Ende der Ansage

Hannovers Bürgersender Radio Flora bald ohne Sendelizenz

Nach elf Jahren Sendebetrieb wird das Bürgerradio Flora aus Hannover voraussichtlich keine neue Lizenz mehr bekommen. Daraus macht man in der Niedersächsischen Landesmedienanstalt inzwischen keinen Hehl mehr.

Stattdessen dürfte im Herbst ein gemeinsamer Antrag vom Radio Team Niedersachsen (RTN), einem Kommerzfunkanbieter, und Lokalradio Neustadt, einem Bürgersender nordwestlich von Hannover, den Zuschlag von der Aufsichtsbehörde erhalten.

Wäre es nach dem Willen der Landesmedienanstalt gegangen, hätten sich Radio Flora, RTN und Lokalradio Neustadt zusammen schließen und einen gemeinsamen Lizenzantrag stellen sollen. Ende Juli waren aber die Einigungsverhandlungen aller drei Bewerber für ein gemeinsames Radioprojekt nach zwei Anläufen gescheitert. Die Sendelizenz war im März 2007 neu ausgeschrieben worden, nachdem die Medienanstalt wegen Floras geringer Einschaltquoten einen Verlängerungsantrag des Senders abgelehnt hatte.

Sendung verhindert

Zur Begründung für den Abbruch der Einigungsgespräche verweist Andreas Kuhnt, Sprecher des Radio Teams Niedersachsen, auf aktuelle Unstimmigkeiten innerhalb Radio Floras. Auslöser war ein Radio-Feature mit dem Titel „Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Rundfunkbetriebs in Hannover“, dessen Ausstrahlung von der Sendeleitung Floras verhindert worden war. Buchautor Hubert Brieden setzt sich darin kritisch mit der Entwicklung Radio Floras und den Einigungsplänen aller drei Lizenzbewerber auseinander. Er wirft den Verantwortlichen im Sender einen Ausverkauf der ursprünglichen Grundsätze Radio Floras vor, das von Mitgliedern der Antiatomkraft-Bewegung mitbegründet worden war. Als die Redaktion International das Feature trotz des Verbots ausstrahlen wollte, ließ die Sendeleitung Musik einspielen. Für Hubert Brieden ein klarer Fall von Zensur. Inzwischen lief sein Feature auf einem offenen Sendeplatz von Radio Flora, für den der Bürgersender keine Verantwortung trägt. Flora-Programmchef Achim Wiese weist den Vorwurf einer Zensur zurück: Es sei bei dem Streit in erster Linie darum gegangen, dass sich Brieden nicht an eine Formalie aus dem Redaktionsstatut gehalten habe. Demnach seien die Redaktionen in ihrer inhaltlichen Gestaltung zwar weitgehend autark. „Doch vor der Ausstrahlung interner Angelegenheiten Floras muss mit der Sendeleitung gesprochen werden“, so Wiese.
Für Reinhold Albert, Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, bestätigt dieser Vorgang, dass es im Frühjahr 2007 richtig gewesen sei, die Sendelizenz des Bürgerfunks in Hannover neu auszuschreiben. Auch früher sei Radio Flora immer wieder ein schwieriger Verhandlungspartner gewesen. Allerdings steht auch fest, dass Mitbewerber RTN bis zum April 2008 nicht bereit war, in Verhandlungen mit Radio Flora einzutreten. Hubert Brieden macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass die Gruppe um Andreas Kuhnt, ehemaliger Bild-Redakteur und Moderator bei den Privatsendern ffn und Radio 21, bisher für die Deutsche Messe AG, für Hannover Airport und das hannoversche Schützenfest Werbe- und Veranstaltungsradios betrieben hatte. Und bei der geplanten Gründung einer gemeinnützigen GmbH als Träger des Bürgerfunks in Hannover seien private Sponsoren aus dem Umfeld des Radio Teams Niedersachsen im Gespräch gewesen: neben der Spardabank der Unternehmer und Präsident von Hannover 96, Martin Kind. Wie eng die Kontakte gerade zum letztgenannten sind, zeigt, dass Andreas Kuhnt seit Mitte August die Leitung der Presseabteilung des Bundesligaclubs übernommen hat. Die Arbeitsverträge der 14 Angestellten und Honorarkräfte bei Radio Flora enden im März 2009.

Bürgermedien an 30 Standorten

Im vergangenen Jahr war Radio Flora der einzige von insgesamt 15 lokalen Bürgerradio- und -fernsehsendern in Niedersachsen gewesen, dessen Lizenz nicht verlängert wurde. Inklusive ihrer Lokalstudios sind die Bürgermedien an über 30 Standorten in Niedersachsen vertreten. Die meisten sind seit über zehn Jahren auf Sendung und stellen eine feste Größe in der Rundfunklandschaft Niedersachsens dar: Eine Untersuchung des Markt- und Medienforschungsinstituts TNS Emnid vom Herbst 2006 ergab, dass rund 700.000 Menschen regelmäßig Bürgerradios und offene Fernsehkanäle einschalten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »