von der Pleite des Mutterkonzerns gebeutelt worden sind. Aber gelitten haben sie, vor allem bei Zuschauerprozenten und Werbeerlösen. Seit im April 2002 die Muttergesellschaft KirchMedia die Insolvenz angemeldet hatte, wurde nach einem Investoren gesucht.

Der sollte nicht nur die Sender übernehmen, sondern auch andere Teile von KirchMedia, insbesondere die Filmbibliothek mit ihren 18.000 Filmen und Serien und rund 300 Beschäftigten. Im Frühjahr 2003, als Saban zum ersten Mal die Übernahme plante, war das auch vereinbart worden – beim zweiten Mal im August nicht mehr. Für ihn hat es sich schon deshalb gelohnt, den ersten Deal platzen zu lassen. Die Filmbibliothek soll jetzt verramscht und nach und nach abgewickelt, KirchMedia liquidiert werden. Das Schicksal der Nachrichtenagentur ddp, die auch zu ProSiebenSat1. gehört, ist offen.

Erhalt des eigenen Profils der Sender ist fraglich

Sabans Einstieg war im Frühjahr weithin begrüßt worden, nicht zuletzt von den Betriebsräten und Beschäftigten. Der Mann aus Beverly Hills – so die Erwartungen – habe Erfahrung im Mediengeschäft und nützliche internationale Verbindungen. Im August war die Freude schon getrübt. Connexx – die ver.di-Interessenvertretung bei privaten elektronischen Medien – bleibt skeptisch: Vieles hänge davon ab, wie ernst Saban sein Engagement nimmt, und ob er den Sendern ein eigenes Profil lassen oder sie zu Abspielkanälen für US-Produktionen machen wolle. Die Art, wie der erste Deal zum Platzen gebracht worden ist, wirft ein schräges Licht auf die Person Haim Saban. Der ist bislang nicht als Medienunternehmer erfolgreich gewesen, sondern als Medieninvestor. Er hat Unternehmen gekauft und mit Profit weiterverkauft – zuletzt Ende 2001 Fox Family Worldwide für 5,4 Milliarden Dollar an Disney. Diesen Coup hat er zusammen mit Rupert Murdoch gelandet. Die Partnerschaft besteht weiter.

Historische Wende

Saban selbst hat zwar 72 Prozent der Stimmrechte gekauft, aber nur aus kartellrechtlichen Gründen. Später will er sich mit einer Minderheit (von 26 Prozent ist die Rede) begnügen und die restlichen Anteile an seine US-Investoren (sowie 10 bis 12 Prozent an Springer) geben. Was in ein paar Jahren damit geschehen wird ist ungewiss. Niemand könnte es verhindern, wenn dann die Aktien bei einem anderen Investoren, z.B. bei Rupert Murdoch oder Silvio Berlusconi landeten. Dass Saban dergleichen dementiert, besagt nichts.

Auch inhaltlich sollten die Erwartungen an Saban tief gehängt werden. Sein erstes großes Geld hat er mit dem Vertrieb brutaler Kinderfilme (Ninja Turtles, Power Rangers) gemacht – trotz heftiger Proteste von Elternvereinigungen. Hemmungen, ein kulturelles Mindestniveau zu unterschreiten, darf man bei ihm nicht erwarten. Auch seine Bereitschaft, auf die Interessen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen, muss an US-amerikanischen Maßstäben gemessen werden. Die Verunsicherung in den Belegschaften und die hohe Arbeitslosigkeit im Mediensektor dürften ihm bekannt sein.

Mit dem Saban-Deal ist die Verwertung des ehemaligen Kirch-Konzerns im wesentlichen beendet. Das Machtvakuum, das durch den Zerfall des zweitgrößten deutschen Medienkonzerns entstanden war, ist vom internationalen Finanzkapital gefüllt worden. Das markiert eine historische Wende. Denn nicht nur bei der ProSiebenSat.1-Gruppe haben Investmentfirmen oder branchenfremde Kapitale die Macht übernommen, sondern im gesamten ehemaligen Konzern: beim Abonnentenfernsehen „Premiere“ (Investmentgruppe Permira), dem „Deutschen Sportfernsehen“ (KarstadtQuelle und EM.TV), dem Technikdienstleister „BetaResearch“ (Betali-Finanzholding) und den drei Regionalfernsehsendern (Soravia).

Investmentfirmen haben das Mediengeschäft entdeckt: Weitere Beispiele im Sommer 2003 waren die Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer (Cinven und Candover), die Werbeagentur „Scholz & Friends“ (Electra Partners) oder die Fernsehkabelnetze der Deutschen Telekom (BC Partners, Blackstone, CDP Capital, Goldman Sachs u.a. ).

Für Investmentfirmen ist die Rendite alleiniger Maßstab für den Erfolg. Eine Beziehung zum Gegenstand der Geschäftstätigkeit (den Medien) besteht nicht. Die Folge ist, dass die Medienmacher sich verstärkt an kürzerfristigen Profitzielen orientieren (müssen). Ein Abbau von Qualität und Seriosität in der Berichterstattung, die Verflachung und Missachtung journalistischer Standards und die Vernichtung von Arbeitsplätzen sind die fast zwangsläufige Folge.

Für Regierungen kein Thema

Umso dringender wäre es, dass seitens der Medienpolitik dem entgegen gesteuert würde. Das geschieht nicht. In der Medienwirtschaft finden Machtverschiebungen von historischer Tragweite statt, und für die Regierungen im Bund und den Ländern ist das kein Thema. Die Vorgänge im Gefolge der Kirch-Pleite hätten Anlass sein müssen, über Beschränkungen ausländischer Investoren im Medienbereich nachzudenken. In anderen Ländern, nicht zuletzt den USA, ist das eine Selbstverständlichkeit. Hierzulande werden stattdessen die Mediengesetze gelockert (2002 in NRW, 2003 in Hamburg). Wir müssen uns darauf einstellen, dass US-amerikanische Qualitätsmaßstäbe im deutschen Fernsehen eine wachsende Rolle spielen werden.

 

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