Nur noch ein Exzellenzorchester?

SWR will sinfonische Klangkörper in Baden-Württemberg fusionieren

Die Diskussionen werden wohl noch einmal aufflammen. Am 28. September trifft sich der Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR). Mit dieser Sitzung läuft die Frist ab, in der die umstrittene Fusion des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO) mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg noch verhindert werden könnte. In der vorletzten Sitzung fassten die Rundfunkräte eine Art Vorratsbeschluss: Wenn es keine tragbaren Alternativen gebe, sei die Fusion umzusetzen, hieß es damals.

Das Sinfonieorchesters des Südwestrundfunks bei einer Probe in Freiburg Foto: Patrick Seeger / dpa
Das Sinfonieorchesters des Südwestrundfunks bei einer Probe in Freiburg
Foto: Patrick Seeger / dpa

Greifen soll die Zusammenlegung ab 2016. Sprecher Wolfgang Utz erklärt, wenn nichts passiere, fehlten dem SWR ab 2016 immerhin 166 Mio. Euro im Etat. Weniger Gebühren, gleichzeitig Kostensteigerungen „weit über das normale Maß“. Beide Ensembles haben übrigens einen ausgezeichneten Ruf: Die Freiburger haben jahrzehntelang an der Vermittlung neuer Musik gearbeitet und einen unverwechselbaren, im besten Sinn seidig wirkenden Klang geprägt, die Stuttgarter den Echo-Klassik in der Kategorie „Einspielung des Jahres“ gewonnen. Dass die Debatte um die Zusammenlegungsidee bis in die Feuilletons ging, ist daher keine Überraschung.
Ein Sinfonieorchester kostet nach SWR-Informationen zehn Mio. Euro/Jahr, Erträge und Aufwendungen sind schon herausgerechnet. In Stuttgart sind 102, in Freiburg 98 Musiker unter Vertrag. Bundesweit musizieren elf Orchester unter dem Dach einer Rundfunkanstalt, dazu vier Bigbands und fünf Chöre – ausgenommen Berlin. Dort haben Bund, Land und zwei Rundfunkanstalten Chöre und Orchester in einer GmbH zusammengefasst. Dies sei eines der Modelle, die geprüft würden, sagte Wolfgang Utz im Juli. Drei Wochen später heißt es aus der SWR-Pressestelle, es gebe keinen neuen Stand zur Fusionsdebatte.

Lösung innerhalb der Rundfunkanstalt

Ist damit schon alles gesagt? SWR-Gesamtpersonalratsvorsitzende Eva Matzerath ist im Prinzip für den Erhalt der Orchester. Einsparvorgaben, sagt die Beschäftigtenvertreterin, beträfen aber den ganzen Sender, bislang seien die Orchester unangetastet. Das Kulturprogramm SWR 2 ist mit 25 Prozent, das Regionalprogramm SWR 4 ebenfalls mit einem Viertel dabei. Auch Matzerath bestätigt das Einsparziel von 166 Mio. Euro, die wegbrechenden Gebühren und nennt den demographischen Faktor als weiteren Grund. Nehme man die Orchester vom Sparen aus, würde es auf andere fallen. Der Vorschlag aus dem Freundeskreis des badischen Orchesters, eine Trägerlösung mit den Kommunen der Region zu finden, sei „keine langfristige Lösung“, das besondere künstlerische Profil mit einem Schwerpunkt auf der Vermittlung neuer Musik „nicht zu halten“. Dies könne nur eine Rundfunkanstalt gewährleisten, weshalb eine Fusion unter diesen Umständen noch die beste Variante sei. Eva Matzerath glaubt, dass genügend Geld für ein „Exzellenzorchester“ da ist.
In der politischen Landschaft, aus der – wenn überhaupt – Unterstützung für eine andere Lösung kommen könnte, gibt es unterschiedliche Stimmen. Freiburgs OB-Sprecher Walter Preker hatte noch im Juli nach einem Gespräch zwischen OB Dieter Salomon und Intendant Peter Boudgoust durchblicken lassen, der Ton zwischen SWR und Stadt werde schärfer: „Wir wollen das SWR-Sinfonieorchester in Freiburg halten“. Das Ensemble bespielt vor allem das Konzerthaus am Hauptbahnhof – ein Vertrag darüber datiert derzeit bis 2016. Im Netz kursiert ein Video, in dem das Publikum für das Orchester Schillers „Ode an die Freude“ mit einer dazugedichteten Strophe singt – und sich damit sehr klar gegen die Fusion ausspricht. Preker sagt, der SWR wolle je Orchester 2,5 Mio. Euro von dritter Seite, der Intendant führe entsprechende Gespräche „sehr schnell“. Freiburg werde mitziehen, „dafür brauchen wir Gremienbeschlüsse“. Prekers Kollegin Petra Zinthäfner ergänzt im August, OB Dieter Salomon habe Freiburgs Standpunkt Anfang des Monats dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann deutlich gemacht und um Unterstützung gebeten.

Am 9. Juni 2012 spielte das Radio-Sinfonieorchester ein öffentliches Protestkonzert gegen die geplanten Sparmaßnahmen des SWR vor dem Königsbau in Stuttgart. Foto: Jan-Philipp Strobel / dpa
Am 9. Juni 2012 spielte das
Radio-Sinfonieorchester ein
öffentliches Protestkonzert
gegen die geplanten
Sparmaßnahmen des SWR vor
dem Königsbau in Stuttgart.
Foto: Jan-Philipp Strobel / dpa

In Baden-Baden wurde dagegen Anfang des Sommers abgewunken: Der kommunale Haushalt sei schon jetzt nicht ausgeglichen, zehn Prozent gingen in die Kultur, mehr sei nicht möglich. OB Wolfgang Gerstner findet gar, eine Trägerschaft von außen sei für die Musiker „nicht erstrebenswert“. In Stuttgart ist man ebenfalls nicht begeistert: Der dortige OB Wolfgang Schuster hat im Rundfunkrat gegen die Fusion gestimmt, wie aus dem Rathaus zu erfahren war.
Wie die Arbeit eines neuen Orchesters aussehen wird, ist aber trotzdem die Frage. SWR-offiziell ist von 90 Konzerten jährlich in großer Formation die Rede. Abokonzerte in Freiburg und Stuttgart solle es weiter geben, dazu „wichtige Gastauftritte und die Jugend- und Vermittlungsarbeit an beiden bisherigen Standorten“. Nicht eingeteilte Musiker könnten sich „in unterschiedlichen Ensembles formieren“. Gewährleistet sei die Beteiligung an den Donaueschinger Musiktagen, den Schwetzinger Festspielen und dem Festival Rheinvokal. Auffällig ist, dass in der Presseinformation vom damaligen Rundfunkrat Baden-Baden als Standort nicht genannt wird.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »