Branchentreff und Filmzauber seit 50 Jahren ungebrochen
DOK Leipzig – das weltweit älteste Dokumentarfilmfestival – feierte vom 29. Oktober bis 4. November 2007 das 50. Jubiläum. Nach 53 Jahren. Gestartet 1955 auf Initiative des Clubs der Filmschaffenden der DDR als „I. Gesamtdeutsche Kultur- und Dokumentarfilmwoche Leipzig“ und nach einer schwachen Zweitauflage 1956 fiel das Festival in den drei darauf folgenden Jahren aus. Um 1960 als internationale Veranstaltung mit außenpolitischer Funktion wieder aufzuerstehen.
Exemplarisch für DOK Leipzig: Immer wieder hatte es in Leipzig Turbulenzen gegeben. So 1967, als „Der Sekretär“ (Foto rechts) von Jürgen Böttcher überraschend verboten und doch heimlich vom Filmklub im Festivalkino „Casino“ gezeigt wurde. Oder ein Jahr später, als es zum Eklat kam, weil Filme über den Prager Frühling, die Studentenrevolten in Paris oder lateinamerikanische Befreiungskämpfer verboten worden waren, Festivalteilnehmer mit einer schriftlichen Erklärung die öffentliche Projektion der Filme forderten und die Stasi im Dauereinsatz war. Oder 1976, als nach der Biermann-Ausbürgerung staatlich verordnetes Schweigen herrschte. Oder 1977, als ein Film über Leonid Breshnew nicht im Wettbewerb lief und dennoch eine goldene Taube holte. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Kurzum: DOK Leipzig scheint rebellisch und unkaputtbar, auch wenn in der Vergangenheit vor allem mit politischen und heute mit finanziellen Schwierigkeiten belastet. Vielleicht und vor allem, weil das Leipziger Festival politisch war, ist und bleibt – bei aller Marktorientierung, die der nicht unumstrittene Festivaldirektor Claas Danielsen betreibt. Er versucht den Spagat, DOK Leipzig weiter kontinuierlich zum Branchentreff auszubauen, und dennoch dem Zauber des Films Raum zu geben. Der Erfolg gibt Danielsen Recht: Kontinuierlich wächst das Festival – im Jubiläumsjahrgang waren mehr als 1.450 Teilnehmer (2006: 1.150) akkreditiert und die Besucherzahlen überschritten deutlich die magische Grenze von 30.000 (2006: 24.000). DOK Leipzig ist heute nicht nur Deutschlands größtes, sondern und auch wichtigstes Dokumentarfilmfestival mit internationaler Ausstrahlung und das zweitgrößte für Animationsfilme. Und das, obwohl der Etat von rund 780.000 Euro im Vergleich zu anderen großen Festivals wie Duisburg, München, Kassel oder Oberhausen eher gering ist. In Leipzig gibt es offenbar für vieles andere Maßstäbe, wie auch Filmemacher immer wieder betonen: „Volle Kinos, ein hellwaches, kritisches, neugieriges, diskussionsfreudiges Publikum – genau das, was man sich wünscht.“
Mit einer großen Retrospektive unter dem Titel „Spurensuche – Filmpositionen aus fünf Jahrzehnten“ versuchte man sich der wechselvollen Festivalgeschichte anzunähern. Barbara Heinrich-Polte vom Bundesarchiv-Filmarchiv kuratierte den deutschen Teil. Sie sprach von einer „denkbar schwierigen Auswahl“ und hätte am liebsten ihre Lieblingsfilme gezeigt. Schließlich entschied sie sich für zwei Hauptstränge: Den einen bezeichnete Heinrich-Polte als „Klassiker, die von Leipzig aus ihren Weg in die Kinos antraten“ (z.B. „Winter adé“ von Helke Misselwitz). Die zweite Linie sind die „Stiefkinder des DEFA-Films“, die ihren Weg nicht oder nur über Umwege ins Festivalprogramm schafften. Diese „Stiefkinder“ (z.B. Heiner Carows „Martins Tagebuch“, oder die Lausitz-Trilogie von Peter Rocha) sind auf der DVD-Festivaledition „Spurensuche“ versammelt.
Spannende Retrospektive
Die Auswahl für den internationalen Teil der Retrospektive traf Grit Lemke vom Festival. Krieg und Faschismus, Befreiungsbewegungen in Lateinamerika, Afrika oder Asien – das sind die Themen, für die DOK Leipzig auch zu Zeiten des kalten Krieges als politisches Festival berühmt wurde. Aber auch einige Perestroika-Filme wurden gezeigt. Dazu präsentierten die ehemaligen Festivaldirektoren je einen Film: Fred Gehler (1994–2003, „Der letzte Bolschewik“ von Chris Marker), Christiane Mückenberger (1990– 1993, „Die Belovs“ von Victor Kossakowski) sowie Ronald Trisch (1973–1989, „Behinderte Liebe“ von Marlies Graf). Im gestrafften Gesamtprogramm mit vier Wettbewerben fiel der Rückblick angemessen aus und bot für Betrachter jeder Altersgruppe Möglichkeiten, in die Historie zu schauen und gleichzeitig Neues zu entdecken.
Zum runden Jubiläum erschien auch ein Buch zur Festivalgeschichte: Unter dem Titel „Bilder einer gespaltenen Welt – 50 Jahre Dokumentar- und Animationsfestival Leipzig“ sind auf 268 Seiten sehr persönliche Geschichten und Anekdoten versammelt, die teilweise aus der Feder der ehemaligen Festivaldirektoren stammen. Spannend, politisch, selbstkritisch, subjektiv – ein lesenswerter Band für alle Filmliebhaber.
Media vergibt 14,3 Mio. € für Projektentwicklung
Insgesamt 161 europäische Dokumentar-, Spiel-, Animationsfilm- und Multimediaprojekte sowie 76 Projektpakete werden im Rahmen des zweiten Auswahlverfahrens von der Europäischen Kommission mit 14,295 Millionen Euro gefördert.
Aus Deutschland erhalten 14 Projekte eine Einzelprojektförderung und acht Produktionsfirmen eine Paketförderung.