„Medienprodukte sind Kulturgegenstand“

Bundesfachgruppenkonferenz Rundfunk, Film, AV-Medien will schärferes medienpolitisches Profil entwickeln

Rundfunk / Film / Audiovisuelle Medien eröffnet vom 24. bis 27. November den Reigen der Bundesfachgruppenkonferenzen. Auch wenn das, wie der Vorsitzende Klaus-Peter Hellmich versichert, eher langfristiger Terminplanung und dem Zufall geschuldet ist, bleibt Fakt: Die ver.di-Mitglieder aus diesen Bereichen erhalten in wenigen Wochen Gelegenheit, erstmals im Rahmen der großen Dienstleistungsgewerkschaft Positionen zu beziehen und die Rolle ihrer Fachgruppe innerhalb des Medienfachbereiches genauer zu bestimmen.

«M» sprach dazu mit dem amtierenden Bundesfachgruppenvorsitzenden.

«M:» Eine solche Konferenz ist immer auch ein Forum zur Bestandsaufnahme…
Klaus-Peter Hellmich: Wir werden unsere branchenspezifischen Interessen innerhalb von ver.di, aber auch darüber hinaus bestimmen und wahrnehmen. Unsere Mitglieder arbeiten in öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern, in der Filmwirtschaft oder in Kinos. Ihre Arbeits- und Tarifbedingungen sind sehr verschieden. Wir setzen uns seit langem mit vielfältigen Tarifstrukturen auseinander und entwickeln dazu Konzepte. Darüber hinaus haben wir unsere Aufgaben bisher im medienpolitischen, filmpolitischen Bereich gesehen und uns auch mit berufspolitischen Fragen im engeren Sinne beschäftigt. Das wird so bleiben. Auch um die Betriebspolitik, die Koordination der Arbeit der Betriebs- und Personalräte, werden wir uns weiter intensiv kümmern. Ein ganz spezifisches Feld unserer Tätigkeit ist und bleibt die Arbeit mit und für die freien Kolleginnen und Kollegen, wobei wir eng mit der Fachgruppe Journalismus, aber auch den Kunstfachgruppen kooperieren. Die Urheberrechtsproblematik als übergreifendes Thema ist dafür ein wichtiges aktuelles Beispiel. Die Beratungs- und Servicefunktion der Gewerkschaft gewinnt an Bedeutung, der wir – auch im Verein mit benachbarten Fachgruppen – größere Aufmerksamkeit widmen werden.

«M:» Eine eher lineare Fortschreibung des Bisherigen?
Klaus-Peter Hellmich: Keineswegs. Die Bedingungen in unserem Arbeitsumfeld haben sich so gewandelt, dass von uns neue Wege und Methoden gewerkschaftlicher Aktivität gefordert sind. Wir werden zunehmend in Netzwerkform zusammenarbeiten. Alle Aktionen in den Verbänden und den Landesbezirken sollen so koordiniert werden, dass Doppelarbeit möglichst vermieden und personelle Ressourcen optimal eingesetzt werden. Wir konzentrieren uns – auch mit Blick auf die Interessen junger Leute -zunehmend auf Projektarbeit und versuchen, die sogenannte Gremienarbeit sehr zu konzentrieren. Diesem Ziel dient auch die neue Geschäftsordnung, die wir auf der Konferenz beschließen und nach der wir dort bereits arbeiten wollen. Wir haben vor, den Geschäftsführenden Vorstand von 14 auf sieben Mitglieder zu reduzieren. Der Vorstand kann sich auf seine medienpolitischen Aufgaben, auf seine Koordinierungsfunktion und die Repräsentanz nach außen konzentrieren . Unsere Devise ist: möglichst wenig Ämter, möglichst viel fachbezogene Arbeit.

«M:» Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen in der Medienbranche, der Strukturveränderungen in der Senderlandschaft, aber auch technischer Innovationen wird sie dringend nötig sein…
Klaus-Peter Hellmich: Leider sind unsere Einflussmöglichkeiten in solchen Fragen begrenzt. Wir konnten beispielsweise nicht verhindern, dass der Länderfinanzausgleich zwischen den ARD-Anstalten um ein Prozent verringert wurde. Wir konnten nicht verhindern, dass dadurch kleine Sendeanstalten wie Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen in ihren Möglichkeiten, überhaupt noch Programm zu machen, weiter beschränkt wurden. Doch natürlich zwingen uns diese Entwicklungen, in Kooperation mit anderen ver.di-Fachgruppen ein schärferes medienpolitisches Profil zu entwickeln, was auch in der Öffentlichkeit und bei der Gegenseite wahrgenommen wird.

Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht es um die energische Verteidigung der Meinungs- und Informationsvielfalt. Es gilt anzumahnen, dass auch künftig Raum für wenig quotenträchtige Inhalte wie Bildungsprogramme oder Sendungen für ausländische Mitbürger in ihrer Muttersprache geboten wird. Im privaten Rundfunk gilt es weiter, die wirtschaftlichen und medienpolitischen Verflechtungen aufzuzeigen. Wenn in diesem Bereich nur noch Aktiengewinne zählen und das Programm völlig dahinter zurücktritt, können wir das nicht hinnehmen. Wir müssen einfordern, dass Programme, Filme und Sendungen eben keine gewöhnliche Ware sind. Medienprodukte sind Kulturgegenstand. Auch im filmpolitischen Bereich sehen wir uns innerhalb von ver.di als fachliche Diskussionsebene, wo Mitglieder versammelt sind, die das Know-how besitzen, Standpunkte zu erarbeiten.

«M:» Solche Themen bilden auch die inhaltlichen Schwerpunkte im Konferenzprogramm?
Klaus-Peter Hellmich: Medienpolitisches Kernthema der Konferenz bildet die digitale Zukunft im Rundfunk. Das betrifft zum einen technische Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Verbreitung. Uns beschäftigen die digitalen Märkte auch unter dem Gesichtspunkt: Wem gehört was und wer verfolgt welche Interessen? Zum anderen wird in einer Podiumsdiskussion die Problematik erörtert: Wie demokratisch ist die Digitalisierung der Verbreitungswege? Das dürfte spannend werden. Denkt man zum Beispiel an die terrestrische digitale Verbreitung, die technisch ein neues Feld eröffnet, aber zugleich die Frage möglicher Verbreitungsbeschränkungen durch Kabel- oder Satelliteneigner völlig neu stellt. Das ist ein Thema, das die Dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch kleinere private Rundfunkunternehmen ganz existenziell betrifft.

Wir werden uns darüber hinaus mit Ergebnissen unserer Fachgruppenprojekte beschäftigen. Bei connexx, dem Projekt im Bereich neue Medien, wird auch zu diskutieren sein, wie Ergebnisse und Erfahrungen nach Projektende überführt werden. Am dritten Konferenztag wollen wir außerdem zu Perspektiven des Films in Deutschland diskutieren. Künftig soll der Bundesfachgruppenvorstand aus dreißig Mitgliedern bestehen. Jeder Verband, jede Verbandsgliederung und jeder Landesbezirk erhalten einen Sitz. In den Bereichen Kino, Neue Medien, nichtkommerzieller Lokalrundfunk können darüber hinaus weitere Mitglieder auf Vorschlag der Landesebenen kooptiert werden.

«M:» Die Fachgruppenkonferenz dokumentiert auch den Stand der Integration ihrer Mitglieder?
Klaus-Peter Hellmich: Was den Zusammenschluss unserer Mitglieder aus DAG und IG Medien betrifft, haben wir den großen Vorteil, dass wir frühzeitig aufeinander zu gegangen sind und die Zusammenarbeit im Vorfeld der ver.di-Gründung bereits begonnen hatte. Der Übergang lief deshalb, von Ausnahmen abgesehen, relativ reibungslos. Wir werden natürlich darauf achten, dass in den neu zu wählenden Gremien qualifizierte Kolleginnen und Kollegen mit DAG-und IG-Medien-Wurzeln vertreten sind.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Digitalabgabe könnte Schieflage ausgleichen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die vom Staatsminister Wolfram Weimer geäußerten Pläne für eine Digitalabgabe, die Big-Tech-Unternehmen mit digitalen Plattformdiensten in Deutschland zu entrichten hätten. Wie unter anderem der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung, eine Digitalabgabe einzuführen. Diese könnte Unternehmen wie Google und Meta dazu verpflichten, einen festen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen abzuführen.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »

Eine Medienplattform für Europa

Für ARD und ZDF war es eine richtungsweisende Entscheidung, als sie vor einem Jahr mitteilten, ihre Mediathek-Software gemeinsam entwickeln zu wollen. Mit im Boot ist inzwischen auch das Deutschlandradio. Unter dem Projektnamen „Streaming OS“ laufen die Arbeiten. OS steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen wichtige technische Bausteine für ihre Streaming-Aktivitäten auch anderen Anbietern und Organisationen frei zugänglich machen. Eine europäische Ausrichtung haben sie ebenso im Blick.
mehr »