Juristischer Lobbyismus

Verwerter: Wenn wer nicht weiter weiß, argumentiert er mit Verfassungswidrigkeit

Auch auf juristischem Feld versuchen die Verwerterverbände Front gegen die Reform des Urhebervertragsrecht zu machen. Nachdem ihr kläglicher „Alternativvorschlag der Medienwirtschaft“ (siehe M 5/2001) niemand außerhalb der eigenen Reihen hinterm Ofen hervorzulocken vermochte, wurden am 5. Oktober drei Rechtsgutachten vorgelegt. Sie sollen belegen, dass der Gesetzentwurf gegen das Grundgesetz verstößt und außerdem im Widerspruch zum europäischen Wettbewerbsrecht steht.

Letzteres bemühte sich der Mainzer Professor Dr. Dieter Dörr über einige Winkelzüge aus dem EG-Vertrag abzuleiten, indem er Urheberorganisationen zu Kartellen mutieren ließ, die durch „kollektive Einflussnahme“ die „Preisbildungsfreiheit der Unternehmen“ verhindern würden. Die Nachfrage, „Und was ist mit der Buchpreisbindung?“, brachte konsequenterweise weniger ihn als Börsenverein-Justiziar Christian Sprang in Rage.

Redlich bemühte sich auch Hauptgutachter Professor Dr. Georgios Gounalakis von der Universität Marburg darzulegen, dass der Gesetzentwurf „die verfassungsrechtlich garantierte Vertragsfreiheit der Parteien verletzt“, weil er den Vertragsparteien weitgehend das Recht nehme, die Höhe der Vergütung für die Nutzung eines urheberrechtlichen Werks individuell zu bestimmen. Tausende Journalisten, Autoren und Künstler werden ihm dankbar sein, dass er ihr Recht verteidigt, auch in Zukunft ihnen vorgelegte Buy-Out-Verträge aller Rechte weiterhin individuell unterschreiben zu dürfen – oder eben auf den Auftrag zu verzichten.

Immerhin machte Gounalakis den interessanten Vorschlag, die gerichtliche AGB-Kontrolle für Urheberrechtsverträge insofern auszuweiten, dass „der Grundsatz, dass der Urheber angemessen am wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist“, berücksichtigt werden muss. Dass BDZV-Vertreter Fuhrmann diese Idee sogleich unterstützte, ließ Hoffnung aufkeimen.

Doch der Rückpfiff kam alsbald. Auf die Frage, ob sich der Zeitungsverlegerverband denn folglich von all seinen Mitgliedsunternehmen distanzieren würde, die derzeit durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von ihren freien Autoren sämtliche Nutzungsrechte ohne zusätzliches Honorar verlangen, antwortete BDZV-Hausjurist Stephan Ory aufbrausend: „Das ist rechtens und wirtschaftlich sinnvoll.“


Dr. Stephan Ory, Rechtsanwalt (für den BDZV), auf der Münchner Veranstaltung:

„Zwangsregelungen – Die Ansprüche aus dem Gesetz sind für die Verleger nicht kalkulierbar.“


Auch Arbeitsrechtler Professor Dr. Meinhard Heinze von der Uni Bonn machte verfassungsrechtliche Bedenken am Gesetzentwurf geltend. Sie begründen sich im wesentlichen aber nur auf einige nachlässige Formulierung im Entwurfstext, die im Gesetzgebungsverfahren – auch im Interesse der Urheber – beseitigt werden müssten.

So steht im Entwurf bishernur, dass eine angemessene Vergütung durch Tarifverträge für Arbeitnehmer (es fehlen: Arbeitnehmerähnliche) festgelegt werden kann und dass diese Tarifregelungen Vorrang gegenüber anderen „gemeinsamen Vergütungsregeln“ haben. Ausgeführt werden muss aber weiterhin, dass Regelungen in Tarifverträgen natürlich nicht durch ein Schiedsverfahren verändert werden können. Dies wäre tatsächlich ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie.

Ein hilfreicher Hinweis wie auch Gounalakis‘ Anregung, das AGB-Gesetz auf urheberrechtliche Nutzungsrechte auszuweiten. Die IG Medien forderte dies bereits vor Jahren. Ansonsten sind die drei Rechtsgutachten übliche Lobbyarbeit und belegen vor allem eines: Dass Juristen alles begründen können – wenn sie denn dafür angemessen vergütet werden.

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