Mini-Erhöhung

Einjähriger Streit um Rundfunkgebühren beendet

Die Dauerattacke auf ARD und ZDF war offenbar erfolgreich. Nach mehr als einjährigem Gebührenschacher einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder Anfang Oktober auf eine Erhöhung der Rundfunkgebühren. Mit 88 Cent plus fällt sie wesentlich geringer aus als von den Anstalten erwünscht. Zudem kommt sie nicht zum Jahresbeginn 2005, sondern erst zum 1. April. Kritiker warnen vor einer irreparablen Beschädigung des unabhängigen Gebührenfestsetzungsverfahrens.

Am Ende gab auch Kurt Beck nach. Angesichts der Blockadehaltung diverser Amtskollegen stimmte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder einem Kompromiss zu, der ARD und ZDF teuer zu stehen kommen wird. Rund zwei Euro mehr Gebühr pro Monat hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten ursprünglich beantragt. Eine bereits deutlich abgespeckte und laut Beck „maßvolle“ Erhöhung von 1,09 Euro hatte zur Jahreswende die staatsunabhängige „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) empfohlen. Zuletzt schrumpfte dieser Betrag auf magere 88 Cent plus.

Nach geltender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnten Länderregierungen und -parlamente Gebührenerhöhungen nur verweigern, wenn diese erwiesenermaßen sozial unverträglich seien, kritisierte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Dies sei bei der KEF-Empfehlung „nicht erkennbar“ gewesen. Angesichts dieser ungerechtfertigten Eingriffe in die Rundfunkfreiheit empfahl Werneke den öffentlich-rechtlichen Anstalten, „den Gang nach Karlsruhe in diesem Fall nicht zu scheuen“.

Die Reaktionen der betroffenen Sender ließen nicht lange auf sich warten. Der WDR kündigte eine große Strukturreform und den Abbau von mehr als 100 Stellen an, um „signifikante Einsparungen“ zu erzielen. Künftig will der größte ARD-Sender die Gebührenausgaben auf das eigene Sendegebiet Nordrhein-Westfalen konzentrieren. Aufgrund der zu erwartenden Mindereinnahmen stellte WDR-Intendant Fritz Pleitgen unter anderem Zuschüsse für die Bayreuther Festspiele, das Nürnberger Institut für Rundfunktechnik und die Münchner Journalistenschule in Frage. Sein BR-Kollege Thomas Gruber sieht sich genötigt, das BR-Rundfunkorchester zu schließen. ZDF-Intendant Markus Schächter kündigte den voraussichtlichen Abbau von 300 Pauschalisten-Stellen an. Mit dieser Maßnahme, so erläuterte er, ließen sich zumindest betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.

Stellenkürzungen angekündigt

Tatsächlich hatten die Länder ihren populistischen Gebührenbeschluß mit beschäftigungspolitischen und anderen Auflagen verknüpft. Nach ihrem Willen sollen ARD und ZDF durch einen Abbau von mehr als 550 Stellen weitere Einsparungen erzielen. Ein – zumindest – ungewöhnlicher Vorgang. Auch wenn im föderalen System die Länder über Auftrag und Strukturen des gemeinwohlverpflichteten Rundfunks mitbefinden: Von einer „Notbremsung“, zu der sich Bayerns Landesfürst Edmund Stoiber – neben NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück treibende Kraft der Attacke – gezwungen wähnt, kann jedenfalls keine Rede sein. Für solche Bremsmanöver eignen sich eher die Preistreibereien privater Kabelnetzeigner. Die Preisgabe des bewährten, unabhängigen und verfassungsrechtlich untermauerten Gebührenverfahrens markiert allerdings eine drastische Zäsur im bisherigen System der Rundfunkfinanzierung. Sie läuft auf eine Entwertung der KEF-Empfehlungen hinaus, bedeutet letztlich die Entmachtung der unabhängigen Sachverständigen und die Auslieferung des Verfahrens an den direkten staatlichen Zugriff. Ein solcher ist aber nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zulässig.

ARD-Vorsitzender Jobst Plog sagte denn auch, man lege Wert darauf, dass der von den Karlsruher Richtern vorgeschriebene Weg zur Ermittlung der Rundfunkgebühr „nicht beschädigt“ werden dürfe. Forderungen wie die nach einer Abgabe von Sportrechten an die private Konkurrenz würden von den Sendern als „Eingriff in die Programmautonomie“ gewertet.

Medienpolitik im Ausverkauf

Ob ARD und ZDF das Bundesverfassungsgericht anrufen werden, ist gleichwohl offen. Die Risiken eines solchen Schritts wären schwer kalkulierbar. Zudem wäre damit auch die jetzt beschlossene reduzierte Gebührenanpassung vorerst blockiert.

NRW-Ministerpräsident Steinbrück sieht einer solchen Klage einstweilen gelassen entgegen. Der Sozialdemokrat will im Mai nächsten Jahres bei den Landtagswahlen mangels anderer vorzeigbarer Erfolge als eine Art „Robin Hood“ des gebeutelten Gebührenzahlers punkten. Und zugleich die Privatfunker am zuletzt arg gebeutelten Medienstandort NRW hofieren. Sozialdemokratische Medienpolitik im Ausverkauf. Bei einer Klage würden sich ARD und ZDF auf „eine lange Reise“ begeben, frohlockte Steinbrück unlängst auf der 50-Jahr-Feier des BDZV. Und hofft offenbar auf Schützenhilfe durch die EU-Kommission. Die untersucht derzeit absurderweise, ob es sich bei den deutschen Rundfunkgebühren um eine „wettbewerbsverzerrende Beihilfe“ handelt. Wenn diese Lesart sich durchsetzen sollte, ginge ein lang gehegter Traum der privatkommerziellen Konkurrenz von ARD und ZDF in Erfüllung.

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