Funk & Fernsehen für alle!

Das zweite rundfunkpolitische Buch von ver.di ist erschienen

Die medienpolitische Entwicklung in Deutschland kann den Gewerkschaften nicht gleichgültig sein. Als Interessenvertretung der Medienschaffenden, als Anwalt und Sprachrohr von Millionen Mitgliedern, als „gesellschaftlich-relevante“ Kraft ist ver.di gefordert, in die medienpolitische Diskussion einzugreifen, Positionen zu erarbeiten, Stellung zu beziehen und sich zu engagieren, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Stütze der Demokratie weder von innen noch außen deformiert und funktionsunfähig gemacht wird.

Innerhalb der EU hat sich in Deutschland in den letzten dreißig Jahren das komplexeste und wohl auch das komplizierteste Mediensystem entwickelt. Musste schon in den 70er und 80er-Jahren eine bedrohliche Pressekonzentration festgestellt werden, so beschleunigte sich die Bildung von großen Medienkonzernen nach Einführung des Privatfunks im Jahre 1984 und nach dem Beitritt der DDR zur BRD im Jahre 1990 zunehmend. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät durch den privat-kommerziellen Mediensektor immer mehr unter Druck. Er sieht sich bei der Umsetzung seines in Rundfunkgesetzen fixierten Programmauftrags mit immer größeren finanziellen, strukturellen und (medien-)politischen Problemen konfrontiert.

Als der Verband Privater Rundfunk und Telemedien/VPRT im April 2003 bei der EU-Kommission einforderte, dass für ARD, ZDF und DLR der Internetausbau blockiert und die Rundfunkgebühr eingefroren wird, als die damaligen Ministerpräsidenten Steinbrück, Milbradt und Stoiber ihr SMS-Papier im November 2003 vorlegten, um eine Destruktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erreichen, als dann im Oktober 2004 der 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine strukturelle Selbstverpflichtung für ARD, ZDF und DLR zur Programm- und Personalreduzierung zum Gesetz machte und die Festlegung der Rundfunkgebührenhöhe der unabhängigen „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“/KEF anzweifelte, war der öffentlich-rechtliche Mediensektor in Deutschland akut gefährdet. ver.di hatte aus diesem Grund im November 2005 sein erstes rundfunkpolitisches Buch herausgegeben. 16 Autor/innen befassten sich sachkundig mit aktuellen Bedrohungen, aber auch internen Fehlentwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. (Alle Artikel aus dem 2005 erschienen Buch „Die bedrohte Instanz“ sind jetzt über „rundfunkfreiheit.de“ als pdf-Dateien abrufbar.)

Sachkundig und engagiert

Seit dem Erscheinen des 1. rundfunkpolitischen Buches von ver.di überschlagen sich die medienpolitischen Ereignisse in Deutschland, genannt seien

  • der Gang von ARD, ZDF und DLR im Frühjahr 2006 nach Karlsruhe, um gegen die von der Politik beschlossene Neuregulierung der Gebührenfestsetzung Beschwerde einzulegen,
  • die (vorläufige) Einstellung des sog. Beihilfeverfahrens der EU-Kommission im April 2007, die mit der Auflage verbunden wurde, im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Verfahrensweisen festzulegen, unter welchen Bedingungen der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland im Internet agieren darf, ohne die wirtschaftlichen Interessen der privat-kommerziellen Internetanbieter zu gefährden,
  • das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11.9.2007, das der Politik hohe Hürden für politisch motivierte Eingriffe in Struktur und Finanzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt, das die Rolle der KEF bei der Ermittlung der erforderlichen Rundfunkgebühren stärkt, das außerdem dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Umsetzung seines Programmauftrags im Internet die Tür weit öffnet,
  • die heftige, noch zu keinem Ergebnis führende, Diskussion über ein neues Rundfunkgebührenmodell,
  • der neu aufflammende Meinungsstreit über die verschiedenen Aspekte und den Wert der Mischfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und last, not least,
  • die Debatte über eine Reform der Rundfunkaufsicht, über die Rolle und Qualifikation der Gremienmitglieder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Diese Entwicklungen waren für ver.di Anlass, nun das 2. rundfunkpolitische Buch herauszugeben. 18 Autor/innen aus Wissenschaft, öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Politik, Publizistik und Gewerkschaft haben mit ihren Beiträgen sachkundig, engagiert und zum Teil auch kontrovers zum aktuellen medienpolitischen Diskurs beigetragen.
Dabei wurde Wert darauf gelegt, nicht nur auf die aktuellen medienpolitischen Vorgänge, Gefährdungen und Perspektiven rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzugehen, sondern auch seine Programmpolitik, seine Strukturen, seine Rolle als Arbeitgeber zu thematisieren.
Auf ein Highlight in diesem Buch sei besonders hingewiesen: Erstmals wird die über 30jährige Geschichte der Frauen- und Gleichstellungsbewegung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dargestellt und die Arbeit eines Netzwerks (bekannt unter dem Namen „Herbsttreffen der Medienfrauen“) gewürdigt, das in Deutschland einmalig ist. Ein wichtiges und informatives Buch für alle ver.di-Mitglieder und darüber hinaus!

Werner Ach ist
Vorsitzender der ver.di-Fachgruppe Medien


Frank Werneke (Hrsg.): Funk und Fernsehen für alle
Für einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk
272 Seiten (2008) – EUR 16.80; sFr 29.50
ISBN 978-3-89965-330-4
AutorInnen: Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender; Frank Werneke, stellv. ver.di-Bundesvorsitzender und Leiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie, Hans J. Kleinsteuber, Universität Hamburg; Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medieninstituts; Martin Stock Universität Bielefeld; Fritz Raff, Intendant des Saarländischen Rundfunks und Vorsitzender der ARD; Monika Piel, Intendantin des WDR; Karin Junker, Mitglied des WDR-Rundfunkrats und der SPD-Medienkommission; Walter Hömberg, Katholische Universität Eichstätt; Markus Schächter, Intendant des ZDF; Christoph Lindenmeyer, Bayerischer Rundfunk; Barbara Thomaß, Ruhr-Universität Bochum; Volker Lilienthal, verantwortlicher Redakteur epd-medien; Anja Arp, freie Journalistin; Angelika Lipp-Krüll, Gleichstellungsbeauftragte des SWR; Ute Mies-Weber, ehem. Gleichstellungsbeauftragte der Deutschen Welle; Walter Oberst, Medienredakteur; Christina Oberst-Hundt, Publizistin; Alex Studthoff, Journalist und Photograf.
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