Nur gegen „Knipsgebühr“

Zweites BGH-Urteil gegen freie Fotografen – Verfassungsbeschwerde

Zum zweiten Mal hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass freie Bildjournalisten nur mit Genehmigung und gegen Zahlung von „Knipsgebühren“ Foto- und Filmaufnahmen von öffentlich zugänglichen Schlössern und Gärten (so Sanssouci) herstellen und verwerten dürfen. Die dju in ver.di wird eine Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil unterstützen.


Presse- und Informationsfreiheit? Tut nichts zur Sache. Urheberechtliche „Panoramafreiheit“ (§59 UrhG)? Spielt keine Rolle. Berufsfreiheit? Ja, aber nicht bei „kommerzieller Verwertung“. Maßgeblich ist für den auch für das Grundstücksrecht zuständigen V. Zivilsenat des Gerichtshofs allein das Eigentumsrecht der öffentlich-rechtlichen Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. „Der Grundstückseigentümer entscheidet auch dann allein über die kommerzielle Verwertung der von seinem Grundstück aus angefertigten Fotografien seiner Bauwerke und Gartenanlagen, wenn er den Zugang zu privaten Zwecken gestattet hat“. So lautet der Leitsatz seiner im Mai veröffentlichten Entscheidung vom 1. März 2013 (Az.: V ZR 14/12).
Der Karlsruher Senat hat damit sein Urteil vom Dezember 2010 in gleicher Sache bestätigt. Damals hatte der BGH die Revision der Stiftung zurückgewiesen und die Angelegenheit an das Brandenburgische Oberlandesgericht zurückgegeben. Das gab im Dezember 2011 erneut der Stiftung Recht, wogegen sich die Berliner Fotoagentur Ostkreuz mit ihrer Revision wehrte (M 1/2012).

In seinem aktuellen Urteil geht der BGH noch über das von 2010 hinaus. Eine Rechtsverletzung liege auch dann vor, wenn einem Besucher der Zutritt zum Grundstück zu privaten Zwecken gewährt werde, dieser jedoch aus kommerziellen Gründen Fotos anfertige. Allein der Grundstückseigentümer bestimme, ob und unter welchen Bedingungen Dritte das Gelände betreten dürften und wer daraus wirtschaftliche Vorteile ziehen darf, entschieden die Richter. Gestatte ein Eigentümer das Betreten seines Grundstücks nur unter bestimmten Bedingungen, sei jede Abweichung hiervon eine Eigentumsbeeinträchtigung.
Haus- und Grundbesitzer mögen über so viel höchstrichterlich zugesprochene Machtbefugnis jubeln. Urheberrecht und Pressefreiheit bleiben dabei auf der Strecke. Zum Urheberrecht der Fotografen heißt es im Urteil schlicht: „Die ungenehmigte Verwertung der Fotografie ist eine Eigentumsstörung, die nicht dadurch rechtmäßig wird, dass dem Störer Rechte gegenüber Dritten zustehen, deren Rechte er nicht verletzt hat.“ Eine Berufung auf die Pressefreiheit wird der Bildagentur völlig abgesprochen. Sie verfolge „nicht das Ziel, selbst die Öffentlichkeit über die Anwesen der Klägerin zu informieren“, meinen die Richter, denn sie wolle ja nur Fotos verkaufen.
Neben der dju hatten DJV, Freelens und der Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive (BVPA) die Klage der Berliner Fotoagentur unterstützt. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil ist geplant.

 

M berichtete:
Urteil gegen freie Fotografie (1/2012)
Fotogebühr gekippt (3/2010)
Angriff auf die freie Fotografie (8-9/2008)

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »