Vorschlag der „Medienwirtschaft“
Unternehmen oder Unternehmer melden sich gern als „die Wirtschaft“ zu Wort und geben so ihren Forderungen oder Vorschlägen den Anschein, vom gesamtwirtschaftlichen Interesse getragen zu sein. Das ist quasi Gewohnheitsrecht geworden. Deshalb fällt die Arroganz dieser Vertreter des Kapitals, das bekanntlich ohne Arbeit nichts erwirtschaftet, kaum mehr auf.
So ist das auch in den Medien und mit dem „Vorschlag aus der Medienwirtschaft für ein Urhebervertragsrecht“, den BDZV, VDZ, Börsenverein, VPRT, APR, ARD und ZDF am 10. April vorgelegt haben: Er stammt von denen, die ohne die Arbeit von Urhebern und ausübenden Künstlern nur Schwarzblende senden oder Adressbücher drucken könnten. Dass sich auch ARD und ZDF dieser „Wirtschaft“ zugesellen, macht den Auftritt allerdings ein wenig skurril.
Zu „rechtfertigen“ sind nach Auffassung von Verlegern, Privatfunkern, ARD und ZDF „lediglich punktuelle Korrekturen des Urhebervertragsrechts“, weil es um nur „wenige kritische Einzelfälle“ gehe und „die wirtschaftliche Lage der Urheber keinesfalls negativ“ sei – was immer das heißen soll. Dementsprechend dürftig sind die Vorschläge von Verwerterverbänden und Sendeanstalten.
Eine Verbesserung wollen sie Urhebern und ausübenden Künstlern nur beim „Bestsellerparagraphen“ (§ 36 UrhG) zugestehen: Eine nachträgliche Vertragsänderung soll möglich sein, wenn ein „auffälliges“ – statt „grobes“ – Missverhältnis zwischen Urhebervergütung und Erträgen des Verwerters besteht; das soll – anders als nach der Rechtsprechung zum bisherigen § 36 UrhG – auch dann gelten, wenn diese Schieflage nicht unerwartet eingetreten ist, sondern der Vertrag von Anfang an mies war. Diese Chance, Verträge nachzubessern, wollen die Verwerter auch den Film-Urhebern (Hauptregisseur, Autoren von Drehbuch und Dialogen, Komponisten der Filmmusik) zugestehen, nicht aber den ausübenden Künstlern. Die kurze Verjährungsfrist für die Durchsetzung des Anspruchs soll von zwei auf drei Jahre angehoben werden. Klagen soll der Urheber auch an seinem Wohnsitz können.
Das war es im Wesentlichen schon, der Rest der Vorschläge ist Talmi: eine banale Ergänzung in § 11 UrhG, dass das Urheberrecht auch dazu „dient“, eine angemessene Vergütung zu sichern, und ein neuer § 36 a zu „gemeinsamen Verbandsempfehlungen“, die natürlich „unverbindlich“ bleiben müssen, sich also nicht von den bisherigen Mittelstandsempfehlungen unterscheiden.
Es fehlt natürlich der im „Professorenentwurf“ vom 22. Mai 2000 vorgesehene gesetzliche Anspruch auf eine angemessene Vergütung, es fehlt auch die Möglichkeit, Vergütungen und andere Vertragsbedingungen in Gesamtverträgen zu festzulegen. So etwas sei ein „vermeidbarer Standortnachteil“, meinen die Verleger von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern sowie die gebühren- oder werbefinanzierten Rundfunkbetreiber. Dass solche Regelungen dazu führen könnten, „die wirtschaftliche Lage der Urheber“ ein wenig besser als bloß „keinesfalls negativ“ zu gestalten – das interessiert die Medienwirtschaft sichtlich nicht.
Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt – die „Medienwirtschaft“ denkt anders. Sie will auch für sich den Schutz eines verbesserten §-36- UrhG. Sollte also – ein frei erfundenes Beispiel – das ZDF beim Verkauf von Filmrechten an Leo Kirch über den Tisch gezogen worden sein (wie beim Einkauf vorgeblicher Rechte an Ballspielen), dann könnte es Vertragsanpassung nach dem neuen Bestsellerparagraphen verlangen. Die „Medienwirtschaft“ will aber vor allem in Zukunft den Urhebern und ausübenden Künstlern auch die Rechte abnehmen dürfen, von denen diese noch keine Ahnung haben: „Die Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten sowie Verpflichtung hierzu sind wirksam“, soll nach den Vorstellungen von BDZV & Co künftig § 31 Absatz 4 UrhG lauten; heute steht dort das genaue Gegenteil zum Schutz der schöpferisch Tätigen.
Bleibt zu hoffen, dass sich Bundesregierung und Bundestag von diesem Vorschlag, der keine substanziellen Verbesserungen für Urheber und ausübende Künstler enthält, nicht verwirren lassen.