Richter verwies auf Meinungsäußerung – einstweilige Verfügung der RBB-Intendanz gegen M-Beitrag aufgehoben
„Eskalation im RBB“ hatte «M» in Nr. 2 / 2005 getitelt. In dem Beitrag ging es, wie in anderen vorher, um die Situation der Beschäftigten nach der Senderfusion. Hier speziell um die Konflikte zwischen Geschäftsführung und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Ende vergangenen Jahres mit dem Rauswurf von Abendschaumoderator Jan Lerch ihren Höhepunkt fanden. Die „Eskalation im RBB“ beschäftigte inzwischen das Berliner Landgericht. Anders, als sich die Intendanz vermutlich erhofft hatte.
Obwohl die Wogen im RBB inzwischen auch dank eines Runden Tisches etwas geglättet und Debatten in sachlicheres Fahrwasser gelenkt wurden, muss der genannte Artikel bei der Intendanz reines Wutschnauben ausgelöst haben. Neben einer Gegendarstellung (siehe M 04 / 2005, S.18) begehrte Intendantin Dagmar Reim eine Unterlassungserklärung und erwirkte eine einstweilige Verfügung. ver.di sollte nicht mehr behaupten dürfen, dass die Personalratsvorsitzende Hanne Daum auf einer Mitarbeiterversammlung zum Fall Lerch geäußert hatte: „Alle Gremien des RBB sind über das Vorgehen der Geschäftsleitung empört.“ Die Mitteilung, dass dem Freienvertreter und Nachrichtenredakteur Jürgen Schäfer sein Vertrag für 2005 offiziell wegen Strukturveränderungen nicht verlängert worden war, sollte nicht mit dem Nachsatz verbunden werden, dass Schäfer „als Sprecher von rbbpro und als ver.di-Freienvertreter kein offenes Wort gescheut und … so ins Visier der Intendanz geraten“ war.
Kontext und Weglassen
Den ersten Punkt der Gegendarstellung, der sich auf die Zusammenfassung „Wer Kritik übt, fliegt“ und Jan Lerch bezog, hatte der RBB selbst zurückgezogen. Die anderen beiden standen am 31. März vor der 27. Zivilkammer des Berliner Landgerichtes zur Debatte. Die M-Redaktion wertete das als „Versuch, einer Gewerkschaftszeitung in einem zugespitzten Konflikt den Mund zu verbieten“. Rechtsanwalt Johannes Weberling, der den RBB vertrat, führte zunächst aus, dass „alle Gremien“ in einem öffentlich-rechtlichen Sender als feststehender Begriff zuerst die offiziellen gesetzlichen Organe wie Verwaltungs- und Rundfunkrat meine. Diese „Gremien“ hätten jedoch die Geschäftsführung ausdrücklich unterstützt, was die Personalratsvorsitzende durch ihre Mitgliedschaft im Verwaltungsrat auch wisse.
Anwalt Johannes Eisenberg reklamierte für ver.di: Aus dem Kontext werde klar, dass nicht von sämtlichen Gremien des RBB, sondern von Arbeitnehmer- und Freienvertretungen die Rede gewesen sei. Er bezweifelte, dass überhaupt ein Unterlassungsanspruch bestehe, da Persönlichkeitsrechte der Intendantin nicht angegriffen seien und fraglich sei, ob einem Sender ein „Organisationspersönlichkeitsrecht“ einzuräumen sei. Wenn ja, werde die Gewerkschaftspresse „künftig derart kujoniert, dass eine politische Auseinandersetzung überhaupt unmöglich“ werde. Gewerkschaftspresse könne „kein Presserecht light“ für sich reklamieren, entgegnete Weberling. Zu der zweiten Textpassage hatte Eisenberg bereits schriftlich klargestellt, dass der RBB die Ausgangsmitteilung durch Weglassen des Teils: „Offizielle Begründung: Veränderte Produktionsstrukturen.“ selbst verändert habe, um dann zu behaupten, dass in «M» ein falscher Eindruck über die Hintergründe der Personalie Schäfer erweckt worden sei. Vielmehr sei „gerichtsbekannt“, dass der RBB über die „wahren Beweggründe, warum … die Zusammenarbeit mit freien Mitarbeitern beendet“ werde, die Beteiligten täusche. Dem hatte die Gegenseite in der Verhandlung substanziell wenig entgegenzusetzen. Rechtsanwalt Weberling, der mündlich einige Daten und Zuordnungen in seinen Schriftsätzen korrigierte, warf «M» stattdessen allgemein vor, „schlampig“ zu arbeiten.
Das Gericht entschied, die einstweilige Verfügung gegen ver.di aufzuheben. Die Einschränkung des Begriffs auf Arbeitnehmer-Gremien ergebe sich tatsächlich aus dem Kontext. Die Andeutung, dass es auch andere Gründe für die Nichtverlängerung von Schäfers Vertrag gegeben habe könne als die offiziell angeführten, sei eine zulässige Meinungsäußerung, keine Tatsachenbehauptung, urteilte die Kammer.
Außer Spesen nichts gewesen? Könnte man meinen. Mit der Einschränkung, dass weder Frau Reim noch der RBB insgesamt Prozesskosten aus privaten Taschen zahlen, sondern auch hier der Gebührenzahler zur Kasse gebeten wird.