Mit Tabus aufräumen

Filmfestival „Ausnahme|Zustand – Verrückt nach Leben“

Das Filmfestival „Ausnahme|Zustand – Verrückt nach Leben“ ist seit Herbst 2008 auf Tour durch Deutschland: Nach dem Start der zweiten Staffel in Leipzig (6. bis 11. März) gastieren bis Ende 2009 die insgesamt zwölf deutschen und internationalen Produktionen in rund 45 Städten von Berlin bis Würzburg. Die Festivalfilme thematisieren den alltäglichen Wahnsinn in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen.

Mit dem Motto „Verrückt nach Leben“ will das Festival in seiner zweiten Auflage auf die Krisen, Ängste, Hoffnungen und Träume von jungen Menschen aufmerksam machen und mit Tabus aufräumen. „Die Filme sollen Jugendliche ermutigen, offener mit ihren Gedanken und Gefühlen umzugehen“, so Projektkoordinatorin Elgin Wolf. Das Filmfestival sei aber auch eine Chance für Erwachsene, sich mit der Lebenswelt junger Menschen zu beschäftigen.

Präsentiert werden aktuelle Filme, in denen Einsamkeit, Angst, Schulversagen, Hoffnungslosigkeit, Gewalt, Drogen und Suizid thematisiert werden. Vor allem aber zeigen sie, was junge Menschen stark macht: Freundschaft, Respekt, gebraucht und geliebt zu werden. Die Filmvorführungen werden von Diskussionen und Filmgesprächen mit Regisseuren, Schauspielern und Unterstützern flankiert. Das erste bundesweite Filmfestival Ausnahme|Zustand hatte 2006 mehr als 20.000 Menschen in 56 Städten in Deutschland und Österreich besucht.
Initiator des Filmfestivals ist Irrsinnig Menschlich e.V. – ein Anfang 2000 in Leipzig gegründeter gemeinnütziger Verein für Öffentlichkeitsarbeit in der Psychiatrie. Gründer und Vorsitzender ist Prof. Matthias C. Angermeyer. Der ehemalige Direktor der Klinik für Psychiatrie der Universität Leipzig beschäftigt sich seit langer Zeit als Wissenschaftler mit dem Stigma psychischer Erkrankungen. Gegen die Stigmatisierung Betroffener und die daraus resultierende soziale Distanz ihrer Umwelt helfen nur Begegnungen, Aufklärung und Information. „Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen den so genannten verrückten und den so genannten normalen Menschen“, erklärt Manuela Richter-Werling, Geschäftsführerin von Irrsinnig Menschlich. In den vergangenen Jahren habe man sich immer mehr auf die Prävention und den offenen Umgang mit psychischen Erkrankungen konzentriert: „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht heute die seelische Fitness von Kindern und Jugendlichen“, so Richter-Werling. Neben dem Filmfestival „Verrückt nach Leben“ organisiert der Verein auch das erfolgreiche Schulprojekt „Verrückt? Na und!“, an dem zwischen 2001 bis 2008 rund 9.000 Schüler in Deutschland teilnahmen.
Für das aktuelle Programm des Filmfestivals haben die Organisatoren ein Paket mit zwölf Produktionen geschnürt: Die niederländische Komödie „Übergeschnappt“ (Bild 1 links oben) von Martin Koolhoven thematisiert auf unkonventionelle Weise die schwierige Situation von Kindern, deren Eltern psychisch krank sind. Die Dokumentation „Lebenszeichen“ (2) vom Medienprojekt Wuppertal geht der Frage nach, warum junge Menschen sich selbst verletzen. Aus den USA kommt der Dokumentarfilm „War Child“ (3) von C. Karim Chrobog. Protagonist Emmanuel Jal war Kindersoldat im Sudan, desertierte mit 400 anderen „Lost Boys“, von denen nur 16 überlebten. Heute ist Emmanuel Rapper und in Afrika ein Star. Im Mittelpunkt des mit dem First-Step-Award ausgezeichneten Spielfilms „Nacht vor Augen“ (4) steht ein deutscher Soldat, der vom Afghanistan-Einsatz heimkehrt und nun seinen Platz in der Familie und in der Gesellschaft nicht mehr findet. Um Brüche und jähe Wendungen im Leben geht es im Kurzfilmprogramm „…und plötzlich war alles anders“. Von der großen Dokumentarfilmerin Heddy Honigmann ist der Film „Emoticons“ (5), in dem das Internet als Mittel zur Selbsthilfe gezeigt wird.
Schirmherrinnen des Filmfestivals sind die TV-Moderatorin Inka Bause und Karin Evers-Meyer, die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Zahlreiche Prominente wie u.a. der Musiker Clueso, Schauspieler Giovanni Arvaneh oder der Fußballtrainer Heiko Weber zählen zu den Unterstützern.

www.irrsinnig-menschlich.de

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