Neue Informationsfreiheitsgesetze mit vielen Tücken
Es sollte einen entscheidenden Kulturwandel für die deutsche Verwaltung bringen: Das Prinzip der Informationsfreiheit macht die Öffentlichkeit von Behördeninformationen zum Regelfall und die Geheimhaltung zur begründungspflichtigen Ausnahme. Seit Verabschiedung des Bundesgesetzes vor drei Jahren sind neue Landesregelungen hinzu gekommen wie jüngst in Rheinland-Pfalz. Doch die Gesetze haben viele Tücken.
Die Liste der journalistischen Geschichten, die auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zurück gehen, ist eindrucksvoll: Sie reicht von der Überlebensrate bei Herzoperationen, aufgeschlüsselt nach einzelnen Krankenhäusern, über die Ergebnisse der Sicherheitsüberprüfungen bei Kernkraftwerken bis zur Steuerbefreiung, die Ryanair in einzelnen Kommunen genießt. Der Haken an der Erfolgsbilanz ist nur, dass sie sich nicht auf das deutsche Gesetz bezieht, sondern auf sein britisches Gegenstück. „Jeden Tag gibt es Artikel in den Zeitungen, die mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes recherchiert wurden“, berichtete Richard Thomas, der britische Ombudsmann für den Freedom of Information Act, im November auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit in Berlin. Sein deutscher Kollege Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, kann zwar auch einzelne Erfolge vermelden. Aber die Bilanz in der Bundesrepublik fällt nach den ersten drei Jahren deutlich nüchterner aus: Nur bei wenigen journalistischen Nachforschungen gelang dank des Transparenzgesetzes der Durchbruch.
So dokumentierte der Stern-Reporter Hans-Martin Tillack mit Hilfe des IFG die Sponsoringpraxis in deutschen Bundesministerien. Zusammen mit der freien Journalistin Brigitte Alfter schrieb Tillack später über die Spitzenempfänger von Agrarsubventionen in Nordrhein-Westfalen. Die Enthüllung, dass der Energiekonzern RWE Agrarsubventionen für die Renaturierung von Braunkohletagebauen einstreicht, geht somit auch auf das neue Rechtsprinzip zurück. Doch eine Welle von journalistischen IFG-Recherchen ist ebenso ausgeblieben wie eine Antragsflut allgemein. „Einen Tsunami“, hatte der britische Ombudsmann seinem deutschen Kollegen angekündigt, denn im Vereinigten Königreich gab es in den ersten vier Jahren über 300.000 Auskunftsbegehren. Dagegen nimmt sich die deutsche Bilanz von 2.278 Anträgen auf Bundesebene im Jahr 2006 höchst bescheiden aus. 2007 ging diese Zahl dann auf 1.265 zurück, was Peter Schaar damit erklärt, dass viele potenzielle Antragsteller offenbar ihr Anliegen gleich bei Inkrafttreten vorgebracht haben, so dass der Rückgang im zweiten Jahr nicht überraschend sei. Für diese Hypothese spricht, dass im ersten Halbjahr 2008 mit 582 Anträgen etwa das Niveau im gleichen Zeitraum des Vorjahres erreicht wurde.
Zu viele Ausnahmeklauseln
Der große zahlenmäßige Unterschied zu Großbritannien geht zum einen darauf zurück, dass es in Deutschland auch andere rechtliche Wege gibt, um an Behördeninformationen zu kommen. Journalisten ziehen in der Regel den Informationsanspruch nach den Landespressegesetzen vor, weil sie damit besser vertraut sind und keine Kosten haben. Bürger nutzen oft das Akteneinsichtsrecht, das ihnen nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz immer dann zusteht, wenn ihre eigenen Belange betroffen sind. Ferner räumt Schaar ein, dass die breite Öffentlichkeit das IFG gar nicht kennt, es also schon aus diesem Grund nicht nutzen kann. Und schließlich wirken die Erfahrungen derjenigen, die Anträge gestellt haben, wenig ermutigend. Der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit beklagt die vielen Ausnahmeklauseln im Gesetz, das zudem von der Verwaltung höchst restriktiv ausgelegt werde. „Ich habe den Eindruck, dass die Kreativität der Verwaltung, was die Ausnahmen angeht, recht ausgeprägt ist“, fasst er seine Erfahrungen zusammen. So würden neue Ausnahmetatbestände in das Gesetz hinein interpretiert, etwa der Schutz des „Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“, den manche Behördenmitarbeiter so weit ausdehnen möchten, dass jegliche Information, die die Regierung betrifft, unter Verschluss bleiben müsste.
Leider hat das schwache Bundesgesetz als Präzedenzfall für die meisten nachfolgenden Landesregelungen gewirkt. Mittlerweile haben elf Bundesländer ein eigenes IFG verabschiedet. Im Jahr 2008 sind Sachsen-Anhalt und zuletzt Rheinland-Pfalz hinzu gekommen. In Mainz, wo die Bestimmungen zum Januar 2009 in Kraft treten, hat die SPD-Landesregierung ein Gesetz mit Ausnahmebestimmungen durchgebracht, die noch über das stark kritisierte Bundes-IFG hinausgehen. Außerdem wurde in Rheinland-Pfalz darauf verzichtet, den Datenschutzbeauftragten nach bewährtem Muster auch mit IFG-Belangen zu betrauen – ein Manko, das ansonsten nur die unter CDU-Federführung entstandenen Landesgesetze in Hamburg und Thüringen aufweisen. Offensichtlich war die Landesregierung von Rheinland-Pfalz stärker an einem Alibi-Gesetz denn an echter Transparenz interessiert. Selbst die Expertenanhörung im Landtag geriet zur Farce. Die Abgeordneten waren offensichtlich mit der Materie derart überfordert oder so wenig an ihr interessiert, dass während der Anhörung nicht eine Frage gestellt wurde.
Dass es auch anders geht, zeigt momentan Hamburg, wo die Grünen ihre Regierungsbeteiligung genutzt haben, um das rückschrittliche Landes-IFG aus der Zeit der CDU-Alleinregierung entscheidend zu reformieren. Auf einen solchen Schritt nach vorne baut für die Bundesebene auch Peter Schaar: „Ich denke, dass der Gesetzgeber noch mal tätig werden muss, um Unklarheiten zu beseitigen.“ Dabei kommt ihm zugute, dass das Gesetz eine Evaluation ausdrücklich vorsieht – nur leider wurde dafür aufgrund eines Verfahrensfehlers kein Datum festgesetzt.