Eine Novelle für mehr Mitbestimmung

Entwurf für ein Deutsche-Welle-Gesetz in der Debatte – ver.di für uneingeschränkte Tarifautonomie

Das Gesetz der Deutschen Welle als Bundesrundfunkanstalt und Auslandssender soll novelliert werden. Ver.di begrüßt dieses Vorhaben und beteiligt sich an der Debatte um den Gesetzentwurf. Wichtigste Punkte für die Gewerkschaft sind dabei: der Auftrag der Deutschen Welle, die Aufgabenplanung und verlässliche Finanzierung sowie die Tarifautonomie und die Mitbestimmung. «M» sprach darüber mit Inez Kühn, Bereichsleiterin Medien in ver.di.

«M»: Änderungsbedarf gab es offenbar bei der Formulierung des Programmauftrags der Deutschen Welle. Das scheint bereits im Gesetzentwurf gelungen?

Inez Kühn: Das Deutsche-Welle-Gesetz in der Fassung vom 16. Dezember 1997 hat sich in einigen Punkten nicht bewährt, sollte deshalb auch aus Sicht von ver.di korrigiert und verbessert werden. Im Entwurf der Bundesregierung wird die Aufgabe der Deutschen Welle neu und treffender formuliert. Danach sollen die Angebote des Senders Deutschland als europäische gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Es gelte, ein Forum für Sichtweisen über wesentliche Themen vor allem in der Politik, Kultur und Wirtschaft in Europa und in anderen Kontinenten zu sein, welches das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker fördert. Mit dieser Formulierung sind wir einverstanden.

«M»: Aber es gibt auch kritische Anmerkungen von ver.di. So wird festgelegt, dass die Deutsche Welle ihre Arbeit in mittelfristige Pläne fassen soll an denen Bund und Öffentlichkeit beteiligt werden. Was ist falsch daran?

Inez Kühn: Für eine solche Planung der Aufgaben sind wir. Kritisch, weil teils inkonsequent, teils sogar verfassungsrechtlich fragwürdig, sehen wir die Vorstellungen, wer in welchem Umfang darauf Einfluss hat. So muss vor allem die Staatsferne gewahrt werden. Die Entscheidungen über die Aufgabenplanung muss bei der DW selbst liegen. Das wird nicht gewährleistet, wenn die DW schriftlich begründen muss, wenn ihre Pläne von denen des Parlaments und der Regierung abweichen und das auch noch im Zusammenhang mit der Kalkulation der Kosten. Mit einem solchen Rechtfertigungsgebot wird ein unzulässiger Druck auf die Rundfunkanstalt ausgeübt. Der Bundestag kann demzufolge die Aufgabenpläne im Kontext mit der Haushaltsplanung korrigieren, das heißt bestimmen. Das hätte mit Staatsferne wenig zu tun. Abhilfe würde auch hier eine unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs schaffen.

«M»: Aber können dies nicht die Kontrollgremien übernehmen?

Inez Kühn: Ja, das könnten sie zumindest zum Teil, wenn sie denn entsprechend zusammengesetzt wären. Aber gerade das ist nicht der Fall. Die Aufgabenplanung wird vom Rundfunkrat und vom Verwaltungsrat beschlossen, die vom Bundestag, Bundesrat und der Bundesregierung dominiert werden können, wenn deren Vertreter eine geschlossene Haltung einnehmen und der Rest uneins wäre. Das führt zu einer verfassungsrechtlich unzulässig dichten Anbindung der DW an die Regierung.

«M»: Das heißt, die Zusammensetzung der Gremien ist nicht in Ordnung?

Inez Kühn: Ja. Mit insgesamt sieben von 17 Vertretern im Rundfunkrat und drei von 7 Vertretern im Verwaltungsrat ist der Bund deutlich überrepräsentiert. Das rückt die Deutsche Welle in die Nähe eines Staatsfunks. Deshalb sollte die Anzahl der Vertreter im Rundfunkrat höchstens drei und im Verwaltungsrat maximal zwei betragen. Dann könnten mehr Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen gewählt werden. Außerdem regen wir für den Rundfunkrat an, einen Sitz für die berufliche Interessenvertretung von Journalisten vorzusehen. Die dju in ver.di und der DJV könnten das gemeinsam bestimmen.

«M»: Wo bleiben die Interessenvertretungen der Beschäftigten?

Inez Kühn: Wir sind unbedingt für eine Beteiligung derjenigen, die die Aufgaben der DW umsetzen müssen. Das hat sich auch in anderen Rundfunkanstalten bewährt. Für den Rundfunkrat kann das wie im bisherigen Gesetz vorgesehen bei einer beratenden Teilnahme bleiben, jedoch sollte dies je ein Vertreter der bestehenden Personalvertretungen sein. Für den Verwaltungsrat, dessen Entscheidungen erhebliche Konsequenzen für die Beschäftigten haben können, ist es zwingend notwendig, den Verwaltungsrat um ein vom Gesamtpersonalrat zu benennendes Mitglied zu erweitern.

«M»: Vehement kritisiert wurde von ver.di bereits im geltenden Gesetz eine Regelung, die eine Besserstellung für Beschäftigte der Deutschen Welle gegenüber Arbeitnehmern des Bundes verbietet. Daran will der Gesetzgeber aber offensichtlich festhalten. Warum ist ver.di so strikt dagegen?

Inez Kühn: Diese Regelung (§ 47 im gelt. Gesetz) verstößt gegen die vom Grundgesetz geschützte Tarifautonomie. Sie muss ersatzlos gestrichen werden. Wir sind enttäuscht, dass dies nicht schon im Änderungsentwurf geschehen ist. Diese Bestimmung macht Tarifabschlüsse im Zweifel vom Einvernehmen mit der Bundesregierung abhängig. Tarifautonomie beinhaltet jedoch das Recht, auf freie Verhandlung und den Abschluss eines Tarifvertrages unabhängig von staatlichem Einfluss und Zwang. Dieser Paragraf ist außerdem unsinnig, weil die DW keine Behörde, sondern eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt und damit ein Medienunternehmen ist. Das muss sich am Markt innerhalb seiner Branche orientieren und demzufolge konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen bieten. Gebunden ist die DW dabei ja ohnehin an die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Haushaltsplanung. Tarifautonomie garantiert nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts auch ein System funktionierender gleichgewichtiger Verhandlungen. Das schließt das Recht ein, Druck auch im Wege des Arbeitskampfes auf den Tarifpartner auszuüben. Die in der DW vertretenen Gewerkschaften haben jedoch keine Möglichkeit, die Bundesregierung direkt unter Druck zu setzen, die sich jedoch in dieser Sache (§ 47) ein Letztentscheidungsrecht vorbehält. Das ist verfassungswidrig.

«M»: Ist es richtig, dass ver.di mit der Novellierung auch die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten weiter ausgebaut sehen will?

Inez Kühn: Ja, so ist es. Im bisherigen Gesetz sind die Mitbestimmungsrechte des Personalrats in innerdienstlichen, sozialen und organisatorischen Angelegenheiten in einer Weise eingeschränkt, die aufgrund der Programmfreiheit der DW nicht gerechtfertigt ist. So wird die Mitsprache verwehrt weit hinaus über jenen Personenkreis, der maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des Programms hat. Das ist bei den Beschäftigten des Bundes und in anderen Rundfunkanstalten anders.

Bei der DW sind wie in anderen Anstalten auch und sogar teilweise in größerem Umfang freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig beschäftigt. Dafür wurde erst jüngst ein Tarifvertrag abgeschlossen, der die dauerhafte und nicht im Umfang begrenzte Mitarbeit der Freien ermöglicht, ohne dass ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Aufgrund dieser Besonderheit gehören die Freien in den Schutz und den Aufgabenbereich der Personalvertretung. In diesem Sinne sollte das Gesetz nach dem Vorbild des saarländischen Personalvertretungsgesetzes verändert werden. Das würde auch die Wahlberechtigung – aktiv und passiv – einschließen.

Eine weitere Forderung ist die nach einem Redaktionsstatut. Zu Recht wird im Entwurf der breite und umfassende Informations- und Vermittlungsauftrag der DW betont. Wesentliche Träger dieses Auftrags sind die Programmmitarbeiter, vor allem die Redakteure. Sie sollten eine eigenständige Mitwirkungsmöglichkeit haben. Das könnten eine Redaktionsvertretung und ein Redaktionsstatut sein.

Das Gespräch führte Karin Wenk

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