Klar zahl’ ich!

Neues Gebührenmodell – eine großartige Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – sofern er sie nutzt

Radio-, Fernseh- und PC-Gebühr, Zweitgeräte, Gebühreneinzugszentrale, Rundfunkgebührenbeauftragte, Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs und so weiter. Wenn es um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Finanzierung geht, dann löst das bei vielen mitunter Verwirrung, wenn nicht sogar Ablehnung aus.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben, traurig aber wahr, ein zunehmendes Akzeptanzproblem in der Gesellschaft. Das Dickicht der Rundfunkfinanzierung, das der Laie gar nicht verstehen kann, ist dabei nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht für viele die Frage: Wenn RTL und ProSieben so erfolgreich und (vermeintlich) umsonst den Massengeschmack bedienen, wozu dann jeden Monat satte 18 Euro in den gierigen Schlund der öffentlich-rechtlichen Anstalten werfen? Für ein bisschen „Tagesschau“ und „Tatort“?
Diese Frage ist durchaus naheliegend – und genau richtig. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich selbst legitimieren. Und das gelingt ihm nur über sein Programm. Nur das ist es, was die Menschen wahrnehmen. Es ist die einfache Kosten-Nutzen-Rechnung: Was kriege ich für mein Geld geboten? Deshalb müssen die Anstalten den Menschen erklären, wie groß und bunt die öffentlich-rechtliche Angebotspalette ist und warum das so ist. Vielen ist das gar nicht bewusst.

Keine Abo-Gebühren

Man kann das bedauern und darauf verweisen, dass die Rundfunkgebühren eben kein Abonnement sind. Bezahlt wird nicht für eine konkrete Gegenleistung, die jederzeit bestellt (oder abbestellt) werden kann. Nein, die Gebühren sollen vielmehr dafür sorgen, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk existieren und seinem Programmauftrag nachkommen kann. Dieser besteht bekanntlich darin, der Bevölkerung ein vielfältiges und unabhängiges Medienangebot zu liefern in den Bereichen Information, Bildung, Kultur, Beratung und(!) Unterhaltung. Und das auf allen relevanten Verbreitungswegen.
Um dies zu gewährleisten, braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine sichere Finanzierung. Eine Finanzierung, die von der Allgemeinheit getragen wird. Die unabhängig ist vom Markt, damit sich das Programm nicht nach der werberelevanten Zielgruppe ausrichten muss, weil sonst alles abseits des Mainstreams irrelevant wird. Und die möglichst unabhängig ist vom Staat, damit Politiker gerade nicht nach Gutdünken über die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit letztlich über sein Programm bestimmen können.
Doch obwohl die Mehrheit der Menschen den öffentlich-rechtlichen Auftrag sicherlich unterstützenswert findet, steht die erodierende Zahlungsmoral im Widerspruch dazu. Ein bisschen ist es wie mit der Organspende. Theoretisch möchte kaum einer darauf verzichten, aber das dafür Notwendige (einen Spenderausweis auszufüllen) bleibt auf der Strecke.

Wer wohnt, der zahlt

Eine grundlegende Reform der Rundfunkfinanzierung bringt deshalb nur Gutes. Mit der Abkehr von der geräteabhängigen Gebühr hin zu einem geräteunabhängigen Beitrag ab 2013 herrscht endlich Klarheit über die Zahlungspflicht. Künftig soll, darauf haben sich die Ministerpräsidenten im Oktober geeinigt, für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag fällig werden. Kurz: Wer wohnt, der zahlt. Keine Ausreden mehr. Es bedeutet das Ende des permanenten Streits über die Gebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (heute das iPhone, morgen das iPad?) sowie das Fahnden danach. Auch dem Schwarzhören und -sehen wird der Garaus gemacht.
Zu den zu erwartenden Schlagzeilen von der Ausweitung der „Zwangsgebühren“ und dem gebührenfressenden Monster öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei zweierlei angemerkt: Es sind die Länder, die über das Gebührenmodell entscheiden, nicht die Anstalten. Und: Der neue Beitrag wird deutlich gerechter sein als die bisherige Gebühr. Weil eben nicht mehr danach gefragt wird, ob und wenn ja welche und wie viele Empfangsgeräte jemand bereithält. Und weil endlich auch die Nichtzahlenden zur Kasse gebeten werden, die bisher auf Kosten der Zahlenden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk profitiert haben.
Zu Recht müssen auch Unternehmen weiterhin ihren Beitrag leisten. Eine solidarische Finanzierung schließt die Wirtschaft mit ein, weil auch sie von einem frei empfangbaren öffentlich-rechtlichen Rundfunk profitiert. Heute tragen die Unternehmen etwa neun Prozent zum Gebührenaufkommen bei. Das muss auch in Zukunft so bleiben. Denn klar ist: Was die Unternehmen weniger zahlen, müssen die Privathaushalte ausgleichen. Insofern scheint die vorgesehene Staffelung der Rundfunkbeiträge für Unternehmen nach Zahl der Beschäftigten pro Betriebsstätte eine akzeptable Lösung zu sein.

Keine Programmbeschneidungen

Inakzeptabel aber ist das Ansinnen einiger CDU-Politiker, die Beitragshöhe auf dem jetzigen Stand einzufrieren. Hier wird über einen Umweg versucht, den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter zu beschneiden – nach den bereits massiven Begrenzungen für die Internetangebote durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Eine von vornherein gedeckelte Beitragshöhe aber führt zwangsläufig zu der Frage, wie viel Programm man sich für diesen Beitrag noch leisten kann. Ein solches Vorgehen ist, wenn man es genau betrachtet, verfassungswidrig. Denn genau anders herum hat es das Bundesverfassungsgericht vorgegeben: Die Beitragshöhe ergibt sich daraus, was zur Erfüllung des Programmauftrags notwendig ist.
Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird deshalb auch davon abhängen, wie viele Fürsprecher er in der Bevölkerung findet. Deshalb müssen die Öffentlich-Rechtlichen den Menschen nicht nur das neue Gebührenmodell erklären, sondern auch ihren Programmauftrag klar benennen und mit Leben füllen. Sie werden dabei nur erfolgreich sein, wenn die Gebührenzahler den Unterschied zur privaten Konkurrenz erkennen – und für unverzichtbar halten.


Stephan Kolbe

Stephan Kolbe ist Koordinator für Medienpolitik beim ver.di-Bundesvorstand sowie freier Redakteur. Sein Themenschwerpunkt ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk.

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