Merkels Termine bleiben tabu

Beim Informationszugang wird gemauert und es dauert

Die Informationsfreiheit war auch im Frühjahr wieder Thema in den Medien. Aus aktuellem Anlass: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte am 20. März 2012 entschieden, dass die Bundesregierung die Gästeliste für das Geburtstagsessen von Deutsche-Bank-Chef Ackermann herausgeben muss. Auslöser war eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) von Juli 2009 zu Merkels Einladung ins Bundeskanzleramt im April 2008. Der Fall ist exemplarisch dafür, wie es um die seit dem 1. Januar 2006 neu gewonnene Informationsfreiheit in diesem Land steht. Es wird gemauert und es dauert. Auch spielt sie als Mittel der Recherche für Journalisten nur ausnahmsweise eine Rolle.


Im Kanzleramtsfall gingen Anfrage und Klage von Verbraucherschützer Thilo Bode, Gründer und Chef von Foodwatch, und der Berliner Rechtsanwältin Katja Pink aus, die mit Blick auf die Bankenkrise und eventuelle Verflechtungen von Wirtschaft und Politik Details zu Planung und Kosten des Abendessens erfahren wollten.
Die Medien von Spiegel bis zur Bild-Zeitung hatten den Empfang des Chefbankers und 30 Freunden aus Politik, Wirtschaft, Unterhaltung und Sport zu einem Abendessen im Bundeskanzleramt nur genüsslich goutiert, ohne nachzufragen, wer denn die Zeche für wen, in welcher Höhe und warum eigentlich gezahlt hat.
Das änderte sich erst schlagartig nach einem Bericht des ARD-Magazins Report über ein Jahr später, im August 2009. Die Medien überschlugen sich quasi in der Berichterstattung und auch der Haushaltsausschuss des Bundestags nahm sich des Themas an.
Übrigens wurde nun auch die Gästeliste recherchiert. Ob die Veröffentlichung vollständig ist, bleibt allerdings bis heute unklar. Bode und Pink erhielten im November 2009 jeweils nur teilweise geschwärzte Kopien der Gästelisten und gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. April 2011 (Az.: VG 2 K 39.10), dass das Kanzleramt die Gästeliste komplett offenlegen müsste, ging die Bundesregierung in die Berufung. Auch nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) diese Entscheidung am 20. März 2012 (Az.: OVG 12 B 27.11) bestätigt hat und eine Revision gegen das Berufungsurteil nicht zuließ, will das Kanzleramt erst einmal prüfen, ob es Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen wird.
Abgelehnt hat das OVG – wie schon das VG Berlin – allerdings die verlangte Einsicht in den Terminkalender der Bundeskanzlerin für den fraglichen Zeitraum vor und nach der Ackermann-Party. Zwar handele es sich bei den Eintragungen von dienstlichen Terminen im Kalender um amtliche Informationen im Sinne des Gesetzes, doch stehe dem Informationszugang ein gesetzlicher Ausschlussgrund entgegen. Die Offenlegung des Terminkalenders könne nachteilige Auswirkungen auf die innere Sicherheit, insbesondere die Sicherheit der Bundeskanzlerin, haben.
Für den Bundesbeauftragten Peter Schaar stand dieser Fall dennoch an erster Stelle, als er am 24. April seinen Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2010 und 2011 vorlegte. Untermauert die OVG-Entscheidung doch Schaars Feststellung: „Insbesondere die Rechtsprechung hat in den letzten zwei Jahren wichtige Beiträge für eine breitere Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes geleistet.“

Regierungstätigkeit kein Tabu

Die bedeutendste Entscheidung für die Informationsfreiheit fällte das Bundesverwaltungsgericht in zwei Urteilen vom 3. November 2011 (Az.: BVerwG 7 C 3.11 und 4.11). Die obersten Richter in Leipzig urteilten, dass auch Informationen über die Regierungstätigkeit grundsätzlich herausgegeben werden müssen. Konkret ging es um hausinterne Unterlagen des Bundesjustizministeriums zu einem Gesetzgebungsverfahren sowie um Stellungnahmen gegenüber dem Petitionsausschuss. „Das Gericht hat damit der Verwaltung beim Erfinden von Verweigerungsgründen einen Riegel vorgeschoben“, bewertet Schaar dies.

Zwar gewähren die Bundesbehörden in der überwiegenden Zahl bei IFG-Anfragen den Informationszugang wie beantragt oder zumindest teilweise, doch über die Jahre wurde in rund 20 Prozent aller Fälle der Zugang auch abgelehnt. 2011 war die Zahl der Ablehnungen nach der vom Innenministerium geführten IFG-Statistik mit 904 besonders hoch. Das hat aber wohl nicht nur mit der mehr als verdoppelten Anzahl der Anfragen (3.280 gegenüber 1.557 in 2010) zu tun, sondern mit zwei in der Sache gleichlautenden Massenanfragen, wie heise online berichtet. So ist auch die Zahl von 681 Widersprüchen von Antragstellern (2010: 164) und 404 neuen gerichtlichen Klagen, davon 424 noch anhängig (2010: 56 neue, 80 insgesamt noch anhängig), deutlich höher als in allen Jahren zuvor.

Behörden mauern weiter

Ein weiteres positives Urteil, das Peter Schaar als Beispiel anführt, ist die Entscheidung des VG Berlin zum Deutschen Bundestag vom 1. Dezember 2011 (Az.: VG 2 K 91.11). Dieser hatte den Zugang zu einem Gutachten seines wissenschaftlichen Dienstes mit der Begründung abgelehnt, dass die Veröffentlichung in die Wahrnehmung der verfassungsrechtlichen Aufgaben eingreifen würde. Das Verwaltungsgericht war dieser Argumentation nicht gefolgt und hatte den Informationszugang bestätigt. Allerdings hat der Bundestag gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt und weitere Anträge zu Gutachten abgelehnt.
Das ist überhaupt keine Ausnahme. In den weiteren herausragenden Fällen, die Schaar bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts für die vergangenen beiden Jahre anführte, wurde der Informationszugang ganz oder überwiegend verweigert – der Zugang zum Mustervertrag für Vorstände der Bundesbank ebenso wie das Sicherheitskonzept der längst ad acta gelegten Münchner Transrapid-Flughafenverbindung durch das Eisenbahnbundesamt (2007 beantragt) und Informationen über sogenannte Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Gegen die sprach der Bundesbeauftragte in einem anderen Fall sogar wegen eines besonders schwerwiegender Verstoßes gegen das Informationsfreiheitsgesetz eine formelle Beanstandung aus, eine zweite im Berichtszeitraum gegenüber dem Bundesministerium des Innern. Dabei ging es um die Korruptionsprävention beim BMI. Angedroht hatte er eine Beanstandung gegenüber der Arbeitsagentur Hamburg. Das sorgte immerhin 18 Monate nach Antragstellung für den beantragten Zugang zu ihrem Organigramm sowie der Namensliste der Mitglieder des Verwaltungsausschusses (soweit die Betroffenen zugestimmt hatten).

Einheitliche Gesetzesregelung.

Angesichts des restriktiven Umgangs mit dem Informationsanspruch forderte Schaar die Bundesregierung erneut auf, „den Informationszugang zu erleichtern, indem die auf verschiedene Gesetze aufgeteilten Regelungen einheitlich gestaltet und erweitert werden“. Eine Stärkung des Rechts auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten erhofft er sich von der laufenden, durch den Bundestag angestoßenen Evaluation des Informationsfreiheitsgesetzes.
Bereits im Vorjahr hatte Schaar sich für ein Grundrecht auf Informationsfreiheit ausgesprochen. Dann müsse das öffentliche Interesse an Akteneinsicht mit anderen Grundrechten wie dem auf Eigentum abgewogen werden. Denn bisher schützt das IFG Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolut. Einen Gesetzentwurf für eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes haben die Grünen im Mai in den Bundestag eingebracht.


 

Informationsfreiheit:

Hilfen für Anfragen
dju-Broschüre „Informationsfreiheit – IFG, Auskunftsrechte und Recherche“: die zwölfseitige Infoschrift gibt es in den dju-Geschäftsstellen und im Download als pdf-Datei – wie die anderen Hefte der Reihe „journalismus konkret“ – unter:
http://dju.verdi.de/service/ publikationen/konkret

Frag den Staat:
diese Website veröffentlicht Anfragen nach den Informationsgesetzen und hilft, selber Anfragen an den Staat zu stellen:
http://fragdenstaat.de

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »