Neues Spiel – Neues Glück?

Novelle des Landesmediengesetzes für Baden-Württemberg

Die CDU/FDP-Koalition und die Oppositionsfraktion der Grünen haben am 14. Juli im Landtag Baden-Württembergs das neue Landesmediengesetz verabschiedet, während die SPD dagegen votierte.

„Der Topf paßt nicht mehr zum Deckel“ kritisierte die medienpolitische Sprecherin der SPD, Birgit Kipfer, das neue Gesetz. Mit ihm setze die CDU/FDP-Regierung ihre bisher erfolglose Medienpolitik fort, stellte sie in der Landtagsdebatte fest. Dagegen warf der CDU-Fraktionssprecher Heribert Rech der oppositionellen SPD vor: „Wer sich so einseitig als Interessenwahrer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebärdet, wie Sie es in der Vergangenheit getan haben, hat vom Sinn und Zweck eines Landesmediengesetzes nichts, aber auch gar nichts verstanden.“ Es gehe aber der Regierung um die „Harmonisierung“ der Hörfunkstruktur im Land, die durch die Einführung einer landesweiten privaten Jugendwelle erreicht werden solle.

Mit dem am 1. August in Kraft tretenden neuen Landesmediengesetz wolle die CDU/FDP-Koalition den Medienstandort Baden-Württemberg stärken, erklärte der für Medienpolitik zuständige Staatsminister Christoph Palmer (CDU) vor den Abgeordneten. Dazu wird erstmals für das Land eine landesweite Hörfunkwelle eingeführt, denn bisher gibt es in Baden-Württemberg nur drei regionale und 15 lokale Sender. Außerdem dürfen Rundfunkveranstalter in Zukunft an mehreren Sendern beteiligt sein. Gleichzeitig wird die Pflicht zu eigenproduzierten Programmteilen von 20 Prozent der wöchentlichen Sendezeit auf 10 Prozent halbiert. Die Betreiber von Kabelfernsehanlagen dürfen demnächst für 19 der durchschnittlich 33 Kanäle in ihren Anlagen selber die Programme auswählen, allerdings „unter Berücksichtigung der Interessen der versorgten Teilnehmer“, wie es dazu im Gesetz heißt. Dabei bleiben ARD und ZDF 14 Kabelkanäle für die bundesweiten oder für Baden-Württemberg vorgesehenen TV-Programme reserviert.

SWR-Jugendradio beherrschte die Debatte

Interessanterweise drehte sich die politische Debatte um das neue Landesmediengesetz hauptsächlich um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, mit dem sich das neue Gesetz direkt nicht beschäftigt. Dies hatte sich die Landesregierung selbst eingebrockt, da sie verhindern wollte, daß der SWR ein zusätzliches fünftes Radioprogramm veranstalten kann (zu den Auseinandersetzungen um „Das Ding“ siehe M 6/99 und M 7/99).

Oettinger griff Ende Juni in der Presse das SWR-Programmangebot als „hausbacken“ an und verlangte weitergehende Personalkürzungen über das hinaus, was man bisher beim SWR plant. Der SWR-Intendant Peter Voß, für seinen ruppigen Stil bekannt, konterte in einer Presseerklärung und warf Oettinger vor, „unter Zurückstellung seines medienpolitischen Sachverstandes“ zu argumentieren. Die Kritik des CDU-Fraktionsvorsitzenden sei „allmählich geschäftsschädigend“, wetterte Voß, der CDU-Fraktionschef schade damit dem gesamten Medienstandort Baden-Württemberg.

Schwierige Lage des Privatfunks in Baden-Württemberg

Mit diesem Kompromiß machte sich die Landesregierung bei den Privatfunkern im Land allerdings keine Freunde. Zwar soll ihre Jugendwelle technisch doppelt soviel Hörer erreichen und ein halbes Jahr vor „Das Ding“ auf Sendung gehen können, aber die wirtschaftlichen Aussichten für ein privates Jugendprogramm haben sich weiter verschlechtert.

Die Landesregierung hat es mit den Privatfunkern im Land aber sowieso nicht leicht. Seit einiger Zeit versucht sie zusammen mit der Landesanstalt für Kommunikation (LfK), die drei Regionalsender zu einem Zusammenschluß für ein landesweites Programm zu bewegen – vergebens. Die großen Sender werden von regionalen Zeitungsverlegern beherrscht, die sich gegenseitig als Konkurrenten sehen. Viele fürchten, daß die private Jugendwelle auf Dauer nur wirtschaftlich überleben kann, wenn sie ihr Programmformat auf ältere Hörer ausdehnt. Dies würde aber die privaten Regional- wie Lokalsender Hörer und damit Werbeeinnahmen kosten. Der Wunsch der Landesregierung, einen großen Medienkonzern zum Einstieg beim privaten Jugendradio zu bewegen, stieß bei den Veranstaltern im Land ebenfalls auf wenig Gegenliebe.

„Weder die Instrumente der Auseinanderschaltung bei der Werbung noch die Veränderung der Vorschriften über eigengestaltete Programme oder die Aufweichung der Zulassungserfordernisse sind sinnvolle Maßnahmen, die Wirtschaftlichkeit des privaten kommerziellen Hörfunks in Baden-Württemberg nachhaltig zu fördern und zu verbessern,“ kritisierte bei der Anhörung auch die IG Medien den von der Landesregierung eingebrachte Entwurf zur Novellierung des Landesmediengesetzes. Die Medienorganisation forderte statt dessen alle demokratischen Parteien im baden-württembergischen Landtag auf, ein Landesmediengesetz vorzulegen, das vielfältige und wirtschaftliche Strukturen für den privaten kommerziellen Rundfunk ermöglichte und nicht auf eine weitere Konzentration der bestehenden Lizenzlandschaft hinauslaufe.

Die IG Medien fordert einen privaten kommerziellen Landessender, an dem alle Lokal- und Regionalsender Lizenzträger mit gleichen Anteilen sind: Darüber hinaus müßten diese Sender autonom und eigenverantwortlich regionale und lokale Programmfenster gestalten, die mindestens sieben Stunden täglich umfassen müssen.

Gleichzeitig lehnt die Gewerkschaft ein Jugendradio mit Werbung ab. Die Jugend sei schon zuviel kommerziellen Angeboten ausgesetzt. Nicht umsonst überlege das dänische Parlament ein striktes Werbeverbot für alle Jugendsendungen in Hörfunk und Fernsehen.

Insgesamt ist die private Rundfunksituation in Baden-Württemberg also ziemlich verfahren. Bisher ist es nicht gelungen, die Vorherrschaft des SWR mit seinen vier Wellen bei den Hörern zu brechen. Laut neuester Media-Analyse für 1999 hören 52 Prozent die SWR-Programme und nur 40 Prozent die Angebote der Privaten im Land. Ob sich dies ändern wird, bleibt abzuwarten. Die SPD-Abgeordnete Kipfer wagte im Landtag die Prognose: Das neue Landesmediengesetz werde noch vor dem Sendestart der SWR-Jugendwelle im April 2000 reformbedürftig sein.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »

Eine Medienplattform für Europa

Für ARD und ZDF war es eine richtungsweisende Entscheidung, als sie vor einem Jahr mitteilten, ihre Mediathek-Software gemeinsam entwickeln zu wollen. Mit im Boot ist inzwischen auch das Deutschlandradio. Unter dem Projektnamen „Streaming OS“ laufen die Arbeiten. OS steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen wichtige technische Bausteine für ihre Streaming-Aktivitäten auch anderen Anbietern und Organisationen frei zugänglich machen. Eine europäische Ausrichtung haben sie ebenso im Blick.
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »