Internet-Spielraum von ARD und ZDF mit Staatsvertrag eingeschränkt
Das monatelange Sperrfeuer der Verleger zeigte Wirkung: Die Ministerpräsidenten wollen ARD und ZDF im Internet engere Grenzen setzen.
Sollten die von der Rundfunkkommission der Länder Mitte Juni bekannt gegebenen Eckpunkte für den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag tatsächlich umgesetzt werden, verfügen ARD und ZDF künftig im Internet über einen in wichtigen Punkten eingeschränkten Spielraum.
Das gilt vor allem für das Verbot einer „elektronischen Presse“. Als „presseähnliches Angebot“, so die Neudefinition, gelten „nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen und Zeitschriften entsprechen“. Dieser von den CDU-Ländern eingebrachte Vorschlag traf auf die Zustimmung der Länderchefs und wurde ebenso beschlossen wie die Unzulässigkeit „nicht sendungsbezogener presseähnlicher Angebote“. Ob damit Online-Archive oder Hintergrunddossiers zu Schwerpunkthemen – etwa bei Themenwochen der öffentlich-rechtlichen Anstalten – künftig nicht mehr möglich sind, muss die Praxis weisen.
Mit einer Ausnahme dürfen ARD und ZDF künftig ihre Inhalte aus den Bereichen Information, Bildung und Kultur – sofern sendungsbezogen – sieben Tage lang zum Abruf ins Internet stellen. Für Großsportereignisse wie Olympische Spiele, Fußball-WM und -EM sowie die Übertragungen aus den beiden Fußball-Profiligen gilt: 24 Stunden Abruf im Internet, anschließend nur als kommerzielles Angebot gegen Entgelt bei gleichzeitiger Aufhebung des Werbeverbots im Onlinebereich. Für alle anderen Sportereignisse soll diese Erlaubnis sieben Tage lang gelten wie bei anderen Abrufangeboten in den Bereichen Information, Bildung und Kultur auch. Eine Übertragung darüber hinaus soll nach dem Drei-Stufen-Test zulässig sein.
ARD und ZDF haben ein entsprechendes Verfahren entwickelt, mit dem die Gemeinwohlorientierung (= public value) ihrer neuen digitalen Angebote überprüft werden soll. Auf der ersten Ebene dieses Tests kontrollieren die Sendergremien, ob diese Angebote Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags sind. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob neue Online-Angebote oder digitale Kanäle von ARD/ZDF den publizistischen Wettbewerb bereichern, ohne andere Anbieter vom Markt zu verdrängen. Auf der dritten Stufe wird sich mit der angemessenen Finanzierung befasst.
Streit um Unterhaltungsangebote
Keine Einigung erzielten die Länder in der Frage, ob ARD und ZDF auch Unterhaltungsangebote im Internet machen dürfen. Die CDU-Länder wollten allenfalls einen Sieben-Tage-Abruf sendungsbezogener Inhalte zulassen. Auch der Vorschlag der CDU-Länder Baden-Württemberg und Thüringen, für Kinderprogramme Ausnahmen zuzulassen, wurde abgeschmettert. Die SPD-Länder dagegen vertraten die Auffassung, für Unterhaltung müssten dieselben Spielregeln gelten wie für die anderen Bereiche: Sieben-Tage-Abruf plus Drei-Stufen-Test. Es gebe keinen Grund, wieso man den verfassungsrechtlich abgesicherten Rundfunkauftrag an diesem Punkt verkürzen solle.
Eine umfangreiche Negativliste schreibt vor, was für die öffentlich-rechtlichen Anstalten künftig im Netz tabu ist, um alle kommerziellen Schlupflöcher für ARD und ZDF verbindlich zu schließen. Dazu zählen Anzeigenportale, Branchenregister, Preisvergleichsportale, Partner- Kontakt-, Stellung- und Tauschbörsen, Verlinkungen ohne redaktionellen Bezug sowie Foto-, Musik- und Spieledownloads.
Die finanzielle Deckelung für die Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Anstalten – bisher lag sie bei 0,75 Prozent der Gebühreneinnahmen – wird aufgehoben. Im Gegenzug sicherten die Sender eine freiwillige Selbstbeschränkung zu. Für die bereits existierenden, bei Privatfunkern und Verlegerverbänden umstrittenen Mediatheken von ARD und ZDF bleibt es bei dem bereits mit der EU-Kommission und mit den Sendern vereinbarten Verfahren. Sobald ein unterschriftsreifer Staatsvertragsentwurf vorliege, würden die Sender ihre Angebote an die ausgehandelten Regeln anpassen, erläuterte Martin Stadelmaier, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei. Nach Abstimmung mit der EU-Kommission und weiteren Konsultationen mit Verlegern und Sendern soll der Rundfunkstaatsvertrag im Oktober von den Länderchefs unterzeichnet und nach Ratifizierung durch die Länder im Mai 2009 in Kraft treten.
Was Stadelmaier als „abgewogenen und klugen Kompromiss“ bezeichnet, wird von vielen Medienexperten eher als Rückschlag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesehen. Ver.di-Vizechef Frank Werneke warnte vor einer „Überregulierung, die das Gegenteil von Rechtssicherheit für Redaktionen und Rundfunkgremien bewirken wird“. Vor der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz hatten sich der Deutsche Kulturrat, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der DGB auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen eine Beschneidung der Online-Angebote von ARD und ZDF ausgesprochen. „Wer den Sendern bei den digitalen Medien Fußfesseln anlegt, untergräbt die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen insgesamt – gerade bei jungen Menschen“, kritisierte Gerd Billen, Vorstand des BV Verbraucherzentralen. Es könne nicht sein, „dass aus rein ökonomischen Überlegungen privater Medienveranstalter die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Informationsauftrag nicht mehr nachkommen können sollen“, so DGB-Chef Michael Sommer. Wie angesichts des Kampagnenjournalismus der Verleger nicht anders zu erwarten, fanden diese Äußerungen in den Medien nur ein äußerst bescheidenes Echo.