Ob personalisierte Werbung, Empfehlungen über undurchsichtige Algorithmen bis zu von Robotern produzierten Inhalten – Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Wertschöpfungskette der Medien. Das stellt ganz neue Anforderungen an die Medienaufsicht. Über die „Perspektiven der konvergenten Medienregulierung für das 21. Jahrhundert“ debattierten am 19. April in Berlin Politiker, Wissenschaftler und Rundfunkmanager auf einem Symposion der Medienanstalten (DLM).
Der Kampf der Regulierer mit den Herausforderungen der digitalen Revolution gleicht dem Wettlauf zwischen Hase und Igel. „Wenn wir nicht wollen, dass uns automatisierte Stimmen wie Alexa von Amazon demnächst die Regeln vorgeben, müssen die Länder den Rundfunkstaatsvertrag möglichst bald modernisieren“, forderte Cornelia Holsten, seit Anfang 2018 neue Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Die für Medienpolitik zuständigen Bundesländer haben spätestens für den Herbst den Entwurf eines entsprechenden „Modernisierungs-Staatsvertrags“ angekündigt. Darin sollen unter anderem das Medienkonzentrationsrecht und die Auffindbarkeit von Inhalten auf digitalen Plattformen neu geregelt werden. Aktuelle Themen sind auch die Transparenz von sogenannten „Intermediären“ wie Google und Facebook sowie eine Neugestaltung des Telemedienauftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Für ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab stellt sich die Frage, „ob sich die Medien die Künstliche Intelligenz wirklich nutzbar machen können oder ob vielmehr umgekehrt die Künstliche Intelligenz die Medien nutzt“. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk setze auf redaktionell gestaltete journalistische Inhalte. Daher werde man KI etwa für die automatische Produktion von Texten oder Beiträgen „sicherlich nie einsetzen“. „Intelligente, kuratierte Algorithmen“ würden allenfalls „zur Personalisierung und zur leichteren Auffindbarkeit unserer Angebote“ Verwendung finden. Der Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz und zur Regulierung von Plattformen und Intermediären liege „auch schon zwei Jahre zurück“, mahnte Pfab die Politik zur Eile. Bei einem Smart-TV könne man immerhin noch die Quelle sehen und als Nutzer auf der Startseite einstellen: „Da ist ne App vom FC Bayern oder von der ARD.“ Anders verhalte es sich beim Sprachassistenten. Da bleibe der Absender intransparent. „Wenn jemand fragt, was Trump gerade getweetet hat oder wie die Verhandlungen bei den Gewerkschaften laufen, da wird ja nicht offenbart, woher die Information kommt.“ Das sei eine große Gefahr, denn Sprachsteuerung werde sich aufgrund der damit verbundenen Bequemlichkeit „mit Sicherheit sehr schnell durchsetzen.“
Zeitlose Grundwerte und nötige Eile
Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) und Geschäftsführer von n-tv, schüttelt es bei dem Gedanken, dass Künstliche Intelligenz in naher Zukunft die Inhalte bestimmen könnte. Er sieht KI jedoch als geeignetes „Tool“, um zum Beispiel Werbung „nutzergenau und zielgerechter auszuspielen“. KI könne auch dabei helfen, bei „Fake News“ zur Verifizierung beizutragen. Dass aber „der Kollege Computer irgendwann mal unsere Texte schreibt“, daran mag auch Demmel nicht glauben. Das sei allenfalls bei „Fußballberichten der vierten Liga“ vorstellbar, da lasse sich heute schon nichts mehr unterscheiden von dem, „was früher mal der Volontär schreiben musste“. Aber es werde nie einen vom Rechner verfassten Text „wie den von Markus Feldenkirchen über Herrn Schulz“ geben.
DLM-Vorsitzende Holsten mag „keine Medienregulierung, die der Entwicklung hinterherhinkt“. Unabhängig von technikinduzierten aktuellen Problemen gehe es aber auch um „zeitlose Grundwerte“. Die Auffindbarkeit sei dabei unerlässlich, egal, ob es sich um die Nutzeroberfläche eines TV-Gerätes handle oder „ob ich die Nutzeroberfläche einer VR-Brille denke und antizipiere“. Die Grundwerte, die die Regulierung zu schützen habe, seien etwa Vielfaltsicherung, Jugend- und Nutzerschutz und die Menschenwürde. Die von der Regulierung dazu eingesetzten Werkzeuge seien unter anderem Transparenz und Diskriminierungsverbot.
Für ARD-Generalsekretärin Pfab läuft eine gute Medienordnung auf eine „demokratische Grundversorgung bzw. Daseinsvorsorge“ hinaus. Daher müsse bei jeder Regulierung der Vielfaltgedanke im Vordergrund stehen. Die zentrale Frage laute: „Wie stellen wir sicher, dass sich wirklich alle Menschen in Zukunft frei und ungehindert ihre Meinung bilden können?“ Wie lasse sich der Zugang garantieren zu allen relevanten Inhalten, die sie „befähigen, am Diskurs teilzunehmen“? Pfab forderte die Länder auf, endlich zu einer Einigung über die strittigen Fragen zu kommen. Es müsse auch nicht alles auf einen Schlag gelöst werden. Die öffentlich-rechtlichen Sender könnten „vor allem im Bereich Telemedienauftrag ein Lied davon singen“: Dort hätten sich die Beteiligten an einer Frage wie der Presseähnlichkeit so „verkämpft“, dass jede Lösung blockiert worden sei. Von den Medienakteuren – auch der privaten Konkurrenz – erwartet sie künftig mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit, „weil wir als nationale Inhalte-Anbieter letztendlich gegen Tech-Giganten keine Chance haben“. Google und Co. hätten den Vorteil, „ihre Rahmenbedingungen selbst kreieren zu können“ – etwa die Auffindbarkeit ihrer Produkte und userfreundliche Technologie. Deswegen sei die vom ARD-Vorsitzenden Ulrich Wilhelm ins Gespräch gebrachte Idee einer gemeinsamen Inhalte-Plattform „relevanter als je zuvor“.