Kölner Experiment

Eine neue linke Wochenzeitung gegen das kölsche DuMont-Pressemonopol

Ein Novum und Experiment ist es allemal: am 24. April erscheint voraussichtlich nach mehr als einjähriger Vorbereitungsphase die erste Ausgabe der „Kölner Woche – Neue Rheinische Zeitung“.

Mit dem Ostberliner Verlag 8. Mai, der auch die überregionale Tageszeitung „junge Welt“ herausgibt, „übernimmt damit erstmals ein Unternehmen aus Ostdeutschland einen Westbetrieb“, sagt Geschäftsführer Dietmar Koschmieder. Die „Kölner Woche“ wird das seit mehreren Jahrzehnten erscheinende Kölner Volksblatt, eine lokale Initiativenzeitung, übernehmen. Mit ihrem Untertitel stellt sich die „Kölner Woche“ übrigens in die Tradition der 1849 verbotenen und von Karl Marx herausgegebenen „Neuen Rheinischen Zeitung“.

Ein Experiment ist die Herausgabe der Zeitung sowohl in journalistischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Drei Redakteure, mehrere freie Journalistinnen und Journalisten werden für die Wochenendausgabe der „jungen Welt“ zunächst einen achtseitigen Mantel der „Kölner Woche“ mit lokalen Themen aus den Bereichen Politik, Kultur und Sport erstellen. Zudem tritt die „Kölner Woche“ gegen das übermächtige Zeitungsmonopol des Verlegers Alfred Neven DuMont an. Erst zur Jahreswende hat das Verlagshaus die letzte, formal unabhängige Tageszeitung der Region zu 100 Prozent übernommen. DuMont gibt nun beide Kölner Tageszeitungen und die Boulevardzeitung heraus: „Kölnische Rundschau“, „Kölner Stadtanzeiger“ und den „Express“.

Genug Gründe für neue Kölner Zeitung

„Die Zeitung wendet sich an diejenigen, die sich durch das DuMont-Pressemonopol nicht vertreten fühlen“, heißt es in einem Werbetext der „Kölner Woche“. Gründe für Unzufriedene mit dem DuMont-Monopol, dessen Chef außerdem Präsident der örtlichen Industrie- und Handelskammer ist, gibt es genug. Peter Kleinert, einer der Initiatoren der „Kölner Woche“ und ehemaliger Redakteur des DuMont-Blatts „Kölner Stadtanzeiger“, liefert mit seinem 1997 für RTL gedrehten Dokumentarfilm „ein publizistisches Sicherheitsrisiko“ Argumentationshilfen: Den Bau einer ökologisch und ökonomisch sinnlosen Müllverbrennungsanlage für eine Milliarde Mark im Kölner Norden hat der „Stadt-Anzeiger“ bejubelt. Umweltschutzgruppen hatten 50000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen die Anlage gesammelt. Die Unterschriften fanden mit keinem Wort Erwähnung. Im Gegenteil: die Aktivisten der Umweltschutzinitiative diffamierte der „Stadt-Anzeiger“ als „unverantwortlich“.

Bittere Erfahrungen

Kritische Berichte über bedeutende Unternehmen in der Domstadt kommen einer Todsünde gleich – vor allem, wenn es um den eigenen Betrieb geht. Diese bittere Erfahrung mußte auch Hartmut Schergel machen, Betriebsrat und Redakteur des Kölner „Stadt-Anzeigers“, der im Juli 1996 auf Druck von Neven DuMont zeitweilig seinen Sessel räumen mußte („M“ berichtete). Er hatte gewagt, den Artikel eines freien Mitarbeiters ins Blatt zu nehmen, der auf die mögliche Interessenkollision zwischen den Reiseführern des DuMont-Verlages und Aktivitäten DuMonts als Reiseveranstalter hinwies. Obwohl der Artikel zuvor vom Chefredakteur abgesegnet war, beschuldigte der Verleger den Redakteur Schergel anschließend der „Sabotage“ und Schädigung der „gesellschaftlichen Interessen des Eigentümers“.

Positive Reaktionen auf das Projekt

Die Initiatoren der „Kölner Woche“ sind optimistisch. „Nach Bekanntwerden des Projekts gab es überraschend viele positive Reaktionen“, so das Kölner Redaktions-Team. Die Planungen für die „Kölner Woche“ laufen seit Dezember auf Hochtouren. Bisher sind schon mehr als 50 von den mit dem Verlag 8. Mai vereinbarten 80 Genossenschaftsanteilen (OMEGA) 1000 Mark gezeichnet. Die Anteile, die in die „Linke Presse Verlags-, Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e.G.“ eingezahlt werden, sind Vorausetzung für den Start der „Kölner Woche“ im April. Zusätzlich muß der Berliner Verlag, der das finanzielle Risiko trägt, noch einen Kredit von 100000 aufbringen.

„Insgesamt hat die Kölner Woche eine vergleichsweise knappe Anlaufphase, und das mit relativ wenig Geld“, so der Geschäftsführer des Verlags. Bei ihrem Start benötige die „Kölner Woche“ laut Berechnungen eines Wirtschaftsberaters mindestens 600 Abonnenten, nach einem halben Jahr müßte die verkaufte Auflage auf mindestens 2000 steigen.

„Entweder wir gehen mit wehenden Fahnen unter, oder wir schlagen ein wie eine Bombe“, umschreibt Koschmieder die Perspektive. Sollte die Bombe tatsächlich einschlagen, wollen die Kölner noch einen Schritt weiter gehen. Sie hoffen, wie ihr Vorbild, die „Neue Rheinische Zeitung“, irgendwann auf tägliches Erscheinen umstellen zu können.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »