Jeder mit jedem – aber nicht mit allen!

Zur bevorstehenden Gründung der Bild.de/T-Online AG

Das Fusionskarussell dreht sich wieder. Der Axel Springer Verlag und die Telekom wollen im Internet gemeinsame Sache machen. Unter dem Namen Bild.de-T-Online AG bereiten beide ein gemeinsames „News- und Entertainment-Portal“ im Netz vor. Um der Konkurrenz, wie es heißt, mit neuen Geschäftsmodellen zu zeigen, dass man im Internet richtig Geld verdienen kann.

Dafür will T-online 37 Prozent des in Gründung befindlichen News- und Entertainment-Portals Bild.de erwerben. „Bild“ und T-Online – dieses Bündnis dürfte – was die reinen Nutzerzahlen angeht – kaum zu toppen sein. Wenn es denn vor den kritischen Augen der Wettbewerbshüter Gnade findet.

Noch ist es eine Absichtserklärung. Aber schon in den nächsten Wochen soll das Bündnis von Europas größtem Zeitungshaus und Deutschlands größtem Internet-Provider Gestalt annehmen. Man wolle mit diesem Angebot neue Zielgruppen ins Internet führen, sagt Mathias Döpfner, der neue starke Mann bei Springer und im Vorstand zuständig für die Bereiche Zeitungen und Multimedia, zu den ehrgeizigen Zielen dieser Elefantenhochzeit. Das Potenzial dafür ist da. Döpfner: „Wir wollen den 14,2 Millionen T-Online-Kunden, den mehr als 11 Millionen Bild-Lesern und allen anderen Interessierten ein Inhalte-Angebot machen, das in seiner Tiefe und Breite dazu führt, dass möglichst viele Kunden sagen: ‚Bild‘ – mehr braucht man nicht.“

Bei Springer ist die Euphorie über diesen Coup groß. Denn die Bemühungen der „Bild“-Online-Redaktion, den Netz-Auftritt des Boulevardblattes ebenso erfolgreich zu gestalten wie die Print-Ausgabe, waren bislang wenig überzeugend. 80 Prozent der „Bild“-Leser sind bis heute noch Netzmuffel. Das werde sich bald ändern, gibt sich Döpfner siegessicher: „,Bild‘ ist im Printgeschäft unser Flaggschiff, im Multimediageschäft soll bild.t-online.de unsere Lokomotive werden.“

„Bild“-Leser ran ans Netz

Eine Lokomotive, die viele Waggons ziehen kann: etwa die Motorplattform „Auto-Bild“, das Frauen- und Shopping-Portal „Sheego.com“, den Veranstaltungsservice „Quivive“, ein Promi-Chat-Programm, außerdem Spiele-, Reise- und Erotikkanäle. Rund ein Dutzend verschiedene Themen-Channels sollen in dem mehrfach angekündigten, aber immer wieder verschobenen Infotainment-Portal Springers gebündelt werden.

Sitz des Unternehmens, das nach Angaben Döpfners „betriebswirtschaftlich eigenständig“ sein soll und Mitarbeiter „im dreistelligen Zahlenbereich“ beschäftigen werde, wird Berlin. Roland Tetzlaff, gegenwärtig Managing Director bei Bild.de, soll in dem neuen Unternehmen eine vergleichbare Funk-tion einnehmen. Ex-„Bild“-Chefredakteur Udo Röbel, seit Jahresbeginn Chefredakteur bei bild.de, ist für die inhaltliche Gestaltung verantwortlich.

Bei bild.de in Hamburg sind noch keine Details bekannt. Dass im Sommer der Umzug der zur Zeit rund 80köpfigen Online-Redaktion nach Berlin stattfindet, steht seit einiger Zeit fest. Umso mehr wird jetzt aus gewerkschaftlicher Sicht gefordert, dass die Geschäftsführung des zu gründenden Unternehmens möglichst rasch über eine entsprechende Betriebsvereinbarung verhandelt. Schließlich, so die Begründung, könne man von keinem Mitarbeiter verlangen, sich für Berlin zu entscheiden, wenn er nicht wisse, was ihn an dem neuen Standort erwarte.

Auch die Telekom erhofft sich von dem Bündnis der beiden Branchenriesen jede Menge Vorteile. Denn die Marktführerschaft von T-Online als Internet-Provider reichte bislang nicht aus, die Nutzer auch für die eigenen, eher dünnen Inhalte zu begeistern. Im Angebot des Wettbewerbers AOL, dies ärgert die Telekom seit langem, tummeln sich die Nutzer wesentlich länger. Hier sollen künftig die Gewichte verschoben werden, dank Bild.de. Thomas Holtrup, Vorstandsvorsitzender von T-Online International, kündigte an, man werde in Kürze die gesamten Internet-Aktivitäten von Bild.de als „bild.t-online.de“ in das Portalnetz von T-Online integrieren. Zudem wolle man gemeinsam „neue und innovative Angebote entwickeln“. Über die Art dieser Angebote, die Höhe der geplanten Investitionen und den genauen Starttermin haben die Beteiligten sich noch nicht geäußert. Holtrop ließ durchblicken, dass die Nutzer künftig eventuell mit Gebühren rechnen müssten. T-Online werde Anfang des Jahres 2002 neue Geschäftsmodelle wie Subskription oder Pay-per-use vorstellen. Ob auch das Angebot von Bild.de/T-Online in diese Modelle einbezogen werde, sei jedoch noch nicht entschieden. „Wir werden in Zukunft stärker differenzieren“, sagte Holtrop. „Unsere Kunden werden den Mehrwert dieser Angebote erkennen, erleben und honorieren.“

Inhaltliche Arbeitsteilung mit dem ZDF

Telekom-Chef Ron Sommer sieht das joint venture mit Springer als weiteren Baustein in seiner Strategie, die Tochter T-Online in ein Internet-Medienhaus zu verwandeln. Erst vor wenigen Wochen hatte Sommer eine Kooperation mit dem ZDF bekannt gegeben. Unter der Adresse heute.t-online.de sollen die Mainzer ab August ein informationsorientiertes, werbefreies Angebot beisteuern. Das ZDF also als Provider für Seriöses, Springer als Spezialist fürs Bunte? Genauso soll die Arbeitsteilung funktionieren, bestätigt der Telekom-Chef. Das heute-Portal soll demnach aktuelle Nachrichten auf hohem journalistischen Niveau präsentieren. Das gemeinsame Angebot mit BILD.de wird dagegen einen klaren Schwerpunkt auf Entertainment-Angebote legen.

Für die Wettbewerber könnten harte Zeiten anbrechen. Denn die neuen Bündnisse tragen exklusiven Charakter. Andere Verlagshäuser sind von ähnlichen Deals mit der Telekom ebenso ausgeschlossen wie etwa die ARD. Zwar versichert ARD-Vorsitzender Fritz Pleitgen, die ARD müsse keine Konkurrenz scheuen. Aber an der Marktmacht des neuen Portals wird kaum ein Wettbewerber vorbeikommen. Daher dürften sich auch die deutschen und europäischen Kartellwächter noch mit dieser geplanten Kooperation beschäftigen.

Andererseits stehen die wirtschaftlichen Zeichen nicht gerade günstig für Unternehmen der „new economy“. Seitdem der Branchenprimus AOL Time Warner Anfang des Jahres Massenentlassungen bekannt gab, häufen sich die Hiobsbotschaften. Eben erst hat der Spiegel Verlag sein „Portal 100“ geschlossen und zum partiellen Rückzug aus dem Internet geblasen. Auch in dieser Tochter der SpiegelNet AG sollten, wie jetzt beim Megabündnis Springer/Telekom, E-Commerce und Inhalte verzahnt werden. Aber „trotz intensiver Verhandlungen mit potenziellen Plattform- und Contentpartner ist es uns nicht gelungen, wirtschaftlich tragbare Verträge abzuschließen“, hieß es dazu aus dem Vorstand der SpiegelNet AG. Umso gespannter wartet die Branche jetzt auf die vom Tandem Springer-Telekom angekündigten „neuen Erlösmodelle“ im Internet. Auch medienpolitisch ergeben sich interessante Fragen. Schließlich verfügt der Bund nach wie vor über die Mehrheit der Telekom-Aktien. Wie unabhängig wird etwa Bild.de/t-online angesichts dieser Konstellation künftig über mögliche Affären der rot-grünen Bundesregierung berichten können?

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Mediatheken löschen ihre Inhalte

In Zeiten von Video-on-demand, Streaming und Mediatheken haben sich Sehgewohnheiten verändert. Zuschauer*innen  gucken wie selbstverständlich Filme, Serien, Dokus oder Nachrichten online. Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender pflegen daher inzwischen umfangreiche Mediatheken. Sendung verpasst? In den Online-Videotheken der TV-Anstalten gibt es nahezu alle Medieninhalte, um sie zu einem passenden Zeitpunkt anzuschauen, anzuhören oder nachzulesen. Irgendwann werden sie dann aber gelöscht.
mehr »