Radio-Bremen-Gesetz handstreichartig geändert
Manche Politiker sind Wiederholungstäter. Zum zweiten Mal in vier Jahren haben SPD und CDU Radio Bremen zum Spielball ihrer Interessen gemacht. Auf der Strecke blieben diesmal Mitbestimmungsrechte – und die politische Kultur.
„Große Koalition putscht gegen Radio Bremen“, protestierten 1998 die Grünen, als SPD und CDU per Änderung des Radio-Bremen-Gesetzes die Amtszeit des RB-Direktoriums vorzeitig auslaufen ließen. Vor allem der damalige Intendant Karl-Heinz Klostermeier war den Rot-Schwarzen nicht genehm, da er ihrer Meinung nach nicht strikt genug auf Sparkurs ging.
Während 1998 zumindest wochenlang über die Novellierungspläne diskutiert wurde, handelte die Koalition diesmal handstreichartig. An einem Sonntag im Juni setzte sich die CDU im Koalitionsausschuss damit durch, die Mitbestimmung im Sender zu beschneiden, und schon am Donnerstag wurde das RB-Gesetz entsprechend geändert – nicht nur in erster, sondern auch in abschließender zweiter Lesung, ohne jede Ausschussberatung und ohne Anhörung der Betroffenen. Mit der Einschränkung der Mitbestimmung folgte Bremen dem Beispiel von Berlin und Brandenburg: Auch dort sollen (bei der SFB-ORB-Fusion) restriktivere Regeln eingeführt werden, wie sie bereits bei DW und NDR gelten.
Laut Bremer Gesetzesnovelle hat bei allen Streitfällen, die „von Bedeutung für die Erfüllung der Aufgaben der Anstalt“ sind, künftig nicht mehr eine Einigungsstelle das letzte Wort, sondern der Intendant. Er soll damit seine Personalsparpläne leichter durchsetzen können.
Sicher: Die finanzschwache Anstalt muss Kosten senken, da die Politik den ARD-internen Finanzausgleich massiv beschnitten hat. Aber die Neuregelung komme „einer Ermächtigung des Intendanten gleich“, rügt der ver.di-Betriebsverband. Personalratschef Bernd Graul fühlt sich nun „zur Schülervertretung degradiert“.
Zunächst fast unbemerkt verschob die Koalition auch noch die Gewichte im Rundfunkrat: Die Gewerkschaftsseite muss ab 2004 auf drei Sitze verzichten, während die Bremer und Bremerhavener Handelskammern einen hinzu bekommen.
Eingriff in Arbeitnehmerrechte
Einer der Verlierer ist die in ver.di aufgegangene DAG. Ihre Mitglieder sollen künftig durch die zwei DGB-Mandate mit vertreten werden. Auf die Idee, nunmehr ver.di einen Sitz anzubieten, kamen die Politiker nicht. Rausfliegen soll auch die dju: Sie sei ebenfalls in ver.di aufgegangen und müsse daher „nicht mehr gesondert im Rundfunkrat vertreten sein“, meint die Koalition. Dass die dju längst Teil einer DGB-Gewerkschaft (der IG Medien) war und sich insofern nichts Wichtiges geändert hat, blieb der Regierung offenbar verborgen. Mit der gleichen absurden Begründung wurde auch die „Bremer Journalistenvereinigung“ aus dem Rundfunkrat geschasst: Sie sei „im Deutschen Journalistenverband aufgegangen“. In Wirklichkeit gehört der Verein schon ewig zum DJV, und dass er seinen Namen in „DJV-Landesverband“ änderte, ist viele Jahre her. Als schwachen Trost beschloss die Koalition, dass künftig die Landespressekonferenz im Rundfunkrat vertreten ist.
Die dju erfuhr von ihrem Rauswurf nur zufällig, weil ein Journalist dies in den Parlamentsunterlagen entdeckt hatte. dju und ver.di konnten erst nachträglich darüber wettern, dass die Koalition die Schwächung der Gewerkschaftsseite „handstreichartig durchgepeitscht“ habe. Der kommissarische dju-Bundesvorsitzende Manfred Protze ergänzte: „Es widerspricht eklatant den demokratischen Grundregeln, die großen Journalistenorganisationen in einer Bremer Nacht-und-Nebel-Aktion aus diesem Gremium zu kippen.“ Die dju-Vertreterin im Rundfunkrat, Viola Falkenberg, kommentierte: „Was macht man mit lästigen Fragestellern und Mahnern? Abschaffen!“ Und der DJV-Bundesvorstand rügte die Gesetzesänderung als „massiven Eingriff in die Arbeitnehmerrechte und in die Rundfunkfreiheit“. Sogar der RB-Rundfunkrat verabschiedete mit großer Mehrheit eine Resolution „gegen Form und Inhalt“ der Novellierung. Das Verfahren widerspreche „allen demokratischen Gepflogenheiten“. Das neue Gesetz verstärke die politische Einflussnahme auf den Rundfunkrat, befürchtet das Gremium.
Während die Gewerkschafter teilweise über Bord geworfen werden, entern an anderer Stelle die Parteien das Funkhaus: Dank des neuen RB-Gesetzes dürfen sie künftig vor Bundestags- und Europawahlen Werbespots senden. Bisher war Bremen das einzige Land neben Berlin, in dem die Politiker kein Recht auf Wahlwerbung hatten. Der SFB hatte ihnen freiwillig solche Sendungen ermöglicht, RB lehnte dies bislang jedoch ab. Nun ist die letzte Insel der Glückseligen untergegangen.
Eigenbedarf
Während im Sender überall gespart wird, schöpft RB-Intendant Heinz Glässgen seine materiellen Rechte voll aus: Er nutzte einen Kleintransporter der Anstalt für eine private Wochenendfahrt nach Italien. Der 58-Jährige darf Dienstwagen unbeschränkt und unentgeltlich auch privat nutzen; er muss lediglich den geldwerten Vorteil dieser Leistung als Einkommen versteuern. Mit dieser Regelung fährt Glässgen besser als niedersächsische Minister: Die dürfen nur im Inland Dienstwagen kostenlos privat nutzen, wie der Bund der Steuerzahler Niedersachsen / Bremen berichtet. Dessen Sprecher Bernhard Zentgraf hält Glässgens 3.000-Kilometer-Tour für zumindest „schlechten Stil“. Der Intendant dagegen findet nichts dabei: Die Dienstwagenklausel sei eine „ganz übliche Regelung“, und er habe kein schlechtes Gewissen.
stg.