Erster Privatsender der neuen Bundesländer auf dem Weg zum Entertainmentkonzern

Der Private Sächsische Rundfunk (PSR)

„Radio war gestern, heute ist Entertainment“ – auf diese knappe Formel lässt die Entwicklung der PSR-Gruppe bringen, die mit Radio PSR, dem „1. Privaten Sächsischen Rundfunk“ vor acht Jahren als erster privater Hörfunksender in den neuen Bundesländern an den Start ging. Seither hat sich viel getan: mit rund einem Dutzend Unternehmen und Beteiligungen entwickelte sich die PSR-Gruppe zu einem veritablen Entertainmentkonzern.

Als Radio PSR am 1. Juli 1992 um exakt 12 Uhr 55 mit dem Titel „Wer die Rose ehrt“ der (ost)deutschen Klaus-Renft-Combo auf Sendung ging, ahnte wohl nicht einmal Geschäftsführer Erwin Linnenbach, wo das Unternehmen acht Jahre später an der Schwelle zum neuen Jahrtausend stehen würde. Der Sender hat sich ausgebreitet, hat ausgelagert und dazugekauft und will nach eigener Darstellung das „Entertainment-Unternehmen Nummer 1“ in der Region werden. Hörfunkmäßig hat die PSR-Gruppe inzwischen drei Standbeine: Das Flaggschiff Radio PSR sowie den Spartensender oldie.fm und das Digital Radio 1.

Oldie.fm ging aus RadioRopa hervor, dem glücklosen Versuch, einen privaten Nachrichtenkanal zu etablieren. Mit viel Engagement startete im März 1995 in Leipzig die RadioRopa Infowelle Sachsen. Dem rheinland-pfälzischen Muttersender in Daun/Eifel waren von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) lokale Frequenzen in Chemnitz, Dresden und Leipzig zugewiesen worden. Der Anspruch des Senders: Mit viel Information den Hörer durch den Tag begleiten. So wurden zur prime-time vier jeweils fünfminütige Nachrichtenblöcke gesendet, dazwischen gab es Hintergrundberichte. Als in der Mediaanalyse mangels Masse keine Hörerzahlen ausgewiesen werden konnten, wurde auf einfache Erklärungs- und Lösungsmuster zurückgegriffen: Da der hohe Wortanteil „bei den Hörern nicht ankomme“, fuhren die RadioRopa-Macher den Musikanteil immer weiter nach oben, ständig wechselnde Berater brachten permanente Änderungen in der Musikfarbe mit sich. Dieser musikalische Schlingerkurs hatte erst ein Ende, als die Gesellschafteranteile bei RadioRopa von der PSR-Gruppe übernommen wurden. Pikantes am Rande: Die SLM stimmte der Übernahme zwar zu, die Genehmigung beinhaltete aber auch, dass das für RadioRopa lizenzierte, also nachrichten- und informationsorientierte Programm nicht geändert werden dürfe. Wer aber heute oldie.fm einschaltet, hört zwischen den „größten Hits der 60er, 70er und 80er“ davon nicht viel, auch wenn Unternehmenssprecher Peter Zimmermann immer von einem „hohen Wortanteil“ bei oldie.fm spricht. Doch der ist zum Teil nicht einmal bei oldie.fm hausgemacht: So werden beispielsweise die Nachrichten bei „Mütterchen PSR“ produziert. Diese Entwicklung war allerdings, was auch der SLM hätte auffallen müssen, absehbar, als die relativ große Nachrichtenredaktion von RadioRopa beim Eignerwechsel den Bach hinunter ging. Für wenig Wort werden auch nur wenige Mitarbeiter gebraucht.

Komplett wortlos kommt das jüngste Radiokind der PSR-Gruppe aus. Am 1. September ging in Sachsen das mit einer DAB-Lizenz ausgestattete Digital Radio 1 mit einem Mix aus deutschsprachigen Evergreens und den „Welterfolgen der Klassik“ auf Sendung, das auch im Internet zu hören ist.

Radio wird zur Nebensache

Doch Radio scheint bei der PSR-Gruppe sowieso immer weiter in den Hintergrund zu treten. Denn der Konzern ist längst auf anderen Feldern hoch aktiv: Das aus der PSR-Promotionabteilung hervorgegangene Veranstaltungs- und Merchandising-Unternehmen EmiR (Entertainment mit Radio) betreut inzwischen über 300 Veranstaltungen im Jahr, mehr als 60 Prozent davon für Dritte. Über die mir – marketing im radio läuft der Werbezeitenverkauf für Radio PSR, oldie.fm und Radio Energy Sachsen. Die ebenfalls zur PSR-Gruppe gehörende Sächsische Datenrundfunk-Betriebsgesellschaft (SDB) ist die Betreiberin von Digital Radio 1. Mit der FGM – Forschungsgruppe Medien leistet sich der Konzern eine eigene Marktforschung. Beteiligt ist die Gruppe außerdem an RMS, dem größten europäischen Gattungsvermarkter für Hörfunk. Gemeinsam mit Partnern wie dem Berliner Sender r.s.2 und Radio Schleswig-Holstein (R.SH) soll in Berlin youwant.com unter der Geschäftsführung von Ex-r.s.2-Chef Ulrich Gathmann zum größten europäischen Internet-Musikportal ausgebaut werden. Für die Radio-Beteiligungsgesellschaft Eurocast, die zu einem Drittel am polnischen Hit Radio WAWa beteiligt ist, hat die PSR-Gruppe die Geschäftsbesorgung.

Entertainer Nummer 1

Zurzeit ganz oben auf der Tagesordnung steht das Projekt Familien- und Freizeitpark. Über die EmiR ist die PSR-Gruppe an der Event Park GmbH beteiligt, die den größten Familien- und Freizeitpark Ostdeutschlands im Leipziger Südraum aufbauen will. In einem ehemaligen Braunkohlerevier wurde bereits ein rund 100 Hektar großes Gelände gekauft, von dem zunächst 20 Hektar bebaut werden. Bis zum Jahr 2004 sind 70 Millionen Mark an Investitionen eingeplant, bis zum Ende der ersten Ausbaustufe im Jahr 2010 fließen 153 Millionen Mark in den Traum vom Entertainment-Unternehmen Nr. 1. Auch wenn zurzeit eine Klage gegen den geplanten Eventpark läuft, sollen bereits im Frühjahr kommenden Jahres die Bagger auf das Gelände rollen. Vermutungen, hier entstünde ein Ort, an dem Radio „gezeigt“ wird, tritt Erwin Linnenbach entgegen: „Radio gucken ist ziemlich langweilig“, sagte er in einem Interview. Doch sicher gibt es auch noch einen weiteren Grund: Die am Projekt beteiligten Sender r.s.2 und R.SH würden es sich vermutlich nicht gefallen lassen, wenn der Event-Park als Promotionmaschine für die Programme der PSR-Gruppe dienen würde. Deshalb hat Linnenbach als Marschrichtung ausgegeben: Ein Familienpark mit jeder Menge Grün, alle 100 Meter ein unterhaltendes Element sowie eine Veranstaltungsarena. Bei einer kalkulierten Zahl von 700000 Besuchern im Jahr soll der Park nach acht Jahren die Gewinnschwelle erreichen. Über einen Börsengang für die Event- und Park-Töchter hat PSR-Geschäftsführer Erwin Linnenbach zwar schon laut und öffentlich nachgedacht, derzeit sei dies aber „kein Thema“, so Unternehmenssprecher Peter Zimmermann.

Die Zukunft: Internet

In den allgemein als vielversprechend beurteilten Zukunftsmarkt Internet sind die Sachsen mit ihrer Beteiligung an youwant.com bereits eingestiegen. Und auch die Zukunft des Hörfunks liegt nach Meinung von PSR-Geschäftsführer Erwin Linnenbach im Internetbereich. Sein Unternehmenssprecher sagt, dass das Internet den Medienmarkt in Zukunft aufrütteln werde und vergleicht „die Bedeutung des www mit Gutenberg zu seiner Zeit“. Und so wie Gutenberg Massendrucksachen möglich machte, ist Hörfunk im Internet eine Massenveranstaltung: Tausende von Internetradios buhlen um die Gunst der Hörerschaft. Ob und wie die PSRer im Konkurrenzkampf im Netz bestehen können, wird sich zeigen müssen.

 

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