Notfalls auf die Straße gehen

ver.di auf der Berlinale: Auch hier Diskussionen um den „Korb 2“

Um den deutschen Film muss sich derzeit niemand sorgen. Nicht wirklich. Dennoch war es kein Alarmismus, dass Urheber­verbände am Rande der Berlinale zu einer Podiumsdiskussion luden, in dessen Zentrum die Frage stand: „Gibt der deutsche Film den Geist auf?“ Die Antwort, so die Teilnehmer der von dem Medienjournalisten Holger Wenk moderierten Veranstaltung: Der Ausverkauf der Kreativen werde rasant beschleunigt, verabschiede die Bundesregierung das Urheberrechtsgesetz nach den Plänen des Justizministeriums, den „Korb 2“. Dagegen sollten die Filmschaffenden notfalls auf die Straße gehen, warb Wille Bartz von connexx.av, der neben Tarifsekretär Matthias von Fintel vom Filmverband in ver.di zu der gut besuchten Diskussion eingeladen hatte.

Die Ausgangsposition: Schon jetzt käme vom steigenden Umsatz der Film- und Fernsehbranche bei den meisten Filmschaffenden kaum etwas an. 2005 wurden hier 14,1 Milliarden Euro bewegt. Dabei unterliefen die Produzenten den Tarifvertrag, forderten von den immer kürzer eingestellten Kreativen Arbeitsleistungen bis zu 70 Stunden in der Woche, so dass es kaum mehr gelingen würde, in drehfreien Zeiten das Arbeitslosengeld 1 zu erhalten. Auch den überdurchschnittlich Beschäftigten sei es inzwischen unmöglich, die dafür vorgeschriebenen 360 Arbeitstage in zwei Jahren zusammen zu bekommen. Also fielen sie unter das Hartz-IV-Gesetz. Soweit die Schilderungen der Gegenwart.

Ausschüttungen reduziert

Der Urheberfachmann von ver.di, Wolfgang Schimmel, und der Justiziar des Verbandes der Drehbuchautoren, Henner Merle, erläuterten, was den Filmschaffenden durch den geplanten „Korb 2“ droht. Die Verwertungsgesellschaften müssten ihre Ausschüttungen an die Kreativen massiv reduzieren, werde die Kopierabgabe der Geräteindustrie gesetzlich gesenkt. „Dabei steht heute schon in vielen Kinderzimmern ein Filmkopierwerk in Form eines DVD-Brenners“, karikierte Schimmel die Situation. Merle verwies auf den Passus des Rechteverfalls bei unbekannten Nutzungsarten: „Eine Widerspruchsklausel soll für die Filmbranche überhaupt nicht gelten.“ – Wobei etwa Schauspieler generell von den Film-Verwertungsrechten ausgegrenzt seien, fügte Tilo Gerlach von der Gesellschaft zur Verwertung von Leis­tungs­schutzrechten an, der forderte: „Die Darsteller müssten erst einmal einbezogen werden.“ Eine Position, die Brien Dorenz vom Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler unterstützte.
Einmal abgesehen von diesen politischen Analysen, ging es um die Durchsetzung und Erfassung solcher Rechte. Hier seien die Verwertungsgesellschaften gefordert, war die vielfache Meinung des mit­diskutierenden Publikums, was Gerlach als nicht machbar und als falsche Vorstellung zurückwies: Deren Mitglieder müss­ten sich politisch durchsetzen. „Verwertungsgesellschaften können keine individuellen Rechte und Produktionsbedingungen bestimmen. Sie sind treuhänderisch tätig“, klärte er auf. – Dann müssten die Gewerkschaften den Verwertungsgesellschaften Druck machen, wurde geäußert. Schimmel sprach darauf von „zwei Strängen“, wobei die Gesellschaften ihre eigenen Klienten hätten, es das Ziel von ver.di sei, die materiellen Bedingungen der Mitglieder zu verbessern. Dass am Ende der Diskussion der Wunsch formuliert wurde, man müsse konstruktiver zusammenarbeiten, um den „Korb 2“ zu verhindern, war fast schon ein Programm.

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