Der Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) hat ein „Berlin-Brandenburgisches Modell“ zur Förderung professioneller lokaler Medieninhalte vorgelegt. Auf diesem Weg soll Medienvielfalt vor allem auch in der Fläche Brandenburgs gesichert oder sogar erst hergestellt werden. Über die Hintergründe sprach M Online mit dem Medienratsvorsitzenden Hansjürgen Rosenbauer.
M | Warum dieses Fördermodell? Sehen Sie die Existenz von hochwertigem Lokaljournalismus gefährdet?
Hansjürgen Rosenbauer| Das Land Brandenburg ist in der Fläche relativ dünn besiedelt. Die Abonnements der Lokalzeitungen sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) für subregionale Berichterstattung weder zuständig noch legitimiert. Übrig bleiben die rund 20 lokalen TV-Veranstalter, die mehr oder weniger gut finanziert sind. Aber sie können die Informationslücke nicht schließen, die entstanden ist. Deswegen haben wir in den letzten Jahren überlegt, wie man gerade in kleineren Gemeinden dafür sorgen kann, dass lokale journalistische Informationen weiterhin zur Verfügung stehen.
Es geht also nicht um Berlin, sondern in erster Linie um den strukturschwachen ländlichen Raum?
Berlin hat einen großen Vorteil. Es gibt eine Vielzahl von Hörfunkveranstaltern. Und es gibt mit ALEX, dem früheren Offenen Kanal, ein Angebot, das sehr umfangreich für Berlin im Fernsehen und Online Informationen anbietet. Das heißt aber nicht, dass die Bezirke Berlins nicht auch Nachholbedarf hätten. Der Tagesspiegel versucht das ja jetzt mit seinen Spezial-„Checkpoints“ für die einzelnen Bezirke. Auch da wird erkannt, dass man stärker in die Bezirke, in die Gemeinden gehen muss. Aber das ist in Brandenburg natürlich sehr viel aufwendiger und sehr viel schwerer zu finanzieren.
Zielsetzung ist die Sicherung von Vielfalt, Qualität, Reichweite und Stabilität subregionaler Medien. Schafft der Markt das nicht?
Es geht in Brandenburg nicht nur um Sicherung, sondern auch um Herstellung von Vielfalt. Das ist in Brandenburg nicht anders als in vielen Regionen Nordrhein-Westfalens. Es existiert eine einzige Lokalzeitung, eine Konkurrenz findet nicht mehr statt. In vielen Gemeinden verfügen Anzeigenblätter über die weiteste Verbreitung. Abonnenten der Märkischen Allgemeinen oder der Märkischen Oderzeitung sind dünn gesät. Es handelt sich also nicht darum, den Markt mit einem neuen Konkurrenten aufzumischen, sondern den Markt zu stützen. Und zwar nicht durch eine direkte institutionelle Förderung von Lokal-TV-Veranstaltern oder auch lokalen Radio-Veranstaltern, sondern durch ganz gezielte Förderung journalistischer Produktionen. Das geht einen Schritt weiter als die bisherigen Förderprogramme im technischen Bereich und bei der Ausbildung.
Wie soll ein plattformunabhängiges crossmediales Fördermodell aussehen?
Was wir bisher nicht dürfen ist die direkte Förderung von Inhalten, von Programm. Ähnlich wie in anderen Ländern, besonders ausgeprägt in der Schweiz, könnte die mabb, wenn sie denn dazu durch eine Gesetzesänderung ermächtigt würde, lokaljournalistische Angebote ausschreiben. Die würden dann durch die existierenden lokalen Medien verbreitet. Also Lokal-TV, lokales Radio oder natürlich auch im Netz. Wir wollen keine neuen Veranstalter gründen, sondern die bestehenden fördern oder ermöglichen, dass im Internet neue Möglichkeiten entstehen.
Programmförderung derzeit aufgrund der Gesetzeslage nicht zulässig. Was müsste rechtlich geändert werden, damit Sie zum Zuge kommen?
Es gibt zwei Alternativen. Die eine wäre, dass man im Rundfunkstaatsvertrag das Wort „nichtkommerziell“ in § 40 Absatz 1 streicht und gleichzeitig § 8 des Medienstaatsvertrags um eine Regelung ergänzt, die es der mabb gestattet, auch die Inhalte von lokalen und regionalen Anbietern zu fördern. Damit wäre es dann möglich, neben nichtkommerziellen Angeboten auch kommerzielle – zum Beispiel die Lokal-TV-Veranstalter – zu fördern. Oder man macht es so ähnlich wie das Land Bayern, das auf Grundlage von § 64 des Rundfunkstaatsvertrags seinen Anteil am Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der landesgesetzlich bestimmten Aufgaben der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) nutzt und hiermit auch Lokal-TV-Veranstalter fördert. Das ist sehr auskömmlich finanziert und unterliegt einer Kontrolle durch Vergaberichtlinien. Allerdings ist Bayern ein bisschen wohlhabender als Brandenburg und Berlin. Außerdem leben dort in den lokalen Zentren mehr Nutzer als bei uns.
Von Bayern lernen heißt dann wohl siegen lernen. Sie wollen nicht nur Lokal-TV fördern, sondern auch Telemedien-Angebote? Gibt es dafür Interessenten? Welche Medienakteure kommen in Frage?
Die Lokal-TV-Veranstalter und ihr Verband werben seit Jahren bei der mabb für mehr Unterstützung, über das hinaus, was wir ohnehin schon fördern: technische Verbreitung, Ausbildung, etc. Wenn eine solche Fördermöglichkeit besteht, bin ich mir relativ sicher, dass entsprechende Anträge kommen. Zudem haben auch die Lokal-TV-Veranstalter inzwischen ihre Webseiten. Drittens sind auch die Lokalzeitungen längst nicht mehr nur Printmedien, sondern nutzen in immer größerem Umfang den Videobereich. Die mabb verfolgt im Moment ein neues Projekt namens „Smart Village“, bei dem es darum geht, zu erkunden, wie man in kleineren Gemeinden kommunale Plattformen schafft, auf denen neben Informationen auch andere interessante Dienste angeboten werden. Wir befinden uns in einer Phase der Erschließung neuer Möglichkeiten, die dringend notwendig sind und die dadurch jetzt aktuell werden, dass Breitband-Internet mehr und mehr in der Fläche verfügbar ist.
Die Finanzierung solcher Maßnahmen soll ja aus dem Rundfunkbeitrag erfolgen. Wäre es auch denkbar, dass direkt auf Landesmittel zurückgegriffen wird – bei entsprechender Absicherung von Staatsferne?
Der Staat darf nicht unmittelbar Medien fördern. Er könnte aber der mabb Mittel zuweisen, was auch durch eine Gesetzesänderung ermöglicht werden müsste, Mittel, die von der mabb treuhänderisch aufgrund von Richtlinien vergeben würden. Für mich der einzige realistische Weg. Denn da die Mittel der mabb nicht zunehmen, sondern tendenziell eher abnehmen, da die Rücklagen aufgebraucht sind, würde es uns nicht möglich sein, über das Bestehende hinaus die Förderung auszuweiten. Der Satellit, den wir derzeit finanzieren, wird beispielsweise Mitte nächsten Jahres auslaufen, weil die Rückstellungen aufgebraucht sind. Das heißt, die elf Brandenburger Veranstalter, die darüber verbreitet werden, müssen sich dann umorientieren und sehen, dass sie zum Beispiel stärker über das Netz ihr Publikum erreichen.
Gibt es für Ihr Konzept positive Signale aus der Politik?
Aus der Politik gibt es zwei Initiativen. Eine geht von Berlin aus, wo fraktionsübergreifend schon vor zwei Jahren das Abgeordnetenhaus beschlossen hat, nichtkommerziellen Rundfunk, im Falle Berlins Freie Radios, stärker und auch inhaltlich zu fördern. Das wurde vom Landtag Brandenburg ebenfalls fraktionsübergreifend übernommen. Auf dieser Schiene wird sich vermutlich etwas bewegen, wenn die Staatsvertragsänderungen anstehen. Beim Lokal-TV ist es eine Brandenburger Initiative, die ebenfalls quer durch die Parteien – mit Ausnahme der AfD – begrüßt wurde und die demnächst im Hauptausschuss weiter beraten wird. Da gibt es nach meinen Informationen einen Vorschlag, der sowohl von der Regierungskoalition als auch von der CDU unterstützt wird.
Wird diese Förderung allen Interessenten gleichermaßen zugutekommen?
Im Moment ist es so, dass von unserer Förderung die großen Anbieter am meisten profitieren. Ein kleiner Anbieter wie etwa der Teltow-Kanal sendet auf dem Satelliten einmal in der Woche 30 Minuten. Lausitz-TV dagegen sechsmal 30 Minuten. Das liegt daran, dass die Kleinen sich die 20prozentige Teilfinanzierung oft nicht leisten können. Das andere ist: Wenn es immer heißt, die Lokal-TV-Veranstalter sind generell unterfinanziert, vergisst man, dass es bei der Refinanzierungsquote eine Spanne gibt, die von 54 Prozent bis zu 179 Prozent reicht. Es gibt also Sender, denen es sehr gut geht. Für andere ist das Ganze ein Hobby auf der Basis von Selbstausbeutung. Mein Anliegen ist es, dass wir hier Wege finden, auch im Elbe-Elster-Kreis oder in Königs Wusterhausen eine ähnliche Versorgung mit lokalen Angeboten zu ermöglichen. Es gibt zum Beispiel in Ostprignitz-Ruppin überhaupt kein Lokal-TV-Angebot. Da sehe ich Nachholbedarf, da brauchen wir auch Hilfe aus der Politik.