Gib uns unsere Daily Soaps

Wir senden, bis es Euch gefällt. Hat der TV-Autor und Soaper Felix Huby mal gesagt. Selbstverständlich hat er das selbstironisch gesagt, denn er gehört zu den Klugen im Lande. Aber eine entfernt Verwandtschaft mit dem zynischen Ausspruch des Herrn Goebbels, daß eine Lüge, so sie nur oft genug wiederholt wird, zur Wahrheit werde, hat dieses Huby(bon)mot doch. Es ist für gute AutorInnen nicht immer leicht, einen guten Stoff im Fernsehen unterzubringen, und weil sie nicht verhungern wollen, fressen sie Seife und produzieren Daily Soaps, damit Öffentlich-Rechtliche und Private Anstalten Quote kriegen.


Und die kriegen sie, denn es bereitet jungen und alten Leuten kaum etwas so viel Spaß wie banale Handlungen, schlechte oder LaienschauspielerInnen, hirnrissige Gespräche, kulissige Kulissen und tränenseifige Beziehungskisten. Sie alle lassen sich bereitwillig einseifen, denn so ist ihr Leben, und so nehmen sie es wahr, und wenn sie es dann auch noch im Fernsehen sehen, ist es tatsächlich wahr.

Das Leben spielt sich auf einem Marienhof ab. Da gibt es gute Zeiten, schlechte Zeiten, aber da wir die Schule am See besucht haben, gehören wir zur Strandclique und schaffen es auch gegen den Wind. Im übrigen sind wir nicht von schlechten Eltern, kennen uns im Großstadtrevier aus, sind einer verbotenen Liebe nicht abgeneigt, spielen am Freitag Herzblatt, und wenn uns mal nicht gut ist, gehen wir zu Dr. Sommerfeld vom Bülowbogen. So ist das Leben, und so soll es auch sein. Wie sollen wir sonst mit ihm fertig werden?

Die Daily Soap ist nicht das tägliche Brot vom Vater unser, sondern von Konsumgüterindustrie und Werbung. Im Anfang war die Daily Soap noch gar keine. Es gab lediglich den US-Seifenkonzern Procter und Gamble. In dessen Werbeabteilung zerbrachen sich pfiffige Marketingleute die Köpfe, wie sie die soapigen Produkte des Konzerns besser an den Mann, hauptsächlich aber an die Frau bringen könnten. Und sie erfanden kleine, banale Hörspielchen, die sie den Radiostationen kostenlos zur Verfügung stellten. Die einzige Bedingung war, daß sie innerhalb dieser kleinen und banalen Hörspielchen ebenfalls kostenlos für die Seifen des Soapkonzerns Procter und Gamble werben durften. Seitdem heißen die blödsinnigen Dingerchen Soap Operas, Seifenopern. Später befielen sie noch das Fernsehen, und über Australien und Neuseeland machten sie sich dann auch als Daily Soaps, als tägliche Seifenopern, breit.

Der Befall hat allen gut getan: Die Konsumgüterhersteller und die werbende Industrie können sich hemmungslos austoben. Die Popmusik ist aus den aktuellen Charts. Die Drinks sind immer gerade in. Die Klamotten trägt man derzeit. Die Sprache ist auch total today. Die Frisuren sind von den letzten Champions der geschmackvollen Verstümmelung. Sport ist der schon von übermorgen, und überhaupt ist der gesamte Lifestyle so formatiert wie das Umfeld mit den Werbespots. Diese Spots lassen sich die Anstalten gut bezahlen. Da die SchauspielerInnen schlecht sind, werden sie auch schlecht bezahlt. Die Kulissen sind eng und billig und werden unbekümmert bis zur Neige bespielt, denn irgendwie ist kaputt ganz schön geil. Platz gibt es oft nur für eine Kamera, deren einzige Bewegung ein Zoom ist. Auch das spart Kosten. Jedenfalls kommt unter dem Strich für die Fernsehanstalten soviel Kohle raus, daß sie auf keinen Fall auf die Daily Soaps verzichten wollen. Und wenn den ein oder anderen Programmverantwortlichen das öffentlich rechtliche Gewissen plagen sollte, beruhigt er es mit einem Hubymot: „Soaps zu gucken ist wie bei McDonald’s zu essen, keiner mag es, aber trotzdem ist es dort immer ganz voll.“

Außerdem ist völlig ausgeschlossen, daß irgendjemand das Leben in den Daily Soaps mit dem wirklichen Leben verwechseln könnte. Auch die jahrelange Gewöhnung an das Soapleben macht aus dem Leben selbst noch keine Seife. Alle wissen, daß im wirklichen Leben geschwitzt wird, daß da nicht nur Samstagvormittag ist, daß nicht alle Erwachsene als Selbständige arbeiten und mit Mode, Kunst oder Werbung zu tun haben. Der Umgang der formatiert hippen Generation mit Daily Soaps ist ein ganz gelassener. Über die Schauspieler/-Innen können sie nur lachen: „Die spielen so schön blöd.“ Und wenn ein Töchterlein mit seinem Vater in ein Café geht und feststellt, daß die Leute, die da sitzen, alle wie aus „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ (sie sagt natürlich GZSZ) aussehen, dann ist das Ausdruck einer überlegenen Distanzierung. Sie kennt den Namen des Giftes, also bringt es sie nicht mehr um. Und der Vorwurf, der alltägliche Alltag, die soziale Schieflage, das schmutzige Milieu und die elende Arbeitslosigkeit würden aus den Daily Soaps schon im Vorwaschgang so gründlich weggeseift, daß Gesellschaft gar nicht mehr vorkommt, ist unhaltbar. Auf dem Marienhof gibt es nicht nur Liebesseife und Seelenschmerzsoap, auf dem Marienhof, der ein öffentlich rechtlicher ist, hat die Seife auch ein Herz für Crack, Homosexualität, Obdachlosigkeit und Alkoholismus. Mag sein, daß die tägliche Seife in diesem Falle den Geschmack eines Feigenblattes hat, aber besser ein Feigenblatt als gar nichts davor.

Unsere tägliche Soap gib uns heute. Wir wissen, daß Soap die Fortsetzung von Talk ist. In der Talkshow drängen sich häßliche Menschen mit ihren häßlichen Schwierigkeiten einem scheißfreundlichen Talkmeister oder einer rotzfrechen Talkmeisterin auf. In den Soaps meistern seifenschöne Menschen ganz allein, ohne irgendeine altmodische Solidarität von außen, selbstbewußt wie Seife im Meister-Propper-Bad, ohne eine altertümlich riechende soziale Gerechtigkeit, unabhängig und unternehmerisch wie Soap on the Rocks, die Schwierigkeiten des wirklichen Lebens gerade so, als ob es eine Daily Soap wäre. Und so muß es auch sein, mögen an Seife sparende LehrerInnen noch so mit dürrem Finger dräun. Wir haben alles im Griff, auch die flutschigste Seife. Life is Soap and Soap is Life. Gib uns unsere Daily Soap. Das ist das Programm für die Zukunft. Und eine Partei, die ein solches Programm hat, die wählen wir JungwählerInnen. Wir haben es im Saarland gezeigt, wir haben es in Brandenburg gezeigt. Es gefällt uns längst, was Ihr sendet. An unseren Seifen werdet Ihr uns erkennen. 

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