Nicht mehr zeitgemäß

Rheinland-Pfalz lässt ZDF-Staatsvertrag vom Bundesverfassungsgericht überprüfen

Noch vor Weihnachten will Rheinland-Pfalz mit einem Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht den ZDF-Staatsvertrag auf seine Verfassungsmäßigkeit abklopfen lassen. Das kündigte Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) am 30. November nach einer Sitzung seines Ministerrats an. Wie Becks Staatskanzlei mitteilt, soll „im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ auf dem Klageweg geprüft werden, „ob gesellschaftlich relevante Gruppierungen im Verhältnis zur Politik in den Gremien des ZDF ausreichend repräsentiert sind“.
Anlass für die Klage ist die Causa Nikolaus Brender, dessen Vertrag als Chefredakteur des ZDF vor allem auf Betreiben des ehemaligen hessischen Regierungschefs Roland Koch und des von der CDU/CSU dominierten ZDF-Verwaltungsrates im November 2009 nicht verlängert worden war. Dies war seinerzeit gegen den auasdrücklichen Wunsch von ZDF-Intendant Markus Schächter geschehen. Anstelle von Brender übernahm zum 1. April 2010 der frühere Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Peter Frey, das Amt des Chefredakteurs.
Ausgearbeitet wurde die Normenkontrollklage vom Kölner Medienrechtler Karl-Eberhard Hain. Das ZDF-Gesetz schreibt vor, wie Parteien und gesellschaftliche Gruppen in der Senderaufsicht repräsentiert sind. Laut Hain beträgt der Anteil von Partei- und Staatsvertretern im ZDF-Fernsehrat 46 Prozent. Auch im Verwaltungsrat liege diese Quote bei mindestens 43 Prozent. „Nach heutigem Rechtsverständnis“, so die Auffassung der rheinland-pfälzischen Landesregierung, sei der ZDF-Staatsvertrag „nicht mehr zeitgemäß“.
Kurt Beck ist in Personalunion Vorsitzender der Rundfunkkommission der Bundesländer sowie Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates. Der Antrag sei „nicht darauf gerichtet, Vertreter von Politik und Parteien aus den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt zu entfernen“. Parteien und Politiker seien demokratisch legitimierte Teile der Gesellschaft und müssten auch künftig in den öffentlich-rechtlichen Gremien neben anderen gesellschaftlich relevanten Gruppierungen vertreten sein. Es gehe aber darum, künftig eine „angemessene Staatsferne“ in der Komposition der Aufsichtsgremien sicherzustellen.
Einen ersten Entwurf für eine Verfassungsklage hatte bereits die Bundestagsfraktion der Grünen beim Mainzer Verfassungsrechtler und früheren Vorsitzenden der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), Dieter Dörr, in Auftrag gegeben. Der Versuch der Grünen, über den Bundestag eine Reform des ZDF-Staatsvertrags zu erreichen, scheiterte jedoch an der fehlenden Unterstützung durch die SPD-Fraktion. Die SPD wiederum wollte ursprünglich die auch von ihr beklagte mangelnde Staatsferne des ZDF-Staatsvertrags über die Rundfunkkommission der Länder verringern, scheiterte aber an der CDU/CSU-Mehrheit in der Länderkammer. Die Chancen auf diesen Weg dürften mit dem veränderten politischen Klima angesichts diverser Landtagswahlen im kommenden Jahr steigen. Seit kurzem verhandeln Grüne und SPD wieder über die Möglichkeit, auch über den Bundestag die angestrebte Reform des ZDF-Vertragswerks einzuleiten.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »