Enteignung verhindern

Urheber haben von der neuen Novelle nichts Positives zu erwarten

Freie Journalistinnen und Fotografen sowie andere Kreative konnten Mitte 2002 jubeln: Trotz einer millionenschweren Gegenkampagne der Medienkonzerne beschloss der Bundestag eine Urheberrechtsreform, die ihnen einen gesetzlichen Anspruch auf „angemessene Vergütungen“ zusichert. Was ist daraus geworden? Und worum geht es bei der Auseinandersetzung um die neue Novelle des Urheberrechts? Für «M» sprach Rüdiger Lühr mit dem ver.di-Urheberrechtler Wolfgang Schimmel.

«M»: Seit zweieinhalb Jahren haben Urheber in Deutschland per Gesetz Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke. Gibt es die schon? Man hört eher von Kolleginnen und Kollegen, dass die Honorare in den Keller gehen.

WOLFGANG SCHIMMEL: Beides gibt es: Medienbranchen, in denen schon immer halbwegs anständig, also angemessen, gezahlt wird, und andere, in denen die Honorare meist unangemessen niedrig sind, zum Beispiel bei vielen Tageszeitungen.

Der gesetzliche Anspruch auf angemessene Vergütung ist aber ein individueller, das heißt, der oder die Freie muss vom Auftraggeber, wenn er keine angemessene Vergütung zahlt, eine Nachbesserung einfordern oder besser gleich vernünftige Honorare vereinbaren. Viele haben aber die Sorge, dass damit Folgeaufträge gefährdet werden. Es ist deshalb schwer gemeinsame Aktionen zur – notfalls gerichtlichen – Durchsetzung der angemessenen Vergütung zu organisieren.

«M»: Nun sind die ersten Forderungen auf angemessene Vergütungen aus dem Jahr 2001 zum Jahreswechsel verjährt. Gibt es von ver.di unterstützte Gerichtsklagen?

WOLFGANG SCHIMMEL: Stimmt leider: Eventuelle Ansprüche auf Nachbesserung von Verträgen aus dem zweiten Halbjahr 2001 sind verjährt, wenn nicht rechzeitig Klage erhoben wurde. Eine zweistellige Zahl an Klagen wurde aber – unterstützt von ver.di mit Rechtsschutz – eingereicht. Hier geht es um langfristige Verträge, namentlich von Literaturübersetzern. Unsere Übersetzer sind da mutiger als freie Journalisten.

«M»: Die dju in ver.di und der DJV haben Entwürfe für gemeinsame Vergütungsregeln bei Tageszeitungen und Zeitschriften bereits im August 2002 an die Verlegerverbände übermittelt. Wie ist der Stand?

WOLFGANG SCHIMMEL: Die Verhandlungen gestalten sich wie erwartet langwierig und schwierig, aber bisher nicht unkonstruktiv. Allerdings geht es immer noch um die Rahmenbedingungen. Beim Kern, wie viel Honorar für welche Nutzung gezahlt wird, sind wir noch nicht angekommen. Hier wird sich zeigen, ob eine Verhandlungslösung möglich ist, wir ins Schlichtungsverfahren gehen oder uns gar andere Verhandlungspartner, also einzelne Verlage oder Verleger-Landesverbände, suchen müssen.

Bei den Schriftstellern übrigens liegt ein Kompromissvorschlag für gemeinsame Vergütungsregeln aus dem Bundesjustizministerium auf dem Tisch und in der Filmbranche sieht es auch nicht schlecht aus: Der Wille zur Einigung ist auf beiden Seiten da, der Weg dahin aber noch ein Stück weit.

«M»: Wenn die Verhandlungen immer länger dauern, droht doch das Interesse der Betroffenen abzubröckeln.

WOLFGANG SCHIMMEL: Ich habe eher das Gefühl, dass der Druck der Freien, dass jetzt endlich was passieren muss, wächst. Er sollte sich aber nicht nur auf die dju ausrichten. Etwas mehr Rückgrat gegenüber dem eigenen Auftraggeber und mehr Druck auf die Verleger insgesamt wäre durchaus angebracht.

«M»: Gleichzeitig verschlechtern sich die Rahmenbedingungen. Stichwort „Zweiter Korb“, die neue Urheberrechtsnovelle. Agenda-2010-Politik zu Gunsten der Medien- und IT-Konzerne?

WOLFGANG SCHIMMEL: Ja, so kann man das sagen. Von dem, was das Bundesjustizministerium mit dem Referentenentwurf vorgelegt hat, können die Urheber nichts Positives erwarten. Es sind fast nur Änderungen zu Gunsten von Verwertern und Geräteherstellern beabsichtigt. Ich war in allen elf Arbeitsgruppen für ver.di dabei. Aber deren Ergebnisse sind teilweise völlig ignoriert worden, so beim Paragraf 31 Absatz 4.

«M»: Worum geht es dabei?

WOLFGANG SCHIMMEL: Eine Schutzvorschrift, die Vereinbarungen über unbekannte Nutzungsarten unmöglich macht. Sie hat bisher verhindert, dass Urheber zu einem Buyout auch für solche Nutzungen ihrer Werke gezwungen werden konnten, die bei Vertragsabschluss noch gar nicht bekannt oder gebräuchlich waren wie CD-ROM oder Internet. Nun soll sie gestrichen werden.

Und nicht nur das. Durch eine Übergangsvorschrift sollen diese Rechte rückwirkend ab 1966 an die Verwerter übertragen werden. Das ist eine Enteignung der Urheber per Gesetz, die nicht hinnehmbar ist.

«M»: Was enthält der Referentenentwurf noch?

WOLFGANG SCHIMMEL: Interessant ist auch, was nicht. Nämlich alle Forderungen der Urheberverbände wie Ausstellungsvergütungen, Künstlergemeinschaftsrecht, doppelter Schadenersatz bei Urheberrechtsverletzungen und Regelungen zu elektronischen Pressespiegeln. Geschwächt werden soll außerdem die Rechtsstellung der Filmurheber und der anderen Filmschaffenden.

Besonders gravierend würde sich aber die geplante Neuregelung der Vergütungen auf Geräte und Speichermedien auswirken, also das, was Urheber als Ausgleich für die legale Privatkopie erhalten. Diese Vergütungen sollen an den Preis der Hardware gekoppelt werden. Der ist aber bekanntlich bei allen Geräten und Speichermedien drastisch gefallen und wird das weiter tun. Wenn dies Wirklichkeit würde, bekämen die Urheber vielleicht noch zehn oder zwanzig Prozent der jetzigen Gelder, die über die Verwertungsgesellschaften verteilt werden. Das wäre eine weitere Enteignung der Urheber und muss verhindert werden.

«M»: Wie sind die Chancen dafür?

WOLFGANG SCHIMMEL: Die Urheberverbände sind sich in ihrer Ablehnung einig. Andererseits sind die IT-Industrie und die Verwerter immer noch nicht zufrieden und machen Druck speziell auf Wirtschaftsministerium und Kanzleramt. Da nützt Überzeugungsarbeit nur bedingt. Wie beim Urhebervertragsrecht werden deshalb auch die Betroffenen, also Autoren, Journalistinnen, Fotografen und Künstlerinnen, selbst aktiv werden müssen. Schließlich geht es ja auch um keinen geringen Teil ihrer Einkünfte.

Rüdiger Lühr ist Fachjournalist für Urheber- und Medienrecht und Sprecher der dju-AG Urheberrecht

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